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Ende der Siebziger und Anfang der Achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts verbrachte ich insgesamt über drei Jahre bei den Lakandonen von Naha. Ich wollte wissen, wie es ein Stamm im Regenwald schafft von seiner Umwelt zu leben, aber ohne ihn zu zerstören (Jetzt weiß ich wie es geht, aber leider ist der Regenwald um Naha vollkommen abgeholzt!) Damals konnte ich noch die traditionelle heidnisch-schamanische Kultur miterleben. Ich durfte gleich die Mythologie, die Gebete, die Divination, Zauberlieder und Zaubersprüche mit meinem UHER-Kassettenrekorder aufnehmen (UHER war damals das beste Aufnahmegerät). Dank der Transkriptionen mit der unersetzlichen Hilfe von Sohn Kayum Maax konnte ich die wunderbaren Worte, Erzählungen, Sprüche vom alten Chan Kin Maax (Viejo) ins Deutsche übersetzen. Daraus entstand das vorliegende Buch "Ein Kosmos im Regenwald". Das war mein Titelvorschlag. Zum Glück hat ihn der Verlag übernommen. Dass es meinen Erstling wieder gibt, ist mit einer wundersamen Synchronizität verbunden. Als mich Walter Fehlinger fragte, ob er den "Kosmos im Regenwald" neu auflegen dürfe, habe ich mich sehr gefreut und sofort zugesagt. Ungefähr zur gleichen Zeit erhielt ich einen Anruf von Harry Thomaß, ein junger Altamerikanist, der ein Spracharchiv von den Originalaufnahmen der älteren Altamerikanistengeneration, z.B. von Ortwin Smailus, Ulrich Köhler usw. aufbauen wollte: Ziel: die Digitalisierung der Tonbandaufnahmen, für verschiedene Archive zugänglich, vor allem aber soll es den Kindern und Kindeskindern unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden. So können jetzt die Urgroßenkel des alten Chan Kin dessen Erzählungen anhören und die Sprüche neu erlernen. Ich war sofort von dem Projekt begeistert und gab meine Sprachaufnahmen weiter an Harry Thomaß. Der hat sie dann dem Clan des alten Chan Kin vorgespielt und auf die dortigen Computer kopiert. Daraufhin hatte ich den ersten digitalen Kontakt zu den Lakandonen, die für mich die bedeutendsten Lehrer geworden sind. Ein Ururenkel des alten Chan Kin, genannt James Bor, wohnhaft in Lakanha, rief mich mit seinem Handy per Video an. Er war sehr erstaunt, wie gut ich Lakandon sprechen konnte. Er fragte mich, ob ich ihm beibringen könne, wie Lakandon geschrieben und gelesen wird. Na klar! Dann hat er eine Videokonferenz mit dem Haus seines Opas Kin Paniagua geschaltet. Der inwischen alte Kin hat in einer Hängematte sitzend und Copal räuchernd Gebete und Sprüche für meine Gesundheit gesungen und gesprochen! Wow was für ein Erlebnis! Ein Kreis des Lebendigen schließt sich. Das Originalmanuskript vom Kosmos habe ich noch handschriftlich beim Kölner Diederichs Verlag abgegeben. Und jetzt: Nach nur vierzig Jahren kann ich mit den neuesten digitalen Medien meine Lehrer und Freund*innen kontaktieren.
Vorwort
Die Regenwälder sterben, und mit ihnen die Kulturen, die zu ihren tausend Wundern gehören. Noch bevor wir die ökologischen Geheimnisse der letzten Urwälder entdecken, wird das Land von den Traktoren der westlichen Industrienationen zur Wüste verwandelt. Den Waldmenschen wird der Nährboden ihrer Kultur genommen: das Wissen vom Wald verliert sich im Staub über dem Karst. Die Lakandonen sagen, die Seele eines Baumes gleicht der eines Menschen. Wird ein Baum gefällt, verliert sie ihren Kopf und steigt blutend in den Himmel auf. Die Lakandonen sind darum bemüht, mit den Bäumen in Harmonie zusarnmenzuleben. Der alte Chan Kin wundert sich, daß Fremde, die den Wald nicht kennen, kommen und den Regenwald abholzen. Für ihn ist eines ganz sicher: wenn es keinen Wald mehr gibt, naht der Weltuntergang. Chan Kin lernte sein Wissen von seinem Vater und der erfuhr es wiederum von seinem Vater. Aber dessen Urururgroßvater hat es von den Göttern, welche den Wald, ihre Welt, erschaffen haben. Der damals (1984) 98jährige Chan Kin, sein Sohn Kayum und ich, wir haben uns entschlossen, etwas von dem Wissen der Lakandonen, welches von jeher im Einklang mit den Naturgesetzen des Waldes stand, aufzuzeichnen und für sie zu bewahren. Dazu sprach Chan Kin seine Geschichten auf Tonband und sang die alten, überlieferten Lieder der Lakandonen. Kayum und ich fertigten die Transkriptionen an, die ich unter ständiger Rücksprache mit beiden ins Deutsche übersetzte. Die so übertragenen und aufgeschriebenen Texte bilden den Kern des vorlie- genden Buches. Ohne die Hilfe und Unterstützung vieler Freunde wäre diese Arbeit nur sehr schwer oder mangelhaft gelungen. Ich möchte mich bei ihnen dafür bedanken: Sigrid Diechtl, Gertrude Duby-Blom, Susanna Eckholm Harald Hess, Eike Hinz, Sigi Höhle, Albert Hofmann, Jürgen Jensen, Koh Keken Kin Paniagua Keken Jür- gen Lipp, Bill Litzinger, Antonio Chan Kin Maax Nuk Maax Dörte Meyer, Chip Morris, Ken Nelson, O. b., Werner Petermann, Heinz J. Probst, Paul Rätsch, Hart- mut Rüsch, Ortwin Smailus, den Trickster-Leuten, Ossi Urchs, Jeff W. , Dianna Walter, Cynthia Whooley Nancy Wilson und Frank Zappa. Ich hoffe, daß durch dieses Buch unser Bewußtsein und Wissen vom Regenwald und seinen Menschen wächst. Naha, zur Zeit der Ersten Sonne Christian Rätsch
Inhalt
Vorwort Vorwort zur 2. Auflage Einleitung Die Lakandonen Menschen im Wald Das Erzählen von Geschichten Chan Kin Maax der kleine Prophet Bemerkungen zum Übersetzen ERZÄHLUNGEN DER GROSSEN ALTEN MENSCHEN I Die Schöpfungsgeschichte Die Geburt der Götter und das Werden der Welt Äkinchob, der Götterbote Die Geburt des Kisin, des Herrn des Todes Sonne und Mond Wie die Götter die Menschen und Tiere schufen Unsere Augen Der Feuergott und das Gürteltier Der Schnabel des Tukans Der Gesang der Vögel Der Mais Hachäkyum machte den Tabak für die Menschen Wie Hachäkyum den BalcheCTrunk versuchte Kakoch machte die Haustiere der Götter II Erzählungen aus der Urzeit Der Rote Sturm Das Ende des Sprechens Nuxi, der Maulwurffänger Der Urahne und der Königsgeier Hängematte, Tragenetz und Webrahmen Die Frau, die ihr Kind fraß Der Ähah III Die Habo die Echten Menschen von Yaxchilan Die Habo Die Kanus der Habo Die Pfeile der Habo Der Ameisenbär Wie Äkinchob den Urahnen in den Himmel hol- te Bol, der Gott der Trunkenheit IV Wilde Männer, Drachen und Wandernde Götter Yum Kax, der Wilde Mann Äh Wan Tut Kin Chäk Xok, die Wassermenschen Subin, der Drache im Wasserloch Kfasop, der erregte Gott Die Herren des Regenbogen Die Haustiere der Wandernden Götter Äh Xuke, der Gott der Nawäto Xtabay, die Frauen der Wandernden Götter V Die Herren der Tiere Das Dorf der Wildschweine Die Spinnenaffen Der Himmel der Geier Die Fledermausmenschen Der Herr der Blattschneideameisen VI Verwandlungen der Seele: Metamorphosen, Träume und Vorzeichen Die Verwandlungen der Tiere Nachtfalter und Kolibri Geister, Seelen und Träume Schlechte Vorzeichen Die Träume der Hunde Die Wahrnehmung der Hunde Die Zeichen der Vögel Bananenmenschen und Maisgeister Der KisinGeist des Fußes der Wandernden Götter VII Das Leben im Regenwald Das Blutopfer Die Begegnung mit dem Hüter des Waldes Der Balche-Krug Die Jagd Die Fäller der Sonne DAS WISSEN VON DEN DINGEN VIII Gesänge Das Lied an die Frau Das Lied an die Ehefrauen Das Lied an den Mann Das Lied an den Jaguar Das Lied an die Spinnenaffen Das Lied an die Brüllaffen Das Lied an die Wildschweine Das Lied an den Kambul Das Lied an den Basilisken Das Lied an die Fische Das Lied an den Chili-Pfeffer Das Lied an den Kakao Das Lied zum Erbrechen Das Lied an den Furz IX Gebete und Sprüche Gebet zum Maiswachstum Die Worte zum Opfer des Ersten Maises Die Worte zum Opfer des Ersten Tabaks Die Worte zum Weihrauchopfer an Itsanohkuh Die Worte zum Balche Opfer Bitte um Jagdwild Gebet bei der Geburt eines Kindes Gebet bei einer Sonnenfinsternis Der Spruch an den Zahn Der Spruch an den aufgehängten Maiskolben Der Spruch an den Knochen, die Haarsträhne und den Mais Der Spruch an die Kerze Der Spruch zur Heilung des Erbrechens Der Spruch an den Feuerstein Der Spruch an den BalcheTrunk X Prophezeiung Das Ende der Welt Nachwort Zehn Jahre später ANH…