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Buchtitel: Mit dem Fahrrad im Südmeer. Untertitel: Neuseeland Tasmanien Samoa Autor: Reinhard Rosenke. Kurzbeschreibung: Reinhard Rosenke gehört mittlerweile zum alten, aber nicht zum rostigen Eisen (Jahrgang 1940). Da ihn weder körperliche noch geistige Gebrechen behindern, bricht er immer wieder gern auf, am liebsten von der Berliner Gartentür aus. So auch diesmal: sein erstes Ziel ist Rotterdam. Dort besteigt er ein Containerschiff, mit dem er um die halbe Welt zu den Antipoden fährt. Denn nach seinen Radfernreisen nach Norden und Osten - zum Nordkap und nach Wolgograd (einst Stalingrad) zieht es ihn diesmal nach Süden. Er durchradelt Neuseelands Nord- und Südinsel und erreicht auf Stewart Island seinen südlichsten Punkt. Anschließend umrundet er Tasmanien und zum Abschluß die beiden Hauptinseln Samoas. Dort besucht er das Grab des Schriftstellers Robert Louis Stevenson ("Die Schatzinsel").
Reinhard Rosenke (*1940), ging in DDR-Berlin zur Schule, verließ aber seine ihn schikanierende sozialistische Heimat und wurde Lehrer in West-Berlin. Vom Elternhaus früh ans Wandern und damit an körperliche Entbehrungen gewöhnt, wurde ihm Wandern - zu Fuß und auf dem Rad - zur lebensbegleitenden Freizeitaktivität. Besonders strapaziöse und abenteuerliche Touren unternahm er, zusammen mit seinem Bruder, in Alaska und Australien. Er umrundete allein die Ostsee auf dem Fahrrad in einer 10.000-km-Schleife, radelte er 4000 km von Berlin nach Wolgograd, um nur einige Beispiele seiner Reise-Abenteuerlust zu nennen.
Leseprobe
Abreise per Rad
Abschiedsritual
Nicht zum ersten Mal greift meine liebe Nachbarin Hertha vor einer meiner langen Radreisen in die Tasten ihres Akkordeons. Über acht Jahrzehnte konnten ihren Rücken nicht verbiegen, aber das Hantieren mit dem großen Instrument erfordert erhebliche Kraft. Es ist schon dunkel draußen, wir sitzen im Treppenhaus. Ich lockte mit meiner Mundharmonika auch die übrigen Hausbewohner hinauf vor meine Tür. "Trink' ma noch'n Tröpken" hieß das Locklied, und die "Tröpken" steh'n bereit. Schnell sind alle in Stimmung. Hertha heizt uns mit schmissigen Melodien ein, und aus voller Kehle schmettern wir unsere Lieder. Nach einer Stunde beenden die Abschiedsakkorde den lauten Spuk. Mein Rad steht für den morgigen Start zur Reise nach Neuseeland wie ein Packesel in der Garage. Ein halbes Jahr wird wohl vergehen, bis ich mich zurückmelde.
Berlin - Rotterdam, November 2011
Berlin Rotterdam
Ich will mich auf den "Europäischen Radwanderweg Nr. 1" begeben, der vom russischen St. Petersburg bis zur holländischen Stadt Arnhem führt. Es herrscht typisches Novemberwetter, da muss ich mich nicht über Nässe, Kälte und Nebel wundern. Als ich nach 110 Kilometern in Wittenberg/Elbe ankomme, leuchten schon die Straßenlaternen. Am zweiten Tag durchradele ich den berühmten, 1796-1802 angelegten Wörlitzer Park. Die zu dieser Jahreszeit kahlen Silhouetten uralter Bäume sind beeindruckend.
In einem gemütlichen Köthener Hotelzimmer erlebe ich eine geruhsame Nacht. Später stelle ich fest, dass die zum Trocknen über die Heizung gehängte neue, gelbe Wetterjacke an vielen Stellen von schwarzem Öl durchdrungen ist, das sich nicht mehr entfernen lässt. Und was meine morgendliche Bitte betrifft, einige Ansichtskarten für mich in einen Briefkasten zu werfen, muss die Wirtin Post und Müll verwechselt haben, wie sich später herausstellt.
Bei Temperaturen um 0 Grad und blauem Himmel geht's weiter. Der R1 schlängelt sich durch herrliche parkähnliche Landschaften. Kurze Kontakte mit Anhaltiner Bürgern zeugen von Aufgeschlossenheit und Freundlichkeit. Staßfurt, Ballenstedt, Gernrode - willkommen im Harz! Bis Thale muss ich im Auf und Ab der Steigungen schon ganz schön schwitzen. Ich übernachte nicht im Hotel zehn Pfund aus Th. Fontanes Roman Celine, wo die tragisch endende Liebesgeschichte zwischen der schönen, unglücklichen Celine und dem weltmännischen Herrn von Gordon-Leslie ihren Anfang nahm.
Der Morgen beginnt mit einer Bergauffahrt nach Blankenburg. Aber verdammt, was ist das? Die Hauptstraße geht in eine "Kraftfahrzeugstraße" - sprich: Autobahn - über! Ich muss mir einen anderen Weg nach Wernigerode suchen. In einem Waldstück, wo ich meine nassgeschwitzten Sachen wechsele, stolpert ein rotnasiger Mann mit seiner Ziege vorbei, die er an der Leine führt wie einen Hund. "Wenn Sie täglich die Milch Ihrer Ziege trinken, werden Sie 100 Jahre alt", sage ich. "Aber nicht in diesem Land", kommt es unfreundlich zurück.
Bei den langen Bergauffahrten hinter Wernigerode bin ich bald schweißnass. Leider sind die schnellen Abfahrten auch nicht das Wahre, denn der eiskalte Fahrtwind unterkühlt nun den nassen Rücken. Den erhofften Wärmeausgleich kann mir sogar ein Café in Goslar nicht bieten. Fröstelnd breche ich schnell wieder auf. Die Weiterfahrt nach Seesen müsste laut Karte problemlos sein. Inzwischen nicht mehr, wenn man mit dem Rad unterwegs ist. Derselbe Ärger wie in Wernigerode! Ich muss mich seitlich in die Büsche schlagen, finde einen holperigen Ackerweg, durchquere ein Waldstück. Wo bleibt der R1? Erst auf den letzten Kilometern meldet er sich zurück.
Alte Landstraßen, die nicht mehr gebraucht werden, neue Autostraßen, die für mich tabu sind, Feldwege, die im Nichts enden - so starte ich in den neuen Tag. Nebel und Reif verleihen der Landschaft im knappen Sonnenlic