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Ein Priestermord in Köln und ein junges Mädchen in Lebensgefahr: Hauptkommissarin Judith Krieger und ihr Kollege Manni Korzilius ermitteln in einem Verbrechen, hinter dem sich ein dunkles Geheimnis verbirgt. Niemand ist dabei frei von Schuld - auch nicht sie selbst.
Gisa Klönne, geboren 1964, ist die Autorin von mittlerweile sechs erfolgreichen Kriminalromanen um die Kommissarin Judith Krieger. Daneben legte die unter anderem mit dem Friedrich-Glauser-Preis ausgezeichnete Autorin mit 'Das Lied der Stare nach dem Frost' und 'Die Wahscheinlichkeit des Glücks' aber auch zwei Familienromane vor. Gisa Klönnes Romane sind Bestseller und wurden in mehrere Sprachen übersetzt. Sie lebt als freie Schriftstellerin in Köln.
Autorentext
Gisa Klönne, geboren 1964, ist die Autorin von mittlerweile sechs erfolgreichen Kriminalromanen um die Kommissarin Judith Krieger. Daneben legte die unter anderem mit dem Friedrich-Glauser-Preis ausgezeichnete Autorin mit "Das Lied der Stare nach dem Frost" und "Die Wahscheinlichkeit des Glücks" aber auch zwei Familienromane vor. Gisa Klönnes Romane sind Bestseller und wurden in mehrere Sprachen übersetzt. Sie lebt als freie Schriftstellerin in Köln.
Leseprobe
Donnerstag, 23. Februar
Ein leises Stöhnen zuerst. Alterslos, geschlechtslos. Ruth Sollner presst den Telefonhörer fester ans Ohr und fixiert die Kerze, die vor ihr steht. Es ist unmöglich vorherzusehen, was während einer Schicht in der Telefonseelsorge geschehen wird. Jetzt, weit nach Mitternacht, wird es oft ruhig, doch in dieser Nacht schafft sie es nicht einmal, sich neuen Tee zu kochen oder auf die Toilette zu gehen, weil ein Anruf direkt auf den nächsten folgt. Als ob mit dem Beginn der Fastenzeit auch das Leid zu den Menschen zurückgekommen ist, oder zumindest das Bedürfnis es mitzuteilen.
»Ja, bitte?«, sagt Ruth. Freundlich, einladend.
Wieder ein Stöhnen. Rasselnder Atem.
Eine Frau, weiß Ruth plötzlich, noch nicht alt. Wahrscheinlich liegt sie im Bett, schafft es nicht mehr aufzustehen. Von Kummer gebeugt. Oder von einer Krankheit. Ruth schließt die Augen, glaubt am anderen Ende der Telefonleitung die Bewegungen der Anruferin unter einem Federbett zu hören.
»Aids, ich habe Aids, und das Kind ist noch klein.«
O Gott, was soll man auf solch eine Offenbarung bloß erwidern, überlegt Ruth. Aber dann schafft sie es in der folgenden halben Stunde doch irgendwie, die Anruferin ein winziges bisschen zu ermutigen. Etwas Religiöses will die Frau zum Abschluss des Gesprächs noch hören, ein Wort Gottes, das Hoffnung gibt, und wie schon manchmal in den sehr seltenen Fällen, wenn eine solche Bitte an sie herangetragen wird, wählt Ruth Psalm Nummer 23, ihren persönlichen Lieblingspsalm.
»Der Herr ist mein Hirt, mir wird nichts mangeln ... Auch wenn ich wandern muss in finsterer Schlucht, ich fürchte doch kein Unheil ...«
Ruth spricht langsam, aus dem Gedächtnis. Verabschiedet sich dann von der Anruferin und atmet tief durch, froh, dass das Telefon nicht sofort wieder zu klingeln beginnt. Die Kerze flackert im Luftstrom ihres Atems. Sie knipst die Schreibtischlampe wieder an, die sie zu Beginn des Anrufs ausgeschaltet hatte, um sich besser aufs Hören zu konzentrieren, steht auf und geht endlich zur Toilette. Das Handwaschbecken und der Spiegel glänzen, ein leichter Zitrusgeruch hängt in der Luft. Viel zu spät sei ihre Tochter zum Putzen gekommen, hat Marianne berichtet, als Ruth sie ablöste, weit nach 20 Uhr. Aber Beatrice ist gekommen, denkt Ruth jetzt, während sie ihre Hände wäscht und das Waschbecken anschließend mit einem Papierhandtuch poliert. Und allein dafür will ich schon dankbar sein.
In der Küche gießt sie eine Kanne grünen Tee auf und isst einen fettreduzierten Erdbeerjoghurt. Das Telefon im Beratungszimmer ist immer noch still, auch aus den anderen Wohnungen und Büros des Gebäudes ist kein Laut zu hören. Ruth tritt ans Fenster und betrachtet die nächtliche Stadt. Kaum jemand weiß, wo sich die Telefonseelsorge befindet, im dritten Stock eines unscheinbaren Mietshauses, unweit des Doms, in einer schmalen Gasse hinter dem Park des Priesterseminars. Doch für die Anrufer ist dies egal. Für sie bleiben Ruth und die anderen Mitarbeiter der Telefonseelsorge nichts weiter als Anteil nehmende Stimmen. Nie stellen sich die Berater mit Namen vor, nie wird die Postanschrift der Telefonseelsorge nach außen kommuniziert. Und auch die Ratsuchenden müssen ihre Identität nicht preisgeben oder fürchten, dass ihre Telefonnummern in der Seelsorge angezeigt werden. Diskretion und Anonymität sind die wichtigsten Gebote für ein vertrauensvolles Gespräch.
Ruth wirft den Teebeutel in den Abfalleimer und trägt die Kanne zurück ins Beratungszimmer. Nach dem Morgen im Arbeitsamt und der verunglückten Mahlzeit mit ihrer Tochter, ist sie ins Bergische Land zu ihrer Schwester Eva gefahren, um ihr mit ihren an Windpocken erkrankten Kindern zu helfen. Bis in den Abend hinein hat das gedauert und danach ging es ohne Pause in der Telefonseelsorge weiter und all die Geschäftigkeit hat sie von ihren eigenen Sorgen abgelenkt. Jet
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