Nach dem Fund einer Moorleiche mutmaßt man auf der kleinen schottischen Insel Islay, dass sie wohl schon Jahrhunderte dort gelegen haben wird. Doch dann wird ein Handy bei ihr entdeckt. Der Tote ist Hamish Macallan, Eigentümer der besten Whiskybar Edinburghs, und war seit sechs Wochen nicht mehr gesehen worden - nichts Ungewöhnliches für den Mann mit einer Leidenschaft für das einsame Lachsfischen. Professor Dr. Dr. Adalbert Bietigheim, seines Zeichens einziger Inhaber eines Lehrstuhls für Kulinaristik in Deutschland, wird von dem Manager einer Whiskydestillerie, auf dessen Land der Tote gefunden wurde, zu Hilfe gerufen, um den Mord aufzuklären. Doch über Islay liegt ein dichter Nebel des Schweigens, und die Bewohner der kleinen Dörfer misstrauen dem Deutschen mit der perfekt sitzenden Seidenfliege ...
Carsten Sebastian Henn, geboren 1973 in Köln, arbeitet als Schriftsteller, Weinjournalist und Restaurantkritiker. Er ist Chefredakteur des Gault & Millau WeinGuides sowie Redaktionsleiter Deutschland des Weinmagazins Vinum. In St. Aldegund an der Mosel besitzt er einen Steilstweinberg mit alten Rieslingreben, den er selbst bewirtschaftet. Wenn er einmal nicht seiner Leidenschaft fürs Kochen nachgeht, ist er auf der Suche nach neuen Gaumenfreuden.
Vorwort
Ein Fall für Prof. Dr. Dr. Adalbert Bietigheim hochprozentig und hochgefährlich
Autorentext
Carsten Sebastian Henn, geboren 1973 in Köln, arbeitet als Schriftsteller, Weinjournalist und Restaurantkritiker. Er ist Chefredakteur des Gault & Millau WeinGuides sowie Redaktionsleiter Deutschland des Weinmagazins Vinum. In St. Aldegund an der Mosel besitzt er einen Steilstweinberg mit alten Rieslingreben, den er selbst bewirtschaftet. Wenn er einmal nicht seiner Leidenschaft fürs Kochen nachgeht, ist er auf der Suche nach neuen Gaumenfreuden.
Leseprobe
KAPITEL 1
Der Anteil der Engel
Mit Benno von Saber an der Leine stand Professor Adalbert Bietigheim auf der Mill's Mount Battery im nördlichen Teil des Edinburgh Castle, nahe der berühmten Kanone. Und zwar genau in dem Moment, als sie schoss und das dumpf knallende Geräusch wie eine mächtige Welle über die Stadt bis zur Meerenge Firth of Forth raste. Der District Gunner des 105th Regiment Royal Artillery hatte die L118 Light Gun, wie jeden Tag, exakt um ein Uhr abgeschossen, deswegen auch ihr Name: One o'clock Gun. Erstmals in der Geschichte des Regiments war der Gunner eine junge Frau, die nun zackig salutierte. Adalberts treuer, aber leider aus tiefster Überzeugung ungehorsamer Foxterrier bellte anerkennend. Zwar war dieser schottische Brauch völlig unnütz geworden, denn die Seefahrer der nahen Bucht hatten heutzutage exakt gehende Uhren und brauchten keinen Kanonenschuss mehr, um diese einzustellen, aber der schönen Tradition wegen schoss man weiterhin von Montag bis Samstag sowie an Neujahr in den Himmel über Edinburgh. Adalbert trat an die steinernen Zinnen und blickte hinab auf die winterliche Stadt, welche sich zu den Füßen des Castle in edlem Grau und Braun ergoss, als gehöre sie nicht zum 21. Jahrhundert. Edinburgh war zeitlos wie ein edler Frack.
Adalbert hatte sich in Tweed gewandet, maßgeschneidert, von der Londoner Savile Row selbstverständlich. Blau und Weiß dominierten im feinen Stoff, entsprechend den Farben der schottischen Nationalflagge. Benno von Saber trug ein passendes Hundehalsband, von einem Rollkragenpullover hatte Adalbert abgesehen, obwohl dieser ausgesprochen schmuck an seinem vierbeinigen Freund ausgesehen hatte. Benno konnte einfach alles tragen.
»Meine Damen, meine Herren, ich darf Sie nun in den Crown Room bitten, zu den Honours of Scotland: der Krone, dem Zepter und dem Schwert.«
In angenehmer Erwartung folgte die kleine Gruppe Edward Macallan, der dieses Treffen heute, am 25.Januar, organisiert hatte. Den Highland-Chocolatier aus Pitlochry hatte Bietigheim bei der Weltmeisterschaft der Schokoladenkünstler in Brügge kennengelernt - unter sehr unerfreulichen und blutigen Umständen. Der jungenhafte und stets leger gekleidete Macallan galt als Jamie Oliver der Chocolatiers. Trotz der kühlen Winterluft lief er nur mit einer Caprihose in Tarnfarben und einem Sex-Pistols-T-Shirt herum. An seiner rechten Wade prangte das Tattoo eines Messers, das in einer blutenden Wunde steckte. In Adalberts Augen war er ein völliger Spinner, aber mit dem braunen Gold der Kakaobohne konnte er fraglos umgehen. Und das war eindeutig wichtiger als geistige Gesundheit.
Den Nachmittag verbrachte die Gruppe mit einem Besuchsprogramm des Castle und seiner Museen, das Adalbert bereicherte, indem er den jeweiligen Führer unterbrach, um Wichtiges zu ergänzen oder richtigzustellen. Es war beileibe keine angenehme Aufgabe, aber irgendwer musste sie schließlich übernehmen. Adalbert war sich des Danks der Anwesenden sicher, auch wenn sie diesen in ihrer zurückhaltenden schottischen Art natürlich nicht zeigten. In den zahlreichen Ausstellungssälen ging es seiner Meinung nach, und das hatte er mehrfach zum Ausdruck gebracht, viel zu sehr um Militärgeschichte. Das Edinburgh Castle war unzählige Male erobert und zurückerobert, belagert, zerstört und neu aufgebaut worden. Engländer und Schotten hatten sich die Klinke in die Hand gegeben. Die wichtigste Frage wurde dabei geflissentlich übergangen: Was hatten sie beim Klinkenwechseln gegessen?
Vor dem feierlichen Abendessen zogen sich alle in ihre Hotelsuiten zurück. Adalbert kleidete sich um und dachte darüber nach, wo er die entsprechenden historischen Rezepte auftreiben könnte. Ein echtes Belagerungsmenü wäre dem Ort angemessen. Gleichzeitig kamen ihm Ideen für drei wissenschaftliche Schriften, die er gleich nach seiner Rückkehr an die Hambu