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Darauf hat Henrik über 40 Jahre gewartet: Sein Jugendfreund Konrád kündigt sich an. Nun kann die Frage beantwortet werden, die Henrik seit Jahrzehnten auf dem Herzen brennt: Welche Rolle spielte damals Krisztina, Henriks schöne junge Frau? Warum verschwand Konrád nach jenem denkwürdigen Jagdausflug Hals über Kopf? Eine einzige Nacht haben die beiden Männer, um den Fragen nach Leidenschaft und Treue, Wahrheit und Lüge auf den Grund zu gehen.
Sándor Márai, 1900 bis 1989, gehörte zu den gefeierten Autoren Europas, bis er 1948 mit seiner Emigration nach Italien und in die USA in Vergessenheit geriet. Mit der Wiederentdeckung des Romans 'Die Glut' wurde er 1998 weltweit gelesen und als einer der bedeutendsten Schriftstellers des 20. Jahrhunderts erkannt. Der Niedergang des europäischen Bürgertums zählt zu seinen wichtigsten Motiven.
Vorwort
Sándor Márais Glanzstück
Autorentext
Sándor Márai, 1900 bis 1989, gehörte zu den gefeierten Autoren Europas, bis er 1948 mit seiner Emigration nach Italien und in die USA in Vergessenheit geriet. Mit der Wiederentdeckung des Romans "Die Glut" wurde er 1998 weltweit gelesen und als einer der bedeutendsten Schriftstellers des 20. Jahrhunderts erkannt. Der Niedergang des europäischen Bürgertums zählt zu seinen wichtigsten Motiven.
Leseprobe
3
Bis fünf kam aus seinem Zimmer kein Lebenszeichen. Dann klingelte er nach dem Diener und verlangte ein kaltes Bad. Das Mittagessen hatte er zurückgeschickt und nur eine Tasse kalten Tee getrunken. Er lag im halbdunklen Zimmer auf dem Diwan, jenseits der kühlen Wände sirrte und gärte der Sommer. Er lauschte auf das heiße Brodeln des Lichts, auf das Rauschen des warmen Winds im ermatteten Laub, auf die Geräusche des Schlosses.
Jetzt, nach der ersten Überraschung, fühlte er sich mit einemmal müde. Man bereitet sich ein Leben lang auf etwas vor. Ist zunächst betroffen. Sinnt dann auf Rache. Wartet. Er wartete schon lange. Er wußte gar nicht mehr, wann sich die Betroffenheit in ein Bedürfnis nach Rache und in ein Warten verwandelt hatte. Die Zeit bewahrt alles auf, doch es wird farblos, wie die ganz alten, noch auf Metallplatten fixierten Photographien. Das Licht, die Zeit verwischen auf den Platten die scharfen und typischen Schattierungen der Gesichter. Man muß das Bild hin und her drehen, denn es braucht eine bestimmte Lichtbrechung, damit man auf der blinden Platte denjenigen erkennt, dessen Merkmale das Metall einst in sich aufgenommen hatte. So verblaßt mit der Zeit jede menschliche Erinnerung. Eines Tages aber kommt von irgendwoher Licht, und man erkennt wieder ein Gesicht. In einer Schublade hatte der General solche alten Photographien. Das Bild seines Vaters. In der Uniform eines Gardehauptmanns, das Haar in dichten Locken, wie ein Mädchen. Um seine Schultern der weiße Umhang des Gardisten, den er sich mit einer beringten Hand auf der Brust zusammenhält. Den Kopf stolz und beleidigt seitwärts geneigt. Er hatte nie gesagt, wo und warum er beleidigt worden war. Wenn er von Wien nach Hause kam, ging er auf die Jagd. Tag für Tag Jagd, zu jeder Jahreszeit; gab es kein Rotwild oder war Schonzeit, jagte er Füchse und Krähen. Als ob er jemanden umbringen wollte und sich ständig auf diesen Racheakt vorbereitete. Die Mutter des Generals, die Gräfin, verbot den Jägern das Schloß, ja, sie verbot und entfernte alles, was an die Jagd erinnerte, die Gewehre, die Patronentaschen, die alten Pfeile, die ausgestopften Vögel und Hirschköpfe, die Geweihe. Damals ließ der Gardeoffizier das Jagdhaus bauen. Dort war dann alles beisammen: Vor dem Kamin lagen große Bärenfelle, an den Wänden hingen braungerahmte, mit weißem Filz bezogene Tafeln mit den Gewehren. Belgische und österreichische Flinten. Englische Messer, russische Büchsen. Für jede Art von Wild. Und in der Nähe des Jagdhauses waren die Hunde untergebracht, das vielköpfige Rudel, die Spürhunde und die Vizslas, und auch der Falkner wohnte hier, mit den drei Falken mit der Falkenhaube. Hier, im Jagdhaus, verbrachte der Vater des Generals seine Zeit. Die Schloßbewohner sahen ihn nur beim Essen. Im Schloß waren die Wände in Pastell gehalten, von hellblauen, hellgrünen, blaßroten goldgestreiften Seidentapeten bedeckt, wie sie in den Webereien in der Umgebung von Paris hergestellt wurden. Jedes Jahr wählte die Gräfin in den französischen Fabriken und Geschäften persönlich Tapeten und Möbel aus jeden Herbst, wenn sie auf Familienbesuch in ihre Heimat fuhr. Nie ließ sie diese Reise aus. Sie hatte ein Recht darauf, es war im Ehevertrag festgelegt worden, als sie den fremden Gardeoffizier heiratete.
»Vielleicht war es wegen der Reisen«, dachte der General.
Er dachte es, weil sich die Eltern nicht verstanden hatten. Der Gardeoffizier ging auf die Jagd, und da er die Welt, in der es auch noch anderes und andere gab fremde Städte, Paris, Schlösser, fremde Sprachen und Sitten , nicht ausrotten konnte, so tötete er eben die Bären, die Rehe und Hi