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Die Welt des Dschungels ist eine ganz eigene: Wilde Tiere haben innerhalb von Jahrhunderten ihre eigenen Gesetze entwickelt, leben von-, neben- und miteinander in den grünen, dunklen und stickig-feuchten Dickichten des indischen Regenwaldes. Kein Platz für Menschen. Doch genau hier taucht ein kleiner Junge auf - er kommt bei einem Wolfsrudel unter und wird Mowgli genannt. Dieser Name und die Abenteuer, die Mowgli im Dschungel bestehen muss, haben Rudyard Kipling weltberühmt gemacht. Seine Dschungelbücher entwerfen ein schillerndes Panorama, das in seinem Fokus auf die Konfrontation der Tier- mit der Menschenwelt stets Normen und Werte der Gesellschaft von Kiplings Zeiten bis heute vorführt und kritisiert.
Joseph Rudyard Kipling wurde 1865 in Bombay geboren und verbrachte seine Kindheit zunächst in Indien, dann in England. 1882 kam er nach Indien zurück, um dort als Journalist zu arbeiten. Berühmt wurde er in dieser Zeit für seine lebensnahen Kurzgeschichten und Gedichte. 1889 kehrte er nach London zurück, blieb aber stets aufgrund seiner politischen Ausrichtung umstritten. Die beiden Dschungelbücher sind in 1894 und 1895 erschienen. Sein Roman Kim erschien 1901. 1907 bekam er den Literaturnobelpreis verliehen. Nach dem Ersten Weltkrieg verlor Kipling trotz intensiver schriftstellerischer Aktivität immer mehr an Popularität. Er starb 1936 in London.
Autorentext
Joseph Rudyard Kipling wurde 1865 in Bombay geboren und verbrachte seine Kindheit zunächst in Indien, dann in England. 1882 kam er nach Indien zurück, um dort als Journalist zu arbeiten. Berühmt wurde er in dieser Zeit für seine lebensnahen Kurzgeschichten und Gedichte. 1889 kehrte er nach London zurück, blieb aber stets aufgrund seiner politischen Ausrichtung umstritten. Die beiden Dschungelbücher sind in 1894 und 1895 erschienen. Sein Roman Kim erschien 1901. 1907 bekam er den Literaturnobelpreis verliehen. Nach dem Ersten Weltkrieg verlor Kipling trotz intensiver schriftstellerischer Aktivität immer mehr an Popularität. Er starb 1936 in London.
Leseprobe
MOWGLIS BRÜDER
Nun bringt der Weih die dunkle Nacht ,
Und Mang, die Fledermaus, erwacht .
Der Stall birgt alles Herdentier ,
Denn bis zum Morgen herrschen wir!
Die Stunde stolzer Kraft hebt an
Für Prankenhieb und scharfen Zahn .
Jagdheil! und kühn gehetzt, gerafft:
Das Dschungelrecht ist jetzt in Kraft .
Nachtgesang im Dschungel
Gegen sieben Uhr an einem recht schwülen Sommerabend in den Seeonee-Bergen erwachte Vater Wolf, gähnte, reckte sich und streckte die Läufe, einen nach dem anderen, um das Schlafgefühl in den Pfoten loszuwerden. Neben ihm lag Mutter Wolf, die lange graue Nase quer über den vier winselnden und quarrenden Jungen, und von draußen her schien der Mond in die Höhle, in der sie alle hausten.
"A-ruff", knurrte Vater Wolf, "schon wieder Zeit, auf Jagd zu gehen." Gerade wollte er den Hang hinabsetzen, als am Eingang der Höhle ein kleiner Schatten mit buschiger Rute erschien und winselte:
"Glück sei mit dir, Häuptling der Wölfe! Und viel Glück deinen edlen Kindern; weiße scharfe Zähne sollen ihnen wachsen. Mögen sie nie die Hungernden und Darbenden vergessen in dieser Welt!"
Der Schakal war es - Tabaqui, der Schüssellecker. Die Wölfe in Indien verachten ihn, weil er Unheil stiftend umherstreift und böse Geschichten erzählt. Ja, er verschlingt sogar alte Lumpen und Lederstücke von den Abfallhaufen der Dörfer. Aber sie fürchten ihn auch, denn Tabaqui wird leicht von Tollwut befallen, viel leichter als irgendein anderes Tier im Dschungel. Dann vergißt er, daß er je Angst gehabt hat, rennt blindwütend durch die Wälder und beißt und tötet alles, was ihm in den Weg kommt. Dann flüchtet selbst der Tiger vor dem kleinen Tabaqui und verbirgt sich im Dickicht; denn von der Tollwut befallen zu werden, ist die größte Schande für die Tiere der Wildnis. Wir Menschen nennen es Hydrophobie, aber die Bewohner des Dschungels sagen einfach Dewanee - Wahnsinn - und flüchten.
"Tritt ein und schau", sagte Vater Wolf. "Fraß findest du hier nicht."
"Für einen Wolf wohl kaum", antwortete Tabaqui. "Aber für ein so niedriges Geschöpf wie mich ist ein trockener Knochen ein Festschmaus. Wer sind wir denn, wir Gidur-log, wir armes Schakalvolk, daß wir wählerisch sein könnten?" Er trabte nach dem Hintergrund der Höhle und fand dort den Knochen eines gerissenen Bocks mit noch etwas Fleisch daran; bald saß er und knackte vergnügt an dem Knochen.
"Tiefen Dank für das prächtige Mahl", sagte er, sich die Lippen leckend. "Ach, wie schön sind die edlen Kinder! Wie groß und klar sind ihre Augen. Und so jung sind sie noch, die lieben Kleinen! Freilich - freilich, es ist ja allbekannt, daß Kinder von Königen schon Männer sind von Geburt an."
Nun wußte Tabaqui ebenso gut wie jeder andere, daß man nichts Unschicklicheres tun kann, als Kinder ins Gesicht hinein zu loben - denn das ist von schlimmer Vorbedeutung. Und es freute ihn, als Vater und Mutter Wolf betreten schwiegen.
Noch eine Weile saß Tabaqui und weidete sich an dem Unheil, das er angerichtet hatte. Dann sagte er boshaft:
"Shere Khan, der Gewaltige, hat seine Jagdgründe verlegt. Hier in diesen Hügeln wird er jagen im nächsten Mond - so sagte er mir selbst."
Shere Khan war der Tiger, der an den Ufern des Waingunga-Flusses lebte - ungefähr zwanzig Meilen entfernt.
"Dazu hat er kein Recht!" brauste Vater Wolf auf. "Nach dem Gesetz des Dschungels darf er seine Jagdgründe nicht wechseln ohne vorherige Ankündigung. Alles Wild wird er uns vergrämen auf zehn Meilen im Umkreis, und ich - ich muß je