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Zu Fuß und im Jeep, mit Rucksack und Trekkingausrüstung reisen Elke Amberg und ihre Lebensgefährtin durch West-Tibet. Sie entdecken den höchsten Berg der Welt neu, der nicht nur Ziel Tausender Bergsteiger, sondern auch Sitz der Göttin Qomolangma, der Mutter des Universums, ist. Sie lernen die uralte Bön-Religion mit ihren See- und Berggöttinnen kennen und überqueren mit Pilgerinnen und Pilgern den 5600 Meter hohen Pass am heiligen Berg Kailash. Dabei gelangen sie in einst matriarchalisch geprägte Gegenden, in denen Frauen heute noch in der Brüderehe leben. Und sie folgen den Spuren der Französin Alexandra David-Néel, die 1925 als erste Europäerin die verbotene Stadt Lhasa betrat. Ein einfühlsam und lebendig geschilderter Abenteuertrip zu den starken Frauen auf dem Dach der Welt.
Elke Amberg ist Kommunikationswissenschaftlerin und Journalistin. Sie arbeitete viele Jahre lang für den ARD-Hörfunk und ist heute spezialisiert auf Öffentlichkeitsarbeit und Fachjournalismus für diskriminierte gesellschaftliche Gruppen. 2011 erschien ihre Studie zur Unsichtbarkeit lesbischer Frauen in der Presse. Zu ihren Themen und Reisen hält die Autorin auch Vorträge. Sie lebt in München.
Autorentext
Elke Amberg ist Kommunikationswissenschaftlerin und Journalistin. Sie arbeitete viele Jahre lang für den ARD-Hörfunk und ist heute spezialisiert auf Öffentlichkeitsarbeit und Fachjournalismus für diskriminierte gesellschaftliche Gruppen. 2011 erschien ihre Studie zur Unsichtbarkeit lesbischer Frauen in der Presse. Zu ihren Themen und Reisen hält die Autorin auch Vorträge. Sie lebt in München.
Leseprobe
Es fährt ein Zug aufs Dach der Welt
Nadelöhr Einreise - ein Entschluss, eine Beamtin und ein Schlaumeier
Gleich geht es los - dachten wir. Aber nun warten wir schon eine halbe Stunde, stehend, mit prall gefülltem Rucksack auf dem Rücken, umringt von Männern. Soldaten in Zivil, Geschäftsreisende, chinesische Touristen? Schwer einzuschätzen. Nur einzelne Tibeter sind dabei. Vor uns prangt das Schild mit unserer Zugnummer: K 9811. Eine Absperrung mit einer roten Kordel verhindert, dass wir einfach so auf das Gleis gehen. Auch hier im Bahnhof von Xining, im tiefen Westen Chinas, hat alles seine Ordnung, was bedeutet: einchecken wie auf dem Flughafen. Reisende nach Lhasa, so scheint es, bedürfen einer besonderen Disziplinierung. Wir müssen in vier Reihen anstehen, dicht an dicht und vor allem eng hintereinander. So eng, wie sich Durchschnittseuropäer niemals freiwillig hinstellen würden.
Uniformierte starren bedeutungsschwanger in die Luft. Mein tonnenschwerer Rucksack treibt mir den Schweiß aus allen Poren. Ich schere einen halben Schritt nach links aus, entziehe mich dem Geruch von Schweiß, Rasierwasser und Yakbutter. Deren süßlich-ranzigen Geruch kennen wir von den Butterlampen der Klöster. In Tibet werden damit auch Haut und Haare eingecremt. Yakbutter hilft angeblich bei fast allem, wie in Russland der Wodka und in Bayern das Bier.
Mein Ausfallschritt ist dem Bahnpolizisten ein Dorn im Auge, aber er übersieht ihn geflissentlich. Sonst geriete er womöglich in die Bredouille, irgendetwas tun zu müssen. Aber wie und was, wenn man kein Englisch spricht und nichts falsch machen möchte? Mit einem Stock patrouilliert er die Reihen entlang, als beaufsichtige er eine Herde Yakbullen. Wir Westlerinnen haben den Langnasen-Bonus und ignorieren die lautstark vorgetragenen Drohungen und Mahnungen.
Gabi, neben mir eingekeilt, kämpft tapfer gegen notorische Drängler von hinten an. Ich weiß, sie ist hellwach und fest entschlossen, loszuspurten, wenn's drauf ankommt. Schweißtropfen rinnen hinter meinen Ohren den Hals hinunter, die Tragegurte schneiden mir in die Nackenmuskeln. »Wenn wir nur nicht so viel eingepackt hätten!«, verfluche ich laut meine bleierne Last. Schon dreimal habe ich meinen Zwanzig-Kilo-Rucksack mühsam abgesetzt, um ihn mir beim kleinsten Anzeichen, dass es vorangeht, wieder auf den Rücken zu hieven. Eine ganze Bibliothek befindet sich darin, und bisher habe ich kein einziges Buch gelesen! Die Youngsters mit ihren Laptops, Tablets und Pads würden sich kringeln vor Lachen, wenn sie wüssten, was sich in den Tiefen meines alten Travellerrucksacks stapelt. Und sie wären sicherlich entsetzt bei der Vorstellung, ohne Handy auf Reisen zu gehen.
Da! Bewegung kommt in die Menge, als sich die Glastür vor uns öffnet, die Kordel entfernt wird. Fehlalarm. Zwei weitere wichtige chinesische Beamte postieren sich neben die anderen.
Bevor wir allmählich in Gleichmut versinken, spazieren zwei Reisegruppen mit Westlern, von ihren Guides geleitet, an allen vorbei, als sei dies das Selbstverständlichste auf der Welt. Irgendwie sind wir plötzlich stolz, mit dem normalen Volk in der Reihe zu stehen. Lange kann es nicht mehr dauern.
Ein unhörbarer Startschuss. Es geht los! Sofort verschmelzen die vier säuberlich bewachten Reihen zu einem kompakten, drängelnden Knäuel. Fein angezogene Chinesen im Businessanzug mit Rollköfferchen haben sich schon herangepirscht und greifen von der Seite an. Was uns nicht beeindrucken kann, schließlich sind wir »China-Profis«: Unter Einsatz des ganzen Körpergewichts inklusive Rucksack drängeln wir durch den Flaschenhals, den die Beamten bilden, und durchschreiten die verheißungsvolle Glastür.
Der Bahnsteig ist jungfräulich leer, geräumig und blitzblank sauber wie ein Geisterbahnhof. Schaffnerinnen in Habachtstellung vor jeder Zugtür. Schnell ist unser Waggon gefunden, doch die Uniformierte hält uns auf. Wo ist unser Lhasa-Permit