Marmorwaschbecken in öffentlichen Toiletten, Designerstühle im Postamt und blitzsaubere Trambahnwagen mit eingebauten Zeitungsständern: Zürich ist eine Klasse für sich. Milena Moser, die in der Nähe des Bahnhofs Tiefenbrunnen aufwuchs und mehr als drei Jahrzehnte in Zürich lebte, stellt sich den typischen Klischees: dem Geld und dem Gold, den absurd hohen Preisen und den Steuerflüchtlingen. Sie spaziert durch die Altstadt und zum Zürichsee. Besucht Außenbezirke, die heute angesagt sind, und Lokale mit karierten Tischdecken, die früher als bünzelig galten, plötzlich aber sehr in sind. Erlebt Romantik und Hipster-WGs im Umkreis der Langstraße und bewegt sich auf den Spuren bekannter Krimihelden ebenso wie auf denen großer Psychoanalytiker.
Milena Moser wurde 1963 in Zürich geboren. Ihre ersten Lebensjahre verbrachte sie in einer Wohnung beim Bahnhof Tiefenbrunnen, wo einmal im Jahr die Tiere vom Zirkus Knie ausgeladen wurden: Löwen, Giraffen, Pferde. Zwanzig Jahre später sollte sie dieses Spektakel von einem ähnlichen Balkon aus mit ihrem Sohn beobachten. Noch als Kind zog Moser mit ihren Eltern in die Vorstadt, die damals noch fast ein Dorf, aber schon klar auf Zürich ausgerichtet war. Im Alter von dreizehn kam sie mit ihren Eltern zurück in die Stadt und wohnte die nächsten 22 Jahre, bis 1998, dort. Nach einer Buchhändlerlehre lebte sie zwei Jahre in Paris, wo sie mit ihrem ersten Mann, einem Buchhändler, ein eigenes Magazin gründete. Milena Moser hat zwei quasi erwachsene Söhne. Nach achtjährigem Aufenthalt in San Francisco lebt sie seit 2006 im Kanton Aargau. Seit 2004 leitet sie Workshops im kreativen Schreiben, zeitweise gemeinsam mit Sibylle Berg. 2011 machte sie zusammen mit Sibylle Aeberli den Sprung auf die Bühne mit dem Programm 'Die Unvollendeten', das bis 2013 erfolgreich aufgeführt wurde. Das Anschlussprogramm 'Die Unvollendeten verändern sich' wurde vor Kurzem uraufgeführt. 1990 erschien ihr erstes Buch, 'Gebrochene Herzen', im Jahr drauf 'Putzfraueninsel', das zum Bestseller wurde. Seitdem hat sie 16 Bücher (u.a. 'Blondinenträume', 'Schlampenyoga oder Wo geht's hier zur Erleuchtung?', 'Montagsmenschen' und 'Das wahre Leben') sowie zahlreiche Essays, Artikel, Hörspiele und Übersetzungen veröffentlicht; seit 2006 schreibt sie eine wöchentliche Kolumne in der 'Schweizer Familie'. Außerdem erscheinen von ihr regelmäßig Reisereportagen in 'Brigitte', 'NZZ am Sonntag' usw. Ihr nächster Roman erscheint im Frühjahr 2015 bei Nagel & Kimche.
Autorentext
Milena Moser wurde 1963 in Zürich geboren. Ihre ersten Lebensjahre verbrachte sie in einer Wohnung beim Bahnhof Tiefenbrunnen, wo einmal im Jahr die Tiere vom Zirkus Knie ausgeladen wurden: Löwen, Giraffen, Pferde. Zwanzig Jahre später sollte sie dieses Spektakel von einem ähnlichen Balkon aus mit ihrem Sohn beobachten. Noch als Kind zog Moser mit ihren Eltern in die Vorstadt, die damals noch fast ein Dorf, aber schon klar auf Zürich ausgerichtet war. Im Alter von dreizehn kam sie mit ihren Eltern zurück in die Stadt und wohnte die nächsten 22 Jahre, bis 1998, dort. Nach einer Buchhändlerlehre lebte sie zwei Jahre in Paris, wo sie mit ihrem ersten Mann, einem Buchhändler, ein eigenes Magazin gründete. Milena Moser hat zwei quasi erwachsene Söhne. Nach achtjährigem Aufenthalt in San Francisco lebt sie seit 2006 im Kanton Aargau. Seit 2004 leitet sie Workshops im kreativen Schreiben, zeitweise gemeinsam mit Sibylle Berg. 2011 machte sie zusammen mit Sibylle Aeberli den Sprung auf die Bühne mit dem Programm "Die Unvollendeten", das bis 2013 erfolgreich aufgeführt wurde. Das Anschlussprogramm "Die Unvollendeten verändern sich" wurde vor Kurzem uraufgeführt. 1990 erschien ihr erstes Buch, "Gebrochene Herzen", im Jahr drauf "Putzfraueninsel", das zum Bestseller wurde. Seitdem hat sie 16 Bücher (u.a. "Blondinenträume", "Schlampenyoga oder Wo geht's hier zur Erleuchtung?", "Montagsmenschen" und "Das wahre Leben") sowie zahlreiche Essays, Artikel, Hörspiele und Übersetzungen veröffentlicht; seit 2006 schreibt sie eine wöchentliche Kolumne in der "Schweizer Familie". Außerdem erscheinen von ihr regelmäßig Reisereportagen in "Brigitte", "NZZ am Sonntag" usw. Ihr nächster Roman erscheint im Frühjahr 2015 bei Nagel & Kimche.
Leseprobe
Alle Wege führen zum HB
Vergessen Sie den Flughafen. Der Flughafen Zürich, wie er nach einer Reihe unglücklicher Namen simpel heisst (»Kloten« bedeutet auf Holländisch »Hoden«, und »Unique« klang so sehr wie »Munich«, dass dem Gerücht nach diverse Taxifahrer mit ahnungslosen Gästen über die Grenze nach Norden gefahren sind). Der Flughafen Zürich also ist ein Transitflughafen, eine Durchgangsstation auf dem Weg nach anderswo. Nein, wer Zürich zum Ziel hat, kommt mit dem Zug an. Der Zürcher Hauptbahnhof ist nicht nur der grösste, sondern auch der älteste Bahnhof der Schweiz. Der ursprüngliche Bau war der Endbahnhof der 1847 eröffneten ersten ganz auf Schweizer Boden gebauten Bahnstrecke. Sie führte von Baden nach Zürich und ist heute noch eine der beliebtesten Pendlerstrecken des Landes. Diese Verbindung trug im Volksmund den schönen Namen »Spanisch-Brötli-Bahn«, nach einem Gebäckstück, das eine ziemlich interessante Geschichte hat: Es wurde ursprünglich in Mailand hergestellt, welches im 16. Jahrhundert unter spanischer Herrschaft stand. Die »Spanisch Brötli« waren vor allem im 17. und 18. Jahrhundert beliebt. Besonders die wohlhabenden Zürcher, die oft in Baden zur Kur weilten, schätzten dieses dekadente »Stückli«. Es bestand nämlich aus luftigem Blätterteig mit einem sehr hohen Butteranteil - und ein solches Luxusgebäck herzustellen war im reformierten Zürich verboten. Aber die reichen Zürcher wollten diesen Genuss auch zu Hause nicht mehr missen, und so schickten sie ihre Dienstboten aus. Diese mussten nachts die 25 Kilometer von Zürich nach Baden zurücklegen, um am Morgen das Gebäck zu kaufen und es möglichst frisch den Herrschaften zum Sonntagsfrühstück aufzutischen. Mit dieser ersten Bahnverbindung konnten die »Spanisch Brötli« in 45 Minuten von Baden nach Zürich transportiert werden. Dafür wurde die Strecke wohl hauptsächlich genutzt, denn daher hat sie ihren Namen. Und diese Geschichte sagt eigentlich schon alles, was man über Zürich wissen muss.
1871 musste dieser erste Bahnhof aber schon durch einen grösseren, besseren, schöneren Neubau von Jakob Friedrich Wanner ersetzt werden, um dem erhöhten Verkehrsaufkommen gerecht zu werden. Damals überlegte man, den Bahnhof näher an die Stadt und an den See heranzubauen, weil der Zürichsee immer noch eine grosse Bedeutung als Transportweg hatte. Denn ursprünglich lag der Bahnhof ausserhalb des damaligen Stadtzentrums, der heutigen Altstadt. Doch die Stadt akzeptierte den Bahnhof als ihr neues Zentrum und richtete sich schon bald an ihm aus. Die berühmte Bahnhofstrasse rollt sich wie ein roter Teppich vor seine Füsse beziehungsweise seinen Haupteingang, der die Strasse wie ein Triumphbogen empfängt.
Bis heute ist der Hauptbahnhof in ständiger Veränderung begriffen, einem nicht enden wollenden Verbesserungs- und Vergrösserungsprozess unterworfen. Es würde mich nicht wundern, wenn er eines Tages die Stadt auffressen würde.
Der Stau auf der A 1 sagt etwas anderes, doch ich behaupte: Alle Wege nach Zürich führen über den HB, wie wir den Hauptbahnhof nennen. Vielleicht beginnen und enden sie sogar da - denn warum sollte man diesen zwar weder schönen noch übersichtlichen Ort verlassen wollen, dieses ständig im Umbau begriffene, von rot-weiss gestreiften Planken begrenzte Labyrinth, diese imaginäre Weltstadt im Kleinformat, diese unterirdische Utopie? Das sagen sich jedenfalls die Horden von Jugendlichen, die an den Wochenenden von der Agglomeration in die grosse Stadt von Welt geschwemmt werden. Viele bleiben gleich einmal da. In deutlich voneinander abgrenzbaren Gruppen. Un…