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»Pass dich an, dann überlebst du«, bekommt der elfjährige Arthur Goldau zu hören, als ihn seine Mutter im Herbst 1963 im Klosterinternat hoch in den Schweizer Bergen abliefert. Hier, wo schon im September der Schnee fällt und einmal im Jahr die österreichische Exkaiserin Zita zu Besuch kommt, wird er zum »Zögling 230« und lernt, was schon Generationen vor ihm lernten. Doch das riesige Gemäuer, in dem die Zeit nicht zu vergehen, sondern ewig zu kreisen scheint, birgt ein Geheimnis: Ein immens wertvoller Diamant aus der Krone der Habsburger soll seit dem Zusammenbruch der österreichischen Monarchie im Jahr 1918 hier versteckt sein. Während Arthur mit seinen Freunden der Spur des Diamanten folgt, die tief in die Katakomben des Klosters und der Geschichte reicht, bricht um ihn herum die alte Welt zusammen. Rose, das Dorfmädchen mit der Zahnlücke, führt Arthur in die Liebe ein, und durch die Flure weht Bob Dylans »The Times They Are a-Changin?«.
Thomas Hürlimann wurde 1950 in Zug, Schweiz, geboren. Er besuchte das Gymnasium an der Stiftsschule Einsiedeln und studierte in Zürich und an der FU Berlin Philosophie. Neben zahlreichen Theaterstücken schrieb er die Romane »Heimkehr«, »Vierzig Rosen« und »Der große Kater« (verfilmt mit Bruno Ganz), die Novellen »Fräulein Stark« und »Das Gartenhaus« sowie den Erzählungsband »Die Tessinerin«. Für sein dramatisches, erzählerisches und essayistisches Werk erhielt er unter anderem den Joseph-Breitbach-, den Thomas-Mann- sowie den Hugo-Ball-Preis. 2019 wurde er mit dem Gottfried-Keller-Preis ausgezeichnet. Hürlimann ist korrespondierendes Mitglied der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung und der Akademie der Künste, Berlin. Seine Werke wurden in 21 Sprachen übersetzt. Nach vielen Jahren in Berlin lebt er wieder in seiner Heimat.
»Dieser Autor überwältigt.« Jochen Hieber, FAZ »Pass dich an, dann überlebst du«, bekommt der elfjährige Arthur Goldau zu hören, als ihn seine Mutter im Herbst 1963 im Klosterinternat hoch in den Schweizer Bergen abliefert. Hier, wo schon im September der Schnee fällt und einmal im Jahr die österreichische Exkaiserin Zita zu Besuch kommt, wird er zum »Zögling 230« und lernt, was schon Generationen vor ihm lernten. Doch das riesige Gemäuer, in dem die Zeit nicht zu vergehen, sondern ewig zu kreisen scheint, birgt ein Geheimnis: Ein immens wertvoller Diamant aus der Krone der Habsburger soll seit dem Zusammenbruch der österreichischen Monarchie im Jahr 1918 hier versteckt sein. Während Arthur mit seinen Freunden der Spur des Diamanten folgt, die tief in die Katakomben des Klosters und der Geschichte reicht, bricht um ihn herum die alte Welt zusammen. Rose, das Dorfmädchen mit der Zahnlücke, führt Arthur in die Liebe ein, und durch die Flure weht Bob Dylans »The Times They Are a-Changin«.
Autorentext
Thomas Hürlimann wurde 1950 in Zug, Schweiz, geboren. Er besuchte das Gymnasium an der Stiftsschule Einsiedeln, studierte Philosophie in Zürich und an der FU Berlin und lebt heute wieder in seiner Heimat. Neben zahlreichen Theaterstücken schrieb Hürlimann die Romane »Heimkehr«, »Vierzig Rosen« und »Der große Kater« (verfilmt mit Bruno Ganz), die Novellen »Fräulein Stark« und »Das Gartenhaus« sowie den Erzählungsband »Die Tessinerin«. Für sein dramatisches, erzählerisches und essayistisches Werk erhielt er unter anderem den Joseph-Breitbach-, den Thomas-Mann- sowie den Hugo-Ball-Preis. 2019 wurde er mit dem Gottfried-Keller-Preis ausgezeichnet. Hürlimann ist korrespondierendes Mitglied der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung und der Akademie der Künste, Berlin. Seine Werke wurden in 21 Sprachen übersetzt. Im Sommer 2022 erschien bei S. FISCHER sein Roman »Der Rote Diamant«, der für den Schweizer Buchpreis 2022 nominiert ist.
Leseprobe
EINS
Ich wandelte als ein Fremder unter ihnen. Kein Wort, kein Blick erreichte mich mehr, aber auf einmal sprachen die Dinge zu mir, etwa die alte Gießkanne. Oder die Hollywoodschaukel. Oder auf dem Gartentisch ein leeres Glas, in dem eine Wespe surrte. Alles um mich herum wurde deutlicher, als würde ich es zum ersten Mal richtig sehen, dabei sah ich es zum letzten Mal. In der hohen Sonne ahnte man schon den Herbst. Mimi, meine Maman, trug ein Seidentuch um die Schultern, und ich fragte mich, ob ich sie so, in dieser Pose, mit einem Drink in der Hand und in einem gelb-weißen Pucci-Kleid, in meiner Erinnerung mitnehmen würde - und mit ihr ein Stück unseres Gartens im warmen Sommerabend. Wie hätte sich Scott in meiner Lage verhalten? Hätte er die letzten Tage vor der Ausfahrt ins Polareis in einer Kühlkammer verbracht, um sich an den Frost zu gewöhnen? Oder hätte er sich noch einmal der Sonne hingegeben, ihrer Abendflamme, die sich flach über das dunstige Land legte? Das Kloster, in dessen Internat ich morgen Nachmittag als Zögling eintreten würde, lag in den Bergen. Es war der Himmelskönigin geweiht und hieß Maria zum Schnee.
»Jawohl, Herr Oberst.«
Zu meiner Überraschung lag der Koffer bereits parat, Mimi hatte ihn eigenhändig vom Dachboden geholt und in die silbernen Schlösser etwas Salatöl geträufelt. Die Lederkappen hingen lose an den Ecken, und der Henkel war abgegriffen, aber dieser Koffer stellte ein Stück Familiengeschichte dar: Mit ihm war Sender Katz, unser Urahn, zu Beginn des 19. Jahrhunderts aus Galizien, dem ärmsten Kronland der Donaumonarchie, in die Schweiz eingewandert. Später hatte ihn mein Großvater auf viele Reisen mitgenommen und stolz dafür gesorgt, dass der Koffer, den man in der Familie den »Galizier« nannte, mit allerlei Hotel- und Zolletiketten bepflastert wurde. Am abgegriffenen Henkel flatterte der Bordzettel einer Schiffspassage von Southampton nach New York, und in einem roten Anhänger steckten unter einer Klarsichtfolie der Name und die Adresse von Mimi Katz - der Galizier hatte meine Maman ins Pensionat und später nach Bern begleitet, ins Konservatorium, wo sie als Meisterschülerin des berühmten Fadejew brilliert hatte. Dann verliebte sich Mimi auf den ersten Blick - es war ein Aufblick mit klimpernden Wimpern - in einen jungen Leutnant, der hoch zu Ross an ihr vorüberritt, drei Wochen später war man verlobt, nach drei Monaten verheiratet, und Mimis Absicht, mit dem Galizier auf Konzerttournee zu gehen, löste sich in Luft auf.
Dass mein Vater, der Oberst, aufgetaucht war, hatte mich überrascht. Er schärfte Mimi ein, sich morgen ja nicht zu schminken, einen kniebedeckenden Rock und Wollstrümpfe anzuziehen, auf den Hut zu verzichten und unter allen Umständen rechtzeitig loszufahren. Der Präfekt der Stiftsschule, fügte er mit ergriffen tremolierender Stimme hinzu, habe am Russlandfeldzug des Deutschen Reichs teilgenommen und sei aus dem Weltkrieg als Heiliger hervorgegangen. Er werde im ganzen Schweizerland verehrt, ich möge mich glücklich schätzen, von einem Knabenerzieher und Seelenführer dieses Formats zum Mann gemacht zu werden.
Vor dem Haus stand mit laufendem Motor und röchel