Liebe Frau Kasperski, können Sie uns etwas über Ihr neuestes Buch »Diesseits vom Jenseits« erzählen und verraten, was es für die Leser*innen bereithält?
In «Diesseits vom Jenseits» hat Erbschaftsanwalt Paul Blom die Totgeburt seiner Tochter nie überwunden, ihre Asche trägt er immer mit sich. Bei der Recherche zu einem neuen Mandat landet er auf dem Zürcher Friedhof Enzenbühl und wird für den neuen Praktikanten Krasinski gehalten. Als Gärtner taucht er in den Friedhofsalltag ein und lernt dabei die junge Historikerin und Podcasterin Ruby Kosa kennen, die für eine zerstrittene Londoner Familie einen Schatz aufspüren soll, der möglicherweise in einem Grab auf dem Zürcher Friedhof liegt. Bald wird klar: Beide suchen dasselbe Totengold und sie sind nicht die einzigen.
«Diesseits vom Jenseits» ist ein spannender Krimi, darüber hinaus geht es um den Umgang mit Leben und Tod, um Väter und Töchter, um Familien, um Grabmäler und um Friedhöfe, die vor Leben vibrieren.
Was hat Sie dazu inspiriert, einen Anwalt als Ermittler auf einem Friedhof auftreten zu lassen? Wie kam es zur Idee für diese ungewöhnliche Kombination?
Mich hat der Richtungswechsel in der Mitte des Lebens interessiert, die komplette Wende, vom Anwalt zum Gärtner. Paul Bloms Spezialität sind Erbschaften, er kennt den Tod von einer sehr wirtschaftlichen Seite. Er selbst erlebte einen Schicksalsschlag, mit dem er nie fertig geworden ist. Erst im Umfeld des Friedhofs beginnt er langsam zu verarbeiten. Letztlich geht es um Gegensätze, um einen Friedhof in Zürich und um einen in London, um Trauer und Einsamkeit, um Heiterkeit und Aufbruch, um Ordnung und Wildheit, Drama und Komik, um Heimliches, Gruseliges und ein Stück Freiheit. Um das Leben halt.
Wie haben Sie sich auf die Recherche vorbereitet, um die Atmosphäre und den Alltag auf einem Friedhof realistisch darzustellen?
Ich habe einige Jahre zwischen den beiden Friedhöfen Enzenbühl und Rehalp in Zürich gewohnt und bin da zu jeder Tages-und Nachtzeit durchspaziert. Ich kenne die Grabmalausstellung, die Schattierungen von Immergrün und alle Sorten von Begonien, sowie das sehr aufmerksame und freundliche Friedhofspersonal. Den Londoner Fulham Friedhof habe ich über eine junge Historikerin kennengelernt, dieser Friedhof ist wirklich eine versteckte Perle inmitten einer Grossstadt. Und ausserdem entsprang dadurch die Idee zu Ruby Kosas Figur und zum Podcast. So kam alles zusammen.
«Diesseits vom Jenseits» markiert den Beginn einer neuen Krimireihe. Was können wir von zukünftigen Büchern dieser Reihe erwarten?
In jedem Band verknüpfe ich zwei neue Friedhöfe, in Band zwei werden es der Zürcher Friedhof Fluntern und der Dubliner Glasnevin Friedhof sein. Paul Blom macht den Spagat zwischen Kanzlei und Friedhof und verlässt den Kokon von Trauer, zumindest zeitweise. Mit Ruby Kosa entwickelt sich ein lebendiger Generationenkonflikt und natürlich gibt es spannende Fälle im Bereich Erbschaft und Familie.
In Ihren Büchern legen Sie grossen Wert auf eine authentische Darstellung der Schauplätze. Wie wichtig ist es Ihnen, dass die Leser eine starke Verbindung zur Umgebung und Atmosphäre Ihrer Geschichten herstellen können?
Man sagt mir nach, dass ich sehr filmisch beschreiben kann. Ich komme aus dem Theater und dem Film: Das Setting war für mich schon immer die heimliche Hauptfigur. Ich liebe Gärten, Parks, Häuser, Seen, das Meer, bretonische Dörfer und Städte wie Zürich, Dublin und London. Und natürlich die Menschen mit all ihren Facetten. Wenn ich selbst lese, wünsche mich mir Kino im Kopf. Genau das darf mein Lesepublikum auch von mir erwarten.
Welche Herausforderungen haben Sie beim Schreiben von Krimis und wie gehen Sie damit um, um den Spannungsbogen aufrechtzuerhalten?
Ich schreibe zurzeit drei Krimiserien und zwei sogenannte Stand Alones (Geschichten, ohne Fortsetzung), sowie Kurzgeschichten. Die grösste Herausforderung für mich ist es, alle diese Schienen auseinanderzuhalten, und dennoch jedem Projekt ihre Besonderheit zu geben und diese weiterzuentwickeln. Schreiben bedingt neben Inspiration auch viel Handwerk. Wie man Spannung erzeugt, habe ich gelernt. Das Wissen gebe ich auch gerne weiter, bei uns in der Geschichtenbäckerei, einem Ort für Kreatives Schreiben. Dass die Figuren dann die Seiten zum Flirren bringen, da vertraue ich auf die Magie.
Wie sind Sie zur Schriftstellerei gekommen und was hat Sie dazu motiviert, Krimis zu schreiben?
Aus familiären Gründen habe ich meine Karriere als Schauspielerin und Moderatorin aufgegeben – vielleicht eine Parallele zu Paul Blom – mit dem Bücher schreiben habe ich erst mit vierzig begonnen. Lesen war und ist meine Leidenschaft. Als junge Anglistikstudentin habe ich die amerikanischen Krimischreiberinnen entdeckt. Was die konnten, wollte ich auch.
Welche Autor*innen oder literarische Einflüsse haben Ihre Schreibkarriere am stärksten geprägt und wie spiegelt sich das in Ihren Krimis wider?
Alles begann mit Shakespeare: Ich habe alle Stücke gelesen, manche analysiert, und einige Rollen von Shakespeare-Figuren gespielt. Danach kamen die Frauen, allen voran Margret Atwood mit «The Edible Woman». Meine Krimi-Heldin war Elizabeth George. Ich mag die Fantasie von Joanne K. Rowling, ich zittere bei den Thrillern von Nicci French, ich liebe Delia Owens’ «Der Gesang der Flusskrebse», ich tauche ein bei Zadie Smith. Dazu noch etwas von Charles Dickens und Susan Hill und das Gesamtwerk von Elizabeth Strout. Last but not least, alles von meiner Schreib-Freundin Petra Ivanov.
Auf was können sich Ihre Fans freuen? Haben Sie bereits Pläne für einen weiteren Roman?
Ich habe so viele Pläne, dass mir schwindlig wird. Gerade schreibe ich den zweiten Band von Paul Blom. Danach reise ich mit dem Laptop in die Bretagne, lasse mich von einer Zürcher Affäre und von Schnyder & Meier verwirren und schreibe Kurzgeschichten für den Kampa Verlag, meine neuen Buch-Heimat. Dazu trillere ich des Nachts auf Englisch und falls mir langweilig wird, denke ich bereits über den dritten Fall von Paul Blom nach.