20%
8.90
CHF7.10
Download steht sofort bereit
Wald, stoischer, stummer Wald ist der Schauplatz, an dem Kommissarin Judith Krieger ermitteln muss. Wald, der Tatort eines Mordes ist. Wald, der das Geheimnis um ein Mädchen birgt. Der Fall konfrontiert Judith mit der Trauer um einen Freund. Außerdem muss sie ausgerechnet gemeinsam mit dem ungeliebten Kollegen Manni Korzilius ermitteln. Doch sie hat keine Wahl, sie muss diesen Fall lösen, denn es geht um ihren Job und bald auch um ihre Identität.
Gisa Klönne, geboren 1964, ist die Autorin von mittlerweile sechs erfolgreichen Kriminalromanen um die Kommissarin Judith Krieger. Daneben legte die unter anderem mit dem Friedrich-Glauser-Preis ausgezeichnete Autorin mit 'Das Lied der Stare nach dem Frost' und 'Die Wahscheinlichkeit des Glücks' aber auch zwei Familienromane vor. Gisa Klönnes Romane sind Bestseller und wurden in mehrere Sprachen übersetzt. Sie lebt als freie Schriftstellerin in Köln.
Autorentext
Gisa Klönne, geboren 1964, ist die Autorin von mittlerweile sechs erfolgreichen Kriminalromanen um die Kommissarin Judith Krieger. Daneben legte die unter anderem mit dem Friedrich-Glauser-Preis ausgezeichnete Autorin mit "Das Lied der Stare nach dem Frost" und "Die Wahscheinlichkeit des Glücks" aber auch zwei Familienromane vor. Gisa Klönnes Romane sind Bestseller und wurden in mehrere Sprachen übersetzt. Sie lebt als freie Schriftstellerin in Köln.
Leseprobe
Sonntag, 26. Oktober
Sie sehen die Frau, sobald sie die Lichtung erreichen. Sie kniet und erbricht sich. Die Wiese ist sumpfig, Grashöcker ragen daraus hervor wie strohige Perücken. Egbert Wiehl drückt seiner Frau das Pilzkörbchen in die Hand und versucht, so schnell wie möglich zu der Fremden zu gelangen, ohne nasse Füße zu bekommen. Ein sinnloses Unterfangen, es hat tagelang geregnet. Die Frau ist noch jung und hat einen blonden Pferdeschwanz. Sie schreit leise auf, als sie Egbert Wiehl wahrnimmt, und plötzlich weiß er nicht mehr, was er sagen soll. Ist Ihnen nicht gut? Brauchen Sie Hilfe? Beides ist offensichtlich, denn es ist ein kalter Morgen und trotzdem kauert die Frau mitten in einer schlammigen Pfütze. Eine Sportlerin. Er zwingt sich, nicht auf ihre langen, muskulösen Beine zu starren, die in einer engen schwarzen Trikothose stecken.
Die Frau versucht, etwas zu sagen, aber ihre Zähne klappern zu heftig. Es stinkt nach Erbrochenem. Die Frau hat sehr runde, grasgrüne Augen. Von ihrem Kinn hängt ein Spuckefaden, den sie offenbar nicht bemerkt. Jedenfalls macht sie keine Anstalten, ihn wegzuwischen. Egbert Wiehl hat das Gefühl, dass sie sich vor ihm fürchtet, und geht in die Hocke.
»Haben Sie etwas Falsches gegessen? Pilze vielleicht? Sind Sie gestürzt?« Er streckt die Hand nach ihr aus und sie zuckt zurück. Im selben Moment wird ihm bewusst, dass er das Fahrtenmesser noch in der Hand hält.
»Entschuldigen Sie, das Messer - wir sammeln Pilze, Helga und ich. Es war ja keine sehr gute Pilzsaison, zu kalt, und jetzt ist es schon spät im Jahr, aber ...« Er klingt wie ein Idiot. Hastig schiebt er das Messer in den Schaft an seinem Gürtel und lächelt.
»Kommen Sie.« Er streckt ihr wieder die Hand entgegen. »Können Sie aufstehen? Sie können doch hier nicht in der Pfütze knien. Sie holen sich ja den Tod.«
Statt einer Antwort beginnt die Frau erneut zu würgen, blass und hässlich sieht ihr Gesicht dabei aus, eine verzerrte Maske.
»Meine Frau ist dort drüben, wir wollen Ihnen helfen. Ich bin Arzt, wenn auch neuerdings pensioniert.«
Hört sie ihn überhaupt?
»Kommen Sie«, drängt er einmal mehr.
Jetzt setzt die Frau sich mühsam auf. Sie zittert immer noch, hebt aber den rechten Arm und zeigt auf einen Hochsitz, der am Südrand der Lichtung im Schatten der Bäume steht.
»D-d-da.«
Egbert Wiehl folgt der Linie, die ihr Zeigefinger beschreibt, mit den Augen. Ist sie dort runtergestürzt? Unwahrscheinlich, denn sie konnte laufen, ihre Fußspuren sind gut sichtbar ins nasse Gras gedrückt. Sie führen direkt vom Hochsitz zu der Stelle, wo sie kniet.
»Egbert! Ist alles in Ordnung?« Helgas Stimme scheint von weit her zu kommen, mit einer unwirschen Handbewegung lässt er sie verstummen. Er späht zu dem Hochsitz hinüber. Krähen flattern um den hölzernen Ausguck am Ende der Leiter, drängen sich durch die seitlichen Schießscharten, ja, es sieht aus, als ob sie sogar durch das Dach tauchen und sofort wieder herauskatapultiert werden, ein taumelndes, rastloses Auf und Ab. Irgend etwas stimmt nicht.
»Warten Sie hier.« Egbert Wiehl steht schwerfällig auf. Hitchcocks Vögel fallen ihm ein, er drängt die Filmbilder beiseite, fixiert den Hochsitz. Kein Grund, sich zu fürchten, sagt er sich. Die Frau macht eine Bewegung, als wolle sie weglaufen. Er tätschelt ihre Schulter. »Bleiben Sie hier, ich sehe nach.« Keine Antwort, nur ihr fliegender Atem. Er stapft auf den Hochsitz zu. Der Himmel ist pastellblau und wolkenlos, und die Sonne klettert soeben hoch genug, um die Baumwipfel im Tal rot und gelb aufleuchten zu lassen. Vor zwei Stunden hat Helga Kaffee, Mineralwasser, belegte Brote, Äpfel, eine Tafel Nussschokolade und die Picknickdecke in den Rucksack gesteckt, den er auf dem Rücken trägt. Der Wetterbericht hat einen strahlenden Altweibersonntag versprochen. Die letzte Chance des Jahres, ein paar Reizker zu finden und die Aussicht v
20%