1946 als Tochter des ehemaligen Gemeindeschreibers von Kilchberg geboren, scheint Ursula Hausers Lebensweg in geordneten Bahnen vorgezeichnet, als sie mit neunzehn ungewollt schwanger wird. Nach der - traumatischen - Abtreibung hält sie ihr enges Umfeld nicht mehr aus. Sie reist nach Amerika, gerät in den Strudel der Anti-Vietnam-Proteste und schließt sich der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung an. Zurück in der Schweiz, engagiert sie sich in der Achtundsechziger-Bewegung und beginnt, Psychologie zu studieren. Ihr Instrument ist das Psychodrama, eine Gruppentherapie, in der konfliktbeladene Situationen szenisch aufgearbeitet werden. 1980 reist die Psychoanalytikerin nach Nicaragua, um die sandinistische Revolution zu unterstützen und den vom Bürgerkrieg traumatisierten und sexuell ausgebeuteten Frauen zu helfen. Dort lernt sie Antonio Grieco kennen, Revolutionär und Weggefährte Che Guevaras. Die beiden verlieben sich, heiraten und leben sechzehn Jahre glücklich zusammen, bis er an den Spätfolgen der Folter stirbt, die er Jahre zuvor im Gefängnis der Militärdiktatur in Uruguay erlitten hat. Seither ist Ursula Hauser eine moderne Nomadin. Unterstützt von schweizerischen NGOs, reist sie in Kriegs- und Krisengebiete, leitet Psychodramagruppen in Flüchtlingslagern und Armenvierteln, entwickelt Frauenprojekte und bildet Ärztinnen, Krankenschwestern und Sozialarbeiter aus - unter anderem im Gaza- streifen, in El Salvador, Nicaragua und Uruguay.
Ursula Hauser, geb. 1946 in Kilchberg ZH, ist Psychoanalytikerin und setzt sich seit Jahren für traumatisierte Frauen in Kriegs- und Krisengebieten ein. Im Sinne von Hilfe zur Selbsthilfe bildet sie dort auch Ärzte, Psychiater, Sozialarbeiter, Krankenkschwestern und PsychologInnen in Psychodrama aus. Einige ihrer Projekte werden unterstützt von Schweizer NGO s, vor allem von "Medico International Schweiz". Damit ihr Werk bestehen kann, gründete sie die Stiftung "Fundacion Ursula Hauser" und ruht auch mit 69 Jahren noch nicht. Bald lanciert sie ein Forschungsprojekt in Uruguay und reist für verschiedene Projekte immer wieder in den Gazastreifen, nach El Salvador und Nicaragua. Ursula Hauser lebt in Costa Rica und kommt nur noch sporadisch in die Schweiz.
Autorentext
Ursula Hauser, geb. 1946 in Kilchberg ZH, ist Psychoanalytikerin und setzt sich seit Jahren für traumatisierte Frauen in Kriegs- und Krisengebieten ein. Im Sinne von Hilfe zur Selbsthilfe bildet sie dort auch Ärzte, Psychiater, Sozialarbeiter, Krankenkschwestern und PsychologInnen in Psychodrama aus. Einige ihrer Projekte werden unterstützt von Schweizer NGO's, vor allem von "Medico International Schweiz". Damit ihr Werk bestehen kann, gründete sie die Stiftung "Fundacion Ursula Hauser" und ruht auch mit 69 Jahren noch nicht. Bald lanciert sie ein Forschungsprojekt in Uruguay und reist für verschiedene Projekte immer wieder in den Gazastreifen, nach El Salvador und Nicaragua. Ursula Hauser lebt in Costa Rica und kommt nur noch sporadisch in die Schweiz.
Leseprobe
Kilchberg
Ich war ein Nachkriegskind. Das ersehnte Glück nach all den schweren Jahren. Meine Eltern hatten 1941 geheiratet, mein Vater in Militäruniform. Zwei Jahre später kam mein Bruder Walter zur Welt. Mitten im Krieg. Mein Vater schützte die Grenze, meine Mutter war mit dem Baby allein. Aber 1946 war der Vater da, wartete mit einem Blumenstrauß vor dem Gebärsaal. Meine Mutter lag erschöpft im Bett und schaute mich verängstigt an. Ich atmete nicht. Lag blau und schlaff in den großen weißen Händen des Arztes, die Nabelschnur zweimal um den Hals. Als ich nach bangen Sekunden doch schrie, sagte der Arzt: "Sie haben Glück, das ist ein starkes Mädchen. Eine Kämpferin." Mein Name passt ganz wunderbar zu mir: Ursula. Die kleine Bärin.
Auf meine Geburt folgten glückliche Jahre. Wir lebten in Kilchberg vis-à-vis dem Gutsbetrieb "Uf Stocken", einem großen Bauernhof mit vielen Tieren. Das Mehrfamilienhaus, in dem wir wohnten, stand nur Gemeindeangestellten zur Verfügung. Mein Vater war Kanzlist, er hatte einen kleinen Lohn, aber eine sichere Stelle. Wir Kinder waren kaum je in unseren Zimmern, wann immer man uns ließ, zogen wir im Rudel durchs Dorf. Wir spielten, halfen den Bauern bei der Kartoffelernte und streichelten die Kühe, wir bauten Hütten und brieten Kastanien. Wir waren frei, wild und glücklich.
Jeden Mittwochnachmittag wanderten wir mit meiner Mutter nach Rüschlikon zum Kasperlitheater im Duttipark. Ein Fest! Jeder bekam ein Stängeli-Glacé: Vanille, Erdbeere oder Schoggi. Das Kasperlitheater war gratis. Ein Geschenk von zwei sozial denkenden Menschen an die Bevölkerung: Gottlieb und Adele Duttweiler, die Begründer der Migros-Genossenschaft.
Wir hatten weder ein Auto noch einen Fernseher. Das erste elektrische Küchengerät brachte mein Vater ins Haus. Einen Mixer. Ich erinnere mich genau: Vor den Augen aller hob meine Mutter das glänzende Ungetüm aus der Schachtel. Fast feierlich schüttete sie gekochten Spinat in den hohen Glasbehälter und drückte den metallenen Kippschalter nach unten. Die Maschine heulte auf, und innerhalb weniger Sekunden war alles grün, meine Mutter, die Wände, die Decke, der Fußboden und wir. Mami hatte vergessen, den Deckel zu schließen. Es dauerte eine ganze Weile, bis wir das Gerät wieder zu Gesicht bekamen.
Jeden Freitag war Waschtag. Bevor mein Vater zur Arbeit ging, machte er ein Feuer unter dem kupfernen Waschkessel im Keller. Wir Kinder liebten es, in der Waschküche zu sitzen und zuzuschauen, wie unsere Mutter die dampfende Wäsche mit einer riesigen Zange aus dem Wasser zog und in die Schwinge füllte. Ich saß daneben und rieb auf meinem kleinen Waschbrett die Küchentücher aus kariertem Leinen sauber. Ich mochte den frischen Geruch des Waschmittels, das meine Mutter seit kurzem in der Migros kaufte.
Wir waren die Sonnenkinder unserer Eltern und Großeltern, die Schoggikinder. Die Fabrik Lindt & Sprüngli stand mitten im Dorf, und wir wuchsen mit Schokoladenduft auf. Als mein Vater 1956 vom Kanzlisten zum Gemeindeschreiber befördert wurde, schenkte er jedem von uns eine Tafel Schokolade. Von diesem Zeitpunkt an hatten wir immer Schokolade daheim; sie lag in der kleinen Schublade im Küchenbuffet.
Ab sofort gehörten wir zu den Besserverdienenden. Wir zogen von unserer kleinen Wohnung in ein ebenfalls nicht großes Reihenhäuschen um. Für meine Mutter war das der lang ersehnte Aufstieg, für uns Kinder eine mittlere Katastrophe. Obwohl wir nur wenige hundert Meter weitergezogen waren, gehörten wir in unserer ehemaligen Kinderclique nicht mehr richtig dazu. Wir sahen unsere alten Freunde aus dem Block, in dem wir gewohnt hatten, immer seltener.
Vati war plötzlich noch weniger daheim. Er war jetzt nicht nur engagierter Gemeindeschreiber, mit Leib und Seele Hauptmann und Schütze, er hatte jetzt auch die Vormund