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Der Lehrstuhl für Kulinaristik in Cambridge steht unter einem schlechten Stern: Schon zwei Professoren wurden tot in einem Kahn auf dem Fluss Cam gefunden - eingelegt in teuersten weißen Darjeelingtee. Adalbert Bietigheim lässt sich nicht abschrecken und übernimmt die Professur, um herauszufi nden, wer die beiden Kollegen auf dem Gewissen hat. Etwa sein alter Widersacher Professor Rutz vom konkurrierenden Trinity College? Oder hat Teemeister Muso Kokushi etwas damit zu tun, eine Koryphäe des Matcha-Tees, über den beide Mordopfer forschten? Die Ermittlungen führen Bietigheim zur einzigen Teeplantage Englands, zu einem legendären Teekuchen, zum Rätsel um die 'Sechste Schale' und in den Glockenturm der Kirche Great St. Mary - wo jemandem sein sprichwörtlich letztes Stündchen schlägt ...
Carsten Sebastian Henn, geboren 1973 in Köln, arbeitet als Schriftsteller, Weinjournalist und Restaurantkritiker. Er ist Chefredakteur des Gault & Millau WeinGuides sowie Redaktionsleiter Deutschland des Weinmagazins Vinum. In St. Aldegund an der Mosel besitzt er einen Steilstweinberg mit alten Rieslingreben, den er selbst bewirtschaftet. Wenn er einmal nicht seiner Leidenschaft fürs Kochen nachgeht, ist er auf der Suche nach neuen Gaumenfreuden.
Vorwort
Mörderische Teatime
Autorentext
Carsten Sebastian Henn, geboren 1973 in Köln, arbeitet als Schriftsteller, Weinjournalist und Restaurantkritiker. Er ist Chefredakteur des Gault & Millau WeinGuides sowie Redaktionsleiter Deutschland des Weinmagazins Vinum. In St. Aldegund an der Mosel besitzt er einen Steilstweinberg mit alten Rieslingreben, den er selbst bewirtschaftet. Wenn er einmal nicht seiner Leidenschaft fürs Kochen nachgeht, ist er auf der Suche nach neuen Gaumenfreuden.
Leseprobe
White Darjeeling Professor Adalbert Bietigheim stand vor der Tür eines viktorianischen Reihenhauses im Osten Cambridges. Ohne das hübsche Äußere auch nur eines Blickes zu würdigen, steckte er ungeduldig seinen Schlüssel ins Schloss, denn die britische Geistesmetropole hatte ihn mit fiesem Nieselregen begrüßt, der bereits von der Krempe seines Borsalino-Hutes tropfte. Kein Wunder, dass die Briten schon immer eine Seefahrernation waren. Dieses Wetter trieb einen förmlich in andere Gefilde. Die Koffer des Professors hatte der Taxifahrer einfach auf den Bürgersteig gestellt und war davongebraust. Unverschämtheit! Dabei hatte Bietigheim ihm auf der Fahrt einen vollkommen kostenlosen Kurzvortrag über angemessenes Tempo und die Nachteile des Linksverkehrs gehalten. Undank ist der Welten Lohn! Ohne auch nur das geringste Knarren öffnete sich die Tür und gab den Blick frei auf einen kleinen Flur mit einer steilen Treppe. Beinahe wäre der Professor auf einen DIN-A5-Umschlag getreten, der mit »Bietigheim« beschriftet war und den jemand durch den Briefschlitz eingeworfen haben musste. Der Ordnung halber hob er ihn auf, beschloss jedoch, ihn erst später zu öffnen. Zur Linken führte eine Tür ins Wohnzimmer, das einem Sherlock-Holmes-Film entsprungen schien. Im Kamin knisterte ein Feuer, das bestimmt die Haushälterin entzündet hatte. Ein dunkelgrünes Chesterfield-Sofa beherrschte den Raum, die Tapete war in rotem Schottenmuster gehalten, dazu viel dunkles Holz und Regale mit ledergebundenen Büchern. Der Rauch von unzähligen Pfeifen, die die Professoren über Jahrhunderte hier geschmaucht hatten, hing in den Wänden. Vermutlich hatten sie ihren Tee in dem mächtigen Ohrensessel genommen, direkt neben dem Fenster, durch das man in den sprießenden Garten blicken konnte. Bietigheim fühlte sich auf Anhieb wohl. Seinen letzten beiden Vorgängern war es sicher nicht anders ergangen. Allerdings waren sie nun tot. Ermordet. Gnu, dachte Adalbert Bietigheim prompt. Und: Phenolphthalein. Seit Kurzem wanderten seine Gedanken, wenn er unruhig war, zu ungewöhnlichen oder komplizierten Wörtern. Natürlich gestand er sich diese kleine Verdrängungstechnik nicht ein, sondern betrachtete sie als unregelmäßig auftretende, aber ungemein liebenswerte Marotte. Auf dem Tisch lagen die »Cambridge Evening News«. Bietigheim stellte sich daneben, die Arme auf dem Rücken verschränkt, und blickte auf die Titelseite. Dort prangte ein Farbfoto seines Vorgängers, Professor Jonathan Cleesewood. Ein Mann, der immer so aussah, als hätte er einen Arm und ein Bein zu viel, mit denen er nicht wüsste, wohin. Er war die personifizierte britische Ungelenkigkeit. Sein Gesicht war blasser als Ziegenfrischkäse, weshalb seine Kollegen in der Kulinaristik mutmaßten, dass er den ganzen Tag - und die ganze Nacht - nichts anderes machte, als in seinem Büro zu arbeiten. Ihm war unter anderem eine revolutionäre Arbeit über die Krümeligkeit von Teegebäck zu verdanken. Auch über Pudding und Pies hatte er Grundlegendes zu Papier gebracht. Und in Sachen grüner Tee gehörte er zu den europäischen Koryphäen. Auf dem Foto allerdings lag er in einem der typischen Stechkähne Cambridges, Punting-Boot genannt. Genauer gesagt lag er in einer Flüssigkeit, mit der das Boot gefüllt war. Es war Tee, teuerster White Darjeeling, in dessen Genuss er nun allerdings nicht mehr kommen würde. Auch von der gesundheitsfördernden Wirkung aufgrund des hohen Polyphenolgehalts würde er nicht mehr profitieren können. Blutdrucksenkend sollte weißer Tee auch sein. Das zumindest stimmte in diesem Fall, denn tiefer als bei einem Toten konnte der Blutdruck kaum sinken. Bietigheim fühlte sich ein wenig an die Bestattungsriten der Wikinger erinnert, die ihre toten Krieger in voller Rüstung in ein Boot legten, dieses zu Wasser ließen und dann in Brand steckten, bevor es sich auf seine Reise ins Reich Walhalla begab. Cleesewoods Vorgänger Tim Shropsborough hatte man auf dieselbe skurrile Art hergerichtet. Timothy Martin Jam