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Toronto, 1843: Das junge Dienstmädchen Grace wird mit sechzehn des Doppelmordes an ihren Arbeitgebern schuldig gesprochen. In letzter Sekunde wandelt das Gericht ihr Todesurteil in eine lebenslange Gefängnisstrafe um. Sie verbringt Jahre hinter Gittern, bis man sie schließlich entlässt. Im Haushalt des Anstaltdirektors begegnet sie dem Nervenarzt Simon, der ihrer Geschichte auf den Grund gehen will: Ist Grace eine gemeingefährliche Verbrecherin oder unschuldig? Margaret Atwood hat einen Roman von hypnotischer Spannung geschrieben, der die Geschichte einer realen Gestalt, einer der berüchtigtsten Frauen Kanadas erzählt.
Margaret Atwood, geboren 1939 in Ottawa, gehört zu den bedeutendsten Erzählerinnen unserer Zeit. Ihr 'Report der Magd' wurde zum Kultbuch einer ganzen Generation. Bis heute stellt sie immer wieder ihr waches politisches Gespür unter Beweis, ihre Hellhörigkeit für gefährliche Entwicklungen und Strömungen. Sie wurde vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem renommierten Man Booker Prize, dem Nelly-Sachs-Preis, dem Pen-Pinter-Preis und dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Margaret Atwood lebt in Toronto.
Vorwort
»Das mit Abstand aufregendste Buch der kanadischen Meisterautorin.« Brigitte
Autorentext
Margaret Atwood, geboren 1939 in Ottawa, gehört zu den bedeutendsten Erzählerinnen unserer Zeit. Ihr "Report der Magd" wurde zum Kultbuch einer ganzen Generation. Bis heute stellt sie immer wieder ihr waches politisches Gespür unter Beweis, ihre Hellhörigkeit für gefährliche Entwicklungen und Strömungen. Sie wurde vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem renommierten Man Booker Prize, dem Nelly-Sachs-Preis, dem Pen-Pinter-Preis und dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Margaret Atwood lebt in Toronto.
Leseprobe
1859 Ich sitze auf dem dunkelroten Samtsofa im Salon des Herrn Direktor, oder vielmehr im Salon der Frau Direktor; es war immer der Salon der Frau Direktor, obwohl die Frau Direktor nicht immer dieselbe Frau ist, da die Direktoren oft an andere Orte versetzt werden. Meine Hände liegen so wie es sich gehört gefaltet in meinem Schoß, obwohl ich keine Handschuhe habe. Die Handschuhe, die ich gerne hätte, wären weich und weiß und würden passen, ohne auch nur eine Falte zu werfen.
Ich bin oft in diesem Salon, wenn ich das Teegeschirr abräume und die kleinen Tische und den hohen Spiegel abstaube, den mit dem Rahmen aus Weintrauben und Blättern, und das Pianoforte, und die hohe Uhr, die aus Europa stammt, mit der orange-goldenen Sonne und dem silbernen Mond, die herauskommen und wieder verschwinden, je nach Tageszeit und je nachdem, welche Woche im Monat wir haben. Die Uhr gefällt mir am besten von allen Sachen im Salon, obwohl sie die Zeit mißt, und Zeit habe ich sowieso schon zuviel.
Aber ich habe noch nie zuvor auf dem Sofa gesessen, da es nur für Besucher ist. Mrs. Alderman Parkinson sagte immer, eine Dame darf sich nie auf einen Stuhl setzen, von dem ein Herr gerade erst aufgestanden ist, wieso nicht, das wollte sie nicht sagen. Aber Mary Whitney hat gesagt: »Weil er noch warm ist von seinem Hintern, deshalb, du dumme Gans«; was keine sehr feine Bemerkung war. Und deshalb kann ich nicht hier sitzen, ohne an die damenhaften Hinterteile zu denken, die auf ebendiesem Sofa gesessen haben, ganz zart und weiß, wie wabbelige gekochte Eier.
Die Besucherinnen tragen Nachmittagskleider mit Knopfreihen vorne, und darunter steife Krinolinen aus Draht. Es ist ein Wunder, daß sie sich damit überhaupt hinsetzen können, und wenn sie gehen, berührt nichts ihre Beine unter den gebauschten Röcken, bis auf ihre Unterkleider und Strümpfe. Sie sind wie Schwäne, die auf unsichtbaren Füßen dahingleiten; oder wie die Quallen im Wasser des Felsenhafens in der Nähe von unserem Haus, als ich noch klein war, bevor ich die lange und traurige Reise über den Ozean antrat. Sie waren glockenförmig und gekräuselt, diese Quallen, und unter Wasser schwebten sie anmutig dahin und sahen sehr schön aus; aber wenn sie an den Strand gespült wurden und in der Sonne trockneten, blieb nichts von ihnen übrig. Und genauso ist es auch mit den Damen: sie bestehen größtenteils aus Wasser.
Als ich hierher gebracht wurde, gab es keine Krinolinen aus Draht. Sie waren damals aus Pferdehaar, da noch niemand an Draht gedacht hatte. Ich habe mir angesehen, wie sie in den Schränken hängen, wenn ich hineingehe, um aufzuräumen und das Nachtgeschirr auszuleeren. Sie sind wie Vogelkäfige; aber was wird in diesen Käfigen gehalten? Beine, die Beine von Damen; Beine, die eingesperrt werden, damit sie nicht herauskommen und sich an den Hosen der Herren reiben können. Die Frau Direktor sagt niemals Beine, aber die Zeitungen haben Beine gesagt, als sie über Nancy schrieben, deren tote Beine unter dem Waschzuber hervorsahen.
Es sind nicht nur die Quallendamen, die zu Besuch kommen. Dienstags haben wir die Frauenfrage und die Emanzipation von diesem oder jenem, mit reformgesinnten Personen beider Geschlechter; und donnerstags den Spiritisten-Kreis, zum Tee und zu Gesprächen mit den Toten, die ein Trost für die Frau Direktor sind, wegen ihrem dahingeschiedenen kleinen Sohn. Aber größtenteils sind es die Damen, die kommen. Sie sitzen da und nippen an den Tassen aus dünnem Porzellan, und die Frau Direktor läutet eine kleine Porzellanglocke. Sie ist nicht gern eine Frau Direktor, sie hätte es lieber, wenn der Herr Direktor der Direktor von etwas anderem als einem Gefängnis wäre.
Die Freunde des Herrn Direktor waren einflußreich genug, um ihn zum Direktor zu machen, aber nicht zu mehr.
Und so ist sie also hier und muß das Beste aus ihrer gesellschaftlichen Stellung und aus ihren Erfolgen machen, und obwohl ich etwas bin, wovor ma