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Ein berühmter italienischer Tenor wird während der Aufführung von Puccinis 'Tosca' auf offener Bühne erschossen.
Die Kinder des Täters, die Zwillinge Patrice und Patricia, reisen nach Berlin, um zu verstehen, wie es zu dieser Tat kommen konnte. Schicht für Schicht legen sie die Beweggründe frei, die ihren Vater, einen legendären Klavierstimmer und glücklosen Opernkomponisten, zur Waffe greifen ließen.
Jahre zuvor waren sie vor ihrer inzestuösen Liebe in verschiedene Hemisphären geflohen. Ihr Wiedersehen und die zunächst unbegreifliche Tat des Vaters führen dazu, daß sie ihre Sprachlosigkeit beenden und aufschreiben, wie sie ihre einstige Intimität erlebt haben. Ein befreiender Prozeß des Erinnerns beginnt.
Pascal Mercier, 1944 in Bern geboren, heißt mit bürgerlichem Namen Peter Bieri und lebt in Berlin, wo er bis zu seiner Emeritierung Professor für Philosophie an der Freien Universität Berlin war. Nach »Perlmanns Schweigen« und »Der Klavierstimmer« wurde sein Roman »Nachtzug nach Lissabon« einer der großen Bestseller der vergangenen Jahre und in zahlreiche Sprachen übersetzt. Es folgte die Novelle »Lea«. Pascal Mercier wurde u.a. mit dem Marie-Luise-Kaschnitz-Preis und dem italienischen Premio Grinzane Cavour für den besten ausländischen Roman geehrt.
»Ich wollte über grenzenlose Intimität und über Erfolglosigkeit schreiben« Pascal MercierEin berühmter italienischer Tenor wird während der Aufführung von Puccinis "Tosca" auf offener Bühne erschossen. Die Kinder des Täters, die Zwillinge Patrice und Patricia, reisen nach Berlin, um zu verstehen, wie es zu dieser Tat kommen konnte. Schicht für Schicht legen sie die Beweggründe frei, die ihren Vater, einen legendären Klavierstimmer und glücklosen Opernkomponisten, zur Waffe greifen ließen. Jahre zuvor waren sie vor ihrer inzestuösen Liebe in verschiedene Hemisphären geflohen. Ihr Wiedersehen und die zunächst unbegreifliche Tat des Vaters führen dazu, daß sie ihre Sprachlosigkeit beenden und aufschreiben, wie sie ihre einstige Intimität erlebt haben. Ein befreiender Prozeß des Erinnerns beginnt.
Autorentext
Pascal Mercier, 1944 bis 2023, hieß mit bürgerlichem Namen Peter Bieri und lebte in Berlin, wo er bis zu seiner Emeritierung Professor für Philosophie an der Freien Universität Berlin war. Nach »Perlmanns Schweigen« und »Der Klavierstimmer« wurde sein Roman »Nachtzug nach Lissabon« einer der großen Bestseller der vergangenen Jahre und in zahlreiche Sprachen übersetzt. Es folgte die Novelle »Lea«. Pascal Mercier wurde u.a. mit dem Marie-Luise-Kaschnitz-Preis und dem italienischen Premio Grinzane Cavour für den besten ausländischen Roman geehrt.
Klappentext
Ein berühmter italienischer Tenor wird während der Aufführung von Puccinis "Tosca" auf offener Bühne erschossen. Die Kinder des Täters, die Zwillinge Patrice und Patricia, reisen nach Berlin, um zu verstehen, wie es zu dieser Tat kommen konnte. Schicht für Schicht legen sie die Beweggründe frei, die ihren Vater, einen legendären Klavierstimmer und glücklosen Opernkomponisten, zur Waffe greifen ließen. Jahre zuvor waren sie vor ihrer inzestuösen Liebe in verschiedene Hemisphären geflohen. Ihr Wiedersehen und die zunächst unbegreifliche Tat des Vaters führen dazu, daß sie ihre Sprachlosigkeit beenden und aufschreiben, wie sie ihre einstige Intimität erlebt haben. Ein befreiender Prozeß des Erinnerns beginnt.
Leseprobe
Patricia ERSTES HEFT ICH HABE DEN KOFFER abgestellt und die Tür zugemacht. Im Mantel bin ich langsam durch die kalten Räume gegangen, ein Fremdling in der eigenen Wohnung. Später habe ich am Fenster auf die Dämmerung gewartet und gehofft, durch sie in die Gegenwart dieser Wohnung und dieser Stadt zurückzufinden. Das Telefon hat geklingelt. Ich habe nicht abgenommen. Es wäre zu früh, Stéphane zu sehen. Und von den Filmleuten will ich im Moment noch nichts wissen. Erst will ich beginnen, unseren Pakt des Erzählens zu erfüllen. Dein Bericht wird wortgewandter sein als der meine. Die Worte kommen dir schneller als mir, und es sind mehr Worte. So war es immer. Zufall ist es nicht. Auch nicht eine Sache der Begabung. Du mußtest all die Sätze vollenden, die Maman unfertig ließ. Das hat sie von dir erwartet. Oft kam es mir vor, als gäbe es einen unausgesprochenen Vertrag zwischen euch: Du sprachst ihre angefangenen Sätze zu Ende; dafür galt dir ihre besondere Liebe. Es war die erste große Aufgabe, die dir gestellt wurde. Du hast sie bravourös gelöst, immer von neuem. Darüber bist du zum Sprachkünstler geworden. Auf die Idee, daß Mamans Sätze nur in deiner Gegenwart unvollständig blieben, kamst du nicht. Es war eine geniale Art, dich zu verführen. Ob es aus Berechnung geschah oder nicht - ich weiß es nicht. Bei Maman war das schwierig zu wissen, schwieriger als bei anderen Menschen. Am liebsten würde ich dir eine Folge von Bildern vorführen, die dich zeigen, wie ich dich sehe, und die uns zusammen zeigen, wie ich glaube, daß wir waren. Denn etwas habe ich durch dich (wenngleich nicht von dir) gelernt: Worten zu mißtrauen, auch wenn sie genau sind und überzeugend und sanft, wie es deine Worte so oft sind. Am liebsten hätte ich es, daß du meinen inneren Bildern, wie sie auf der Leinwand erscheinen, ausgeliefert wärest, wehrlos in völliger Stummheit, so daß du verstündest, wie es mir mit dir ergangen ist in den fünfundzwanzig Jahren. Da das nicht möglich ist und du durch unser Abkommen im Vorteil bist, bitte ich dich, meine Worte so auf dich wirken zu lassen, wie ich wünschte, daß meine Bilder auf dich wirken würden. Ich bitte dich, sie ohne Gegenwehr in dich aufzunehmen und sie nicht zu behandeln wie Züge in einem Spiel, in dem du mir überlegen bist. Meine Worte mögen in dich hineinfallen wie in einen stillen Teich, sie mögen Kreise ziehen und Wellen werfen, und ich möchte, daß du diesem Geschehen alle Freiheit einräumst sich zu entfalten; daß du nicht nur äußerlich, sondern auch im Inneren mit deiner Antwort wartest, bis die Wirkungen sich ausgesponnen haben und du wirklich verstanden hast, was ich sage. Wirst du das tun, Patrice? Für mich tun? Wirst du ein Mal, ein einziges Mal, den Schutzschild deiner Wortgewandtheit beiseite schieben, um dich treffen und, wo es unvermeidlich ist, auch verletzen zu lassen? Damit wir frei werden können voneinander? In diesem Augenblick bist du auf dem Flug nach Frankfurt, um dann in einer endlosen Nacht weiterzufliegen bis hinter die Anden, fast bis zu den Osterinseln. Die aberwitzige Distanz, die du damals zwischen uns gelegt hast, kommt mir gewalttätig vor. Ich finde sie kindisch, deine Maßlosigkeit. Ich liebe sie. In dem Augenblick, als ich auf den Mexikoplatz hinaustrat, bog der Möbelwagen in die Limastraße ein. Ich blickte ihm nach, bis er vor dem Haus hielt. Es wird nicht geschehen, dachte ich: Er wird das Haus nicht einfach räumen lassen und dann seines Weges gehen. Die Art, wie du Papas Partituren beim Einpacken in den Händen hieltest, mit dieser zärtlichen Nachdenklichkeit, die dich so unwiderstehlich macht: Ich war sicher, daß du noch etwas unternehmen würdest. Auch die Art und Weise, wie du den Flügel betrachtet hast: Es war mit Händen zu greifen, daß es dir unmöglich sein würde zuzusehen, wie sie ihn sang- und klanglos zerlegten und hinaustrugen, ein Möbel unter anderen Möbeln. Aber natürli