Das Bienenvolk übt eine starke Faszination auf den Menschen aus. Das gilt heute noch genauso wie in früheren Zeiten. Bilder und Schriften erzählen vom Mythos Bienenvolk, von der Auseinandersetzung mit diesem Himmelswesen und dem unschätzbaren Wert von Honig und Wachs. Durch das Bienensterben ist das Thema wieder vermehrt ins Zentrum des öffentlichen Bewusstseins gelangt.Aus Rudolf Steiners Ausführungen vor den Arbeitern am Goetheanum ist eine Vortragsfolge entstanden, die dem Wesen der Bienen gewidmet ist. Die Vorträge sind hier als Ganzes integriert, sie bilden das Gerüst dieses Buches. Um die Vorträge herum sind einige Themen der Vorträge aus heutiger Sicht kommentiert. Zu einem besseren Verständnis sind sie mit Passagen aus dem Gesamtwerk ergänzt worden. Die Faszination der Vorträge liegt in ihrer Vielschichtigkeit, eröffnen sie doch ganz neue, beeindruckende Zugänge zum Wesen der Bienen.
Rudolf Steiner wurde am 27. Februar 1861 in Kraljevec, damals Österreich-Ungarn, heute Kroatien, geboren. Er studierte an der Technischen Hochschule Wien und promovierte an der Universität Rostock mit einer erkenntnistheoretischen Arbeit, die mit dem Satz endet: "Das wichtigste Problem alles menschlichen Denkens ist das: den Menschen als auf sich selbst gegründete, freie Persönlichkeit zu begreifen." Diese Überzeugung leitete ihn auch in seiner Tätigkeit als Goethe-Herausgeber in Weimar und als Redakteur, Lehrbeauftragter und Vortragsredner in Berlin, später in Dornach und vielen anderen Orten Europas. Im Unterschied zu den Kulturschaffenden seiner Zeit, mit denen er in intensivem Austausch stand, erlebte Rudolf Steiner noch eine andere Seite der Wirklichkeit, die geistige Welt, die ihm mit den Mitteln der Bewusstseinsforschung so zugänglich war wie den Naturwissenschaftlern die sichtbare Welt mit den Instrumenten der äußeren Forschung. Diese erweiterte Sichtweise ermöglichte es ihm, auf Gebieten der Kunst, der Wissenschaft und der Religion und ihren praktischen Anwendungen im Alltag weitreichende Impulse zu geben, stets mit dem Ziel einer spirituellen Erneuerung der Zivilisation. Er nannte seine Anschauung "Anthroposophie" (Weisheit vom Menschen). Nach der Trennung von der Theosophischen Gesellschaft, deren Deutschen Sektion er zunächst als Generalsekretär vorstand, wirkte bei der Gründung der Anthroposophischen Gesellschaft mit. Mit dem Bau des Goetheanum in Dornach bei Basel bekam die Gesellschaft ihr Zentrum als "Freie Hochschule für Geisteswissenschaft". Nach der Zerstörung des Doppelkuppelbaus aus Holz durch Brandstiftung stellt sich Rudolf Steiner an die Spitze der neu begründeten Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft. Rudolf Steiner starb am 30. März 1925. Sein Werk umfasst neben zahlreichen geschriebenen Büchern Nachschriften von rund 6000 Vorträgen und ist in der "Rudolf Steiner Gesamtausgabe" zum großen Teil ediert.
Autorentext
Rudolf Steiner wurde am 27. Februar 1861 in Kraljevec, damals Österreich-Ungarn, heute Kroatien, geboren. Er studierte an der Technischen Hochschule Wien und promovierte an der Universität Rostock mit einer erkenntnistheoretischen Arbeit, die mit dem Satz endet: "Das wichtigste Problem alles menschlichen Denkens ist das: den Menschen als auf sich selbst gegründete, freie Persönlichkeit zu begreifen." Diese Überzeugung leitete ihn auch in seiner Tätigkeit als Goethe-Herausgeber in Weimar und als Redakteur, Lehrbeauftragter und Vortragsredner in Berlin, später in Dornach und vielen anderen Orten Europas.
Im Unterschied zu den Kulturschaffenden seiner Zeit, mit denen er in intensivem Austausch stand, erlebte Rudolf Steiner noch eine andere Seite der Wirklichkeit, die geistige Welt, die ihm mit den Mitteln der Bewusstseinsforschung so zugänglich war wie den Naturwissenschaftlern die sichtbare Welt mit den Instrumenten der äußeren Forschung. Diese erweiterte Sichtweise ermöglichte es ihm, auf Gebieten der Kunst, der Wissenschaft und der Religion und ihren praktischen Anwendungen im Alltag weitreichende Impulse zu geben, stets mit dem Ziel einer spirituellen Erneuerung der Zivilisation.
Er nannte seine Anschauung "Anthroposophie" (Weisheit vom Menschen). Nach der Trennung von der Theosophischen Gesellschaft, deren Deutschen Sektion er zunächst als Generalsekretär vorstand, wirkte bei der Gründung der Anthroposophischen Gesellschaft mit. Mit dem Bau des Goetheanum in Dornach bei Basel bekam die Gesellschaft ihr Zentrum als "Freie Hochschule für Geisteswissenschaft". Nach der Zerstörung des Doppelkuppelbaus aus Holz durch Brandstiftung stellt sich Rudolf Steiner an die Spitze der neu begründeten Allgemeinen Anthroposophischen Gesellschaft. Rudolf Steiner starb am 30. März 1925.
Sein Werk umfasst neben zahlreichen geschriebenen Büchern Nachschriften von rund 6000 Vorträgen und ist in der "Rudolf Steiner Gesamtausgabe" zum großen Teil ediert.
Leseprobe
Kapitel I: Das Bienenvolk als Organismus
Faszinierend am Bienenvolk sind das gemeinschaftliche Leben und die weisheitsvolle Zusammenarbeit. Die Bienen harmonieren miteinander, es besteht ein intensiver Kontakt und rege Kommunikation unter ihnen. Das Volksleben beruht auf einer fein abgestimmten Organisation. Die Gemeinschaft lebt im Dunkeln, in einem verborgenen Winkel, in einem Baumstamm oder einem Bienenkasten.
Einzeln fliegen die Bienen hinaus ins Licht, suchen Blumen auf oder holen Wasser. Beim Schwärmen dagegen zeigen sie sich miteinander im Licht, sie durchschwirren die Luft, um sich schließlich ruhig in einer Schwarmtraube zu versammeln.
Was ist denn das für eine Erscheinung, ein solches Bienenvolk?
Besteht es aus den einzelnen Bienen, die sich zu einer gemeinschaftlichen Organisation aufschwingen, oder ist es ein Ganzes, von dem die Bienen Teile sind? Die Frage ist nicht einfach zu beantworten. Gerade als Imkerin oder Imker bewegt man sich zwischen beiden Ansichten hin und her.
Wenn man den Bienenkasten öffnet, dann sind es einzelne Tiere, die das Bienenvolk ausmachen. Es sind vor allem die Arbeiterinnen, vielleicht aber trifft man auch eine Königin und einige Drohnen. Sie leben auf Waben, in denen sie ihre Brut pflegen und ihre Vorräte einlagern. Die Waben können wir herausnehmen, alles ist einzeln handhabbar. In unsern Händen zerfällt die Einheit in ihre Teile. Wenn wir von den einzelnen Tieren ausgehen und in unseren Gedanken alles zusammenfügen zu einem Volk, dann kommen wir zum Prinzip der Selbstorganisation. Das ist der Begriff, der aus der wissenschaftlichen Sicht von heute versucht, 1 dem Phänomen auf die Spur zu kommen.
Demnach sind es die vielen einzelnen Bienen, die durch ihre Zusammenarbeit und Kommunikation ein neues Ganzes bilden. Durch das Zusammenwirken entsteht das, was wir als Bienenvolk bezeichnen, mit Qualitäten, die weit über das hinausgehen, was die einzelnen Tiere mitbringen und welches als Ganzes wieder auf die Teile zurückwirkt. Diesem Begriff der Selbstorganisation kann der Ansatz von Rudolf Steiner gegenübergestellt werden.
Das Ganze ist das Bienenvolk; die Bienen, die Königin und die Drohnen sind dienende Teile des Ganzen, in einem ähnlichen Sinne wie die Körperzellen Teile des Menschen sind. Die Einheit ist übergeordnet. Die ganzheitliche Sicht findet ihre Bestätigung am offensichtlichsten in der Schwarmtraube. Der Volkskörper hängt, rund und birnenförmig; im engen Sich-aneinander-Klammern der einzelnen Bienen zeigt er seinen Willen zu einer neuen Einheit. Wenn man diesen Schwarm in einen Bienenkasten einlogiert und ihm die Möglichkeit gibt, seine Waben selber zu bauen, dann wachsen diese als weiße Ansätze, als "Organe", im Innern dieses Körpers. In diesem Moment ist die Einheit in einer berührenden Begegnung erlebbar. Im späteren Umgang mit dem Bienenvolk kann man sich dieser Ganzheit annähern, indem man dem ungestörten Volk zuhört oder das Geschehen am Flugloch beobachtet. Die Einheit lässt sich besser beim verborgenen, unbehelligten Volk im geschlossenen Bienenkasten e…