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Wie beeinflussten die Jesuiten die europäische Moderne? Erkennen wir die größten Bedrohungen für unsere offene Gesellschaft und wie schützen wir die Idee der Toleranz? Warum lässt uns die Vergangenheit auch 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs nicht ruhen - und warum ist das gut so? Denkanstöße 2018 präsentiert neue Erkenntnisse aus Politik, Geschichte, Philosophie und Naturwissenschaften von namhaften Autoren wie Markus Friedrich, Matthias Thöns, Alexandra Senfft oder Michael Schmidt-Salomon. Übersichtlich nach Themen gegliedert, bringen die Texte Wichtiges und Wissenswertes zur Sprache. Ein Jahrbuch zum Mitdenken, Mitreden und Weiterdenken.
Isabella Nelte studierte Literaturwissenschaft und Kunstgeschichte, bevor sie sich mit einer antiquarischen Buchhandlung einen Lebenstraum erfüllte. Sie lebt mit ihrer Familie in einer alten Mühle im Taunus.
Autorentext
Isabella Nelte studierte Literaturwissenschaft und Kunstgeschichte, bevor sie sich mit einer antiquarischen Buchhandlung einen Lebenstraum erfüllte. Sie lebt mit ihrer Familie in einer alten Mühle im Taunus.
Leseprobe
Lothar Gall
Hardenberg. Reformer und Staatsmann
Das Spezifische, Individuelle im Leben Hardenbergs, in dem sich zugleich das Übergeordnete, eine allgemeine Tendenz unmittelbar widerspiegelte, lag in dem unbedingten Vorrang, den der Gedanke des modernen Staates und der vorbehaltlos auf ihn verpflichteten Bürokratie für ihn hatte. In dessen Durchsetzung sah er nach dem Vorbild eines Mannes wie Richelieu, des eigentlichen Schöpfers des modernen französischen Staates, aber insgeheim auch eines Herrschers wie Napoleon seine eigentliche politische Lebensaufgabe, eine Aufgabe, die sich ihm nach dem völligen inneren und äußeren Zusammenbruch des alten Preußens nach 1806 unmittelbar und ganz konkret stellte. In ihrem Zeichen stand letzten Endes alles, was er außen- und innenpolitisch unternahm, wobei beide Bereiche für ihn untrennbar zusammenhingen.
Der Staat aber war für ihn der monarchisch verfasste, bürokratisch geleitete Anstaltsstaat, wobei, so nachdrücklich Hardenberg stets den unbegrenzten Machtanspruch des regierenden Monarchen betont hat, der Monarch als solcher für ihn insgeheim nur den Punkt auf dem i bildete, wie es Hegel später formulieren sollte. Auch in dieser Hinsicht folgte Hardenberg ganz dem Vorbild Richelieus, der nach außen immer den absoluten Machtanspruch seines Königs unterstrichen hatte, in dessen Schatten er nahezu unumschränkt wirkte.
Von hier aus lässt sich letztlich auch der zentrale Unterschied zwischen Hardenberg und dem Mann markieren, mit dem er zeitweise auf das Engste zusammenarbeitete und der stets mit ihm in einem Atemzug genannt wird: Heinrich Friedrich Karl Freiherr vom und zum Stein. Stein propagierte die Monarchie auf ständischer Grundlage und unter entscheidender Mitwirkung der ständisch verfassten Gesellschaft, während für Hardenberg die Gesellschaft als solche im Wesentlichen nur ein Objekt der Politik war, nicht aber ein Subjekt, dessen Wille letztendlich bestimmend sein müsse. Allerdings hob er gleichzeitig hervor, wie wichtig, unbeschadet der bürokratischen Leitung und Organisation des Gemeinwesens durch den etablierten Anstaltsstaat, die Mitwirkung freier gesellschaftlicher Kräfte an diesem Staat sei. Worin diese Mitwirkung genau bestehen solle, das ließ er weitgehend offen, und seine politischen Gegner, die sich vom Prinzip eines von gesellschaftlicher Mitwirkung gänzlich freien monarchisch-bürokratischen Absolutismus leiten ließen, trugen am Ende den Sieg davon.
Formal blieb Hardenberg bis zu seinem Tod an der bürokratischen Spitze des preußischen Staates, wiewohl er am Ende seine politische Machtstellung weitgehend eingebüßt hatte. Bis dahin aber hatte er die Macht des Staates in moderner Form entscheidend vorangebracht. Insofern gehört er, obwohl er hinsichtlich der meisten der von ihm ursprünglich verfolgten Ziele politisch gescheitert ist, zu den prägenden und bestimmenden Gestalten der preußischen und damit auch der deutschen Geschichte insgesamt.
Hardenberg war schon sechzig Jahre alt, als er 1810 als »Staatskanzler« an die Spitze des preußischen Staates gelangte - eines Staates, der, in der Schlacht von Jena und Auerstedt im Oktober 1806 vernichtend geschlagen und zur Abtretung eines erheblichen Teils seines Territoriums sowie zu einer gewaltigen Kriegskontribution gezwungen, praktisch in einem Satellitenverhältnis zum napoleonischen Frankreich stand. Preußen Schritt für Schritt aus diesem Satellitenverhältnis zu lösen und es zu seiner alten militärischen und territorialen Großmachtstellung zurückzuführen war das erste und vornehmste außenpolitische Ziel des Staatskanzlers Karl August von Hardenberg.
Innenpolitisch verfolgte er die Absicht, die von Stein eingeleitete und vorangetriebene grundlegende innere Reform des preußischen Staates weiterzuführen und auf immer neue Gebiete auszudehnen. Beide Ziele hat er, begünstigt durch die äußeren Umstände, binnen weniger Jahre im Großen und Ganzen erreicht.
Inhalt
Vorwort
ERFAHRUNGEN Aus Religion und Zeitgeschichte
Markus Friedrich : Die Jesuiten. Aufstieg, Niedergang, Neubeginn Lothar Gall : Hardenberg. Reformer und Staatsmann
EINSICHTEN Aus Gesellschaft und Psychologie
Michael Schmidt-Salomon : Die Spielregeln des zivilisierten Widerstreits. Eine kurze Geschichte der Toleranz Matthias Thöns : Patient ohne Verfügung. Das Geschäft mit dem Lebensende Alexandra Senfft : Der lange Schatten der Täter. Nachkommen stellen sich ihrer NS-Familiengeschichte
ERKENNTNISSE Aus Naturwissenschaft und Philosophie
Metin Tolan : Die STAR TREK Physik. Warum die Enterprise nur 158 Kilo wiegt und andere galaktische Erkenntnisse Helge Hesse : Ludwig Wittgenstein und John Maynard Keynes. Was uns die Begegnungen berühmter Persönlichkeiten über die großen Fragen des Lebens verraten
Quellen Autorinnen und Autoren