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Unter den staatenbildenden Insekten haben die Ameisen eine besondere Rolle, da sich viele außergewöhnliche Phänomene nur bei diesen Tieren beobachten lassen. Ihre Lebensweise ist in vielerlei Hinsicht einzigartig und gleichzeitig außergewöhnlich vielfältig. Welche andere Insektenfamilie bedient sich beispielsweise der "Viehzucht" oder der "Sklavenhaltung"?
Diese Studie widmet sich den mitteleuropäischen Ameisenarten und soll einen Einblick in ihre Lebensweise bieten. Dazu werden alle wichtigen Zusammenhänge in Bezug auf Anatomie, Entwicklung, Nestbau, Gesellschaftsleben, Sinnesorgane und Ernährung erläutert. Einer Einführung in die wichtigsten Details über Ameisen folgen Informationen über die Haltung dieser Tiere, die besonders in jüngster Zeit in Deutschland an Popularität gewonnen hat. Es wird ein kleiner Einblick in die Anschaffung und Einrichtung von Formikarien geboten. Ferner werden die wichtigsten Kriterien zur erfolgreichen artgerechten Ameisenhaltung erläutert. In diesem Zusammenhang geht die Studie auch auf die Bedeutung des Themas "Ameisen" im Biologieunterricht an allgemeinbildenden Schulen ein.
Die Studie schließt mit der Vorstellung von einigen bei Ameisenhaltern beliebten Ameisenarten und einer Beschreibung von einigen artspezifischen Verhaltensweisen sowie wichtigen Details zur Fütterung.
Leseprobe
Textprobe:
Kapitel 3.2, Fortpflanzung, Schwärmen und Begattung:
[...] Aufgrund der Tatsache, dass die Lebensdauer der Ameisenvölker die der Arbeiterinnen weit übersteigt, müssen die verendeten Individuen ersetzt werden. Weiterhin werden Geschlechtstiere benötigt, um neue Völker zu gründen und neue Lebensräume zu besiedeln. Folgend geht es also zum einen um die Erzeugung und Entwicklung neuer Individuen und zum anderen um die Entstehung neuer Ameisenvölker, die Koloniegründung.
Zunächst möchte ich mich mit dem Prozess der Fortpflanzung beschäftigen, der es den Ameisen u.a. ermöglicht, neue Kolonien zu gründen. In der Regel versteht man unter Fortpflanzung die Gewinnung neuer Individuen aus den vorhandenen. Im Ameisenvolk übernehmen diese Aufgabe die Geschlechtstiere, also die Männchen und die fruchtbaren Weibchen. Arbeiterinnen sind, wie bereits erwähnt, nicht zur Fortpflanzung befähigt, ihre Eierstöcke sind in den meisten Fällen nicht funktionsfähig. Der Normalfall bei den Ameisen ist die zweigeschlechtliche Fortpflanzung durch Männchen und Weibchen, bei einzelnen Arbeiterinnen können in seltenen Fällen Eier heranreifen, die jedoch unbefruchtet bleiben, also auf eingeschlechtlichem Wege zustande kommen.
Bei den mitteleuropäischen Ameisenarten verläßt in der Regel pro Jahr nur eine einzige Geschlechtstiergeneration das Stammnest. Der für den Aufbau dieser Generation benötigte Zeitraum schwankt von Art zu Art beträchlich und ist nicht zuletzt von vielen Faktoren, wie z.B. der Außen- bzw. Nesttemperatur abhängig. Die überdurchschnittlich warm temperierten Nesthügel der Waldameisen beispielsweise benötigen zur Aufzucht ihrer Geschlechtstiere nur 5-6 Wochen. Viele andere heimische Ameisenarten leben unter wesentlich ungünstigeren klimatischen Bedingungen, was die Zeitspanne der Geschlechtstieraufzucht entsprechend in die Länge zieht. Bei vielen Weg- und Knotenameisenarten überwintern die Geschlechtstierlarven und vollenden erst nach der Winterruhe ihren Entwicklungsprozess (vgl. GÖSSWALD 1985: 33, 34).
Die Begattung der Jungköniginnen erfolgt bei den meisten Ameisenarten nicht im Nest, sondern während des sog. Hochzeitsfluges. Dieser Hochzeits- oder auch Schwarmflug hat zum einen das Ziel, Geschlechtspartner aus verschiedenen Nestern zusammenzuführen. Dadurch soll Inzucht verhindert werden, die bei Ameisen nur sehr selten vorkommt (z.B. bei der Pharaoameise). Zum anderen wird auf diesem Weg zu einer größeren Verbreitung der Art beigetragen. Der Zeitpunkt des Hochzeitsfluges ist bei den einzelnen Ameisenarten sehr verschieden, u.a. hängt er von der Jahreszeit, der Witterung (meist an schwül-warmen Tagen) und von der Tageszeit (meist mittags bis abends) ab. Diese artspezifischen Schwärmzeitpunkte verstärken die Wahrscheinlichkeit des Zusammentreffens der richtigen Geschlechtspartner. Der Ablauf des Hochzeitsfluges ist oft sehr spektakulär, die Ameisen sammeln sich nicht selten zu tausenden an regelrechten Paarungsplätzen.
Während die Orientierung im Gelände eher optisch gesteuert ist, wird das Finden der passenden Geschlechtspartner durch Pheromone ermöglicht. Diese von den Jungköniginnen abgegebenen Sexuallockstoffe wirken zusätzlich stimulierend. Die eigentliche Begattung findet überwiegend in der Luft statt, kann jedoch auch auf festem Boden oder Pflanzen durchgeführt werden. Die Männchen sind durchaus in der Lage, sich auch mit mehreren Weibchen zu paaren. Mehrfachbegattungen einer Jungkönigin kommen vielfach bei Arten vor, die nur eine einzige Königin besitzen und sehr individuenreich sind, da hier eine entsprechend große Menge an Sperma gespeichert werden muss. Für die Speicherung des Spermas besitzen die Jungköniginnen im Hinterleib ein spezielles Organ, die sog. "Samentasche" (Receptaculum seminis), die die Spermien auch über mehrere Jahre hinweg zeugungsfähig hält. Sie werden je nach Bedarf portionsweise abgegeben, um die in der Vagina vorbei gleitenden