Tiefpreis
CHF24.05
Auslieferung erfolgt in der Regel innert 5 bis 7 Werktagen.
Anerkennung ist ein Schlüsselbegriff unserer Zeit geworden. Gesellschaftliche Konflikte werden von den Beteiligten als Kämpfe um Anerkennung beschrieben. Unterdrückte und benachteiligte gesellschaftliche Gruppen fordern nicht nur materielle Besserstellung, sondern sie ringen auch um soziale Anerkennung. Indem sie das tun, beziehen sie sich zugleich auf eine normative Ordnung, die regelt, wofür in einer Gesellschaft Anerkennung zugewiesen wird oder wofür man mit Missachtung rechnen muss. Im Band wird die zentrale Gegenwartskategorie vor ihrem historischen Hintergrund erschlossen. Die Autoren beleuchten Veränderungen sozialer Anerkennungsbeziehungen in den Feldern Arbeit und Konsum, Recht, Medien und Familie und fragen nach der normativen Legitimation von Anerkennungsansprüchen. Ein Wandel wird sichtbar: Tradierte Anerkennungsformen geraten unter Druck, während um die Anerkennung neuer Ansprüche gerungen wird.
Autorentext
Axel Honneth ist Professor für Sozialphilosophie an der Universität Frankfurt und der Columbia University sowie Direktor des Instituts für Sozialforschung in Frankfurt (IfS). 1992/2003 erschien sein Werk »Kampf um Anerkennung. Zur moralischen Grammatik sozialer Konflikte«. Ophelia Lindemann, M. A., war wissenschaftliche Mitarbeiterin im Forschungsprojekt »Strukturwandel der Anerkennung im 21. Jahrhundert« am IfS, Stephan Voswinkel, Dr. habil., ist Soziologe am Institut für Sozialforschung.
Klappentext
Anerkennung ist ein Schlüsselbegriff unserer Zeit geworden. Gesellschaftliche Konflikte werden von den Beteiligten als Kämpfe um Anerkennung beschrieben. Unterdrückte und benachteiligte gesellschaftliche Gruppen fordern nicht nur materielle Besserstellung, sondern sie ringen auch um soziale Anerkennung. Indem sie das tun, beziehen sie sich zugleich auf eine normative Ordnung, die regelt, wofür in einer Gesellschaft Anerkennung zugewiesen wird oder wofür man mit Missachtung rechnen muss. Im Band wird die zentrale Gegenwartskategorie vor ihrem historischen Hintergrund erschlossen. Die Autoren beleuchten Veränderungen sozialer Anerkennungsbeziehungen in den Feldern Arbeit und Konsum, Recht, Medien und Familie und fragen nach der normativen Legitimation von Anerkennungsansprüchen. Ein Wandel wird sichtbar: Tradierte Anerkennungsformen geraten unter Druck, während um die Anerkennung neuer Ansprüche gerungen wird.
Leseprobe
Verwilderungen des sozialen Konflikts. Anerkennungskämpfe zu Beginn des 21. Jahrhunderts Axel Honneth In einigen seiner materialen Analysen hat Talcott Parsons, so als sei er ein soziologischer Nachfahre Hegels, die Etablierung moderner Gesellschaften als einen Prozess der Ausdifferenzierung von verschiedenen Sphären der wechselseitigen Anerkennung beschrieben. Die Kategorie der »Anerkennung«, die in diesen Arbeiten eine Schlüsselrolle übernimmt, soll in Anschluss an William I. Thomas und George H. Mead bezeichnen, welche motivationalen Antriebe es sind, die die Gesellschaftsmitglieder zur Übernahme sozialer Verpflichtungen bewegen: Jeder Mensch ist, wie Parsons sagt, primär an der Wahrung einer Form von »Selbstachtung« interessiert, die auf die Anerkennung durch ihrerseits anerkannte Interaktionspartner angewiesen ist; insofern ist, so heißt es weiter, »einer der schlimmsten Schläge« für das Subjekt, »die Achtung von Menschen zu verlieren, deren Achtung man erwartet« (Parsons 1964b: 146, vgl. auch 1964a: 184 f.). Weil die Gesellschaftsmitglieder mithin nichts mehr befürchten als den Verlust der Anerkennung durch ihr jeweiliges Gegenüber, sind sie nach Auffassung von Parsons in hohem Maße motiviert, sich an gesellschaftlich verbindlich gemachten Normen zu orientieren; denn allein die Erfüllung der damit intern verknüpften Verpflichtungen und Erwartungen sichert ihnen auf Dauer die soziale Achtung ihrer Interaktionspartner. Aus dieser Sicht auf das menschliche Motivationssystem, die sich von der üblichen Orientierung Parsons an der Freudschen Persönlichkeitstheorie erheblich unterscheidet, ergibt sich für ihn aber mehr als bloß eine veränderte Erklärung der individuellen Bereitschaft zur sozialen Pflichterfüllung; vielmehr wandelt sich in solchen, stärker vom symbolischen Interaktionismus beeinflussten Teilen seines Werkes zugleich mit der Motivationstheorie auch die Vorstellung über die Eigenart institutionalisierter Handlungssphären und die Beschreibung sozialer Konflikte. In Hinblick auf die normativ integrierten Funktionsbereiche von Gesellschaften gewinnt bei Parsons in solchen Zusammenhängen der Gedanke die Oberhand, dass die dabei jeweils als moralische Integrationsquelle dienenden Werte und Normen zugleich Standards liefern müssen, in deren Licht sich die Teilnehmer wechselseitig anerkennen können: Die Subsysteme gesellschaftlich organisierten Handelns müssen deswegen, weil die ihnen innewohnenden Pflichten und Verantwortlichkeiten vor allem aus Antrieben des Strebens nach sozialer Anerkennung erfüllt werden, als ausdifferenzierte, um Normen der reziproken Achtung kristallisierte Handlungssphären begriffen werden. Damit unterwirft sich Parsons der schwierigen Aufgabe, alle die Funktionsbereiche, die er ansonsten nur als institutionelle Verkörperungen von gesellschaftlich geteilten Wertmustern behandelt, nun zugleich auch als Subsysteme wechselseitiger Anerkennung interpretieren zu müssen; und einige seiner materialen Analysen lassen sich nach meinem Eindruck als Schritte der Durchführung eines solchen Programms verstehen, weil sie den Versuch unternehmen, das moderne Wirtschaftssystem, die Sphäre des modernen Rechts und das Subsystem der Familie als in legitimen Ordnungen stabilisierte Verhältnisse reziproker Anerkennung zu untersuchen. Parsons befindet sich, so lautet meine These, in diesen unorthodoxen Teilen seiner Theorie auf dem Weg zurück von Weber über Durkheim zu Hegel; auch er möchte, wie der Autor der »Rechtsphilosophie«, die normative Ordnung moderner Gesellschaften nach dem Muster eines funktional arbeitsteilig operierenden Systems moralisch integrierter Anerkennungssphären begreifen. Das eigentlich Bemerkenswerte an diesem inoffiziellen Strang der Arbeiten von Parsons ist freilich, dass er darin beinah unmerklich genötigt wird, sein eher harmonistisches Bild der modernen Gesellschaft durch eine stärkere Berücksichtigung sozial anhaltender Konflikte zu korrigieren. Vor allem der 1949 veröffentlichte Aufsatz zum Marxschen Theorem des Klassenkampfes (Parsons 1964c) gibt gut zu erkennen, wie sich bei ihm zugleich mit der wachsenden Aufmerksamkeit für die Anerkennungsbedürftigkeit der Gesellschaftsmitglieder auch das Gespür für die Konfliktanfälligkeit gesellschaftlicher Subsysteme vergrößert: Diese müssen nach der Auffassung Parsons nun, so hatten wir gesehen, in ihren sozial integrierenden Normen immer auch Standards enthalten, aufgrund derer die Mitglieder sich wechselseitig Achtung und Anerkennung zollen können; solche Bewertungsmaßstäbe sind freilich nur in seltenen Fällen so überparteilich und gewissermaßen neutral formuliert, dass sie auf Dauer vor Zweifeln und kritischen Rückfragen der Beteiligten gefeit sind; sobald derartige Stimmungen der normativen Verunsicherung aber in Gefühle der moralischen Empörung umschlagen, können jederzeit leicht soziale Konflikte in Gang kommen, in denen die bislang durch die herrschenden Bewertungsmaßstäbe Benachteiligten eine für sie vorteilhaftere Deutung der zugrunde liegenden Normen zu erstreiten versuchen. Insofern wird für Parsons in dem Augenblick, in dem er als motivationale Quelle aller Bereitschaft zur Rollenübernahme das individuelle Streben nach Anerkennung ausmacht, der Konflikt zu einem endemischen Bestandteil jeder normativ institutionalisierten Handlungssphäre. Damit will ich gewiss nicht sagen, dass sich der Systemtheoretiker Parsons am Rande seiner offiziellen Theorie bereits zur Einsicht in die sphärenspezifische Dynamik eines Kampfes um Anerkennung durchgerungen hat; …
Tief- preis