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Als die britische Kolonialmacht der neugegründeten Kronkolonie Goldküste im Dezember 1874 die Sklaverei für ungesetzlich erklärte, war das für die lokalen Eliten ein Affront. Viele von ihnen waren selbst Sklavenbesitzer; zudem fühlten sie sich übergangen und zu subordinierten Kolonisierten degradiert. Steffen Runkel zeichnet in seiner Studie auf breiter Quellenbasis die afrikanischen Diskurse und Initiativen zur Abolition nach, die zwischen 1841 und 1897 auf dem Gebiet des heutigen Ghana stattfanden. Er zeigt, wie sich aus ihnen Afrikanisierungs- und Elitenbildungsprozesse ergaben, die Auswirkungen weit über dieses Gebiet hinaus besaßen. Damit macht er Kolonialgeschichte als komplexe Interaktionsgeschichte fassbar.
»Die in diesem Buch vorgenommene dichte Beschreibung der Situation an der Goldküste auf Grundlage ausführlich rezipierter, in den lokalen Verhältnissen verankerter Literatur, eröffnet spannende und wichtige Horizonte.« Arno Sonderegger, Sehepunkte, 15.10.2019 »Dem Autor ist eine gehaltvolle gründlich recherchierte und ungemein faktenreiche, obendrein durch Fotos sehr anschauliche Studie gelungen. Die Publikation sollte insbesondere bei Kolonialhistorikern das gebotene Interesse finden.« Wolfgang Semmler, Das Historisch-Politische Buch, 04.11.2019
Autorentext
Steffen Runkel war wiss. Mitarbeiter an der Universität Hannover.
Leseprobe
Einleitung Fanny Smith und sechs weitere Petentinnen in Cape Coast, Akoley Ankrah und ihre Mitstreiterinnen in Accra, James Hutton Brew in London. Was verband sie und die vielen weiteren Frauen und Männern miteinander, die zwischen 1841 und 1897 und noch darüber hinaus von der Goldküste und aus Übersee Petitionen und Briefe an das Colonial Office in London richteten und darin die Emanzipationsfrage sowie ihre eigene Stellung im kolonialen System thematisierten? Viele von ihnen waren Sklavenbesitzerinnen und -besitzer und definierten für sich und andere die lokalen Abhängigkeitsverhältnisse mit eigenen gesellschaftlichen und moralischen Maßstäben. Sie alle waren Bewohnerinnen und Bewohner des britischen Protektoratsgebietes und ab 1874 der britischen Kronkolonie Goldküste oder stammten von dort und mussten sich dadurch mit kolonialen Stereotypen von Sklaverei sowie aufoktroyierten Emanzipationsvorgaben auseinandersetzen. Sie alle waren somit aber zugleich auch im kolonialen Sinne "Afrikaner" und erfuhren als solche unabhängig von ihrer sozialen Stellung, ihrer Bildung und ihrer familiären Herkunft in zunehmendem Maße ihre eigene Degradierung zu Kolonisierten. Auch dies bedeutete für sie Sklaverei. Prägnant formulieren Frederick Cooper, Thomas Holt und Rebecca Scott in der Einleitung ihrer Studie Beyond Slavery: "A definition of slavery is in some sense necessarily timeless, but slavery was experienced in time; in other words, it has in each instance a history. And those histories, in turn, though unfolding in different parts of the world, were not separate, and they certainly were not equal." Betrachtet man die vorangestellten Zitate, dann ist zu erkennen, welche Relevanz diese Aussage im Bezug auf die Emanzipationsfrage auch für die Goldküste und die von hier aus agierenden Frauen und Männer besaß. In diesem Spannungsfeld der Ambivalenz zwischen der eigenen Beschäftigung mit der Emanzipationsfrage, der politischen Instrumentalisierung dieser Frage durch koloniale Akteure sowie des lokalen Widerstandes gegen diese rassistisch motivierte Willkür ist Von Sklaverei und Freiheit situiert. Es ist hinlänglich bekannt, dass nach der Abolition des transatlantischen Sklavenhandels durch Großbritannien im Jahr 1807 das 19. Jahrhundert in Afrika selbst geprägt war von der zunehmenden Kolonisierung durch europäische Staaten. Der Übergang von der atlantischen zur kolonialen Ära ging einher mit einem rassistisch motivierten Überlegenheitsanspruch, der als Rechtfertigung dafür diente, die lokale Bevölkerung als Kolonisierte zu subordinieren. Zugleich ließen lokale Akteure diese Entwicklungen nicht passiv geschehen, sondern reagierten hierauf und protestierten gegen diese Willkür und ihre Entrechtung. Sie begannen, sich als Afrikaner zu verstehen und als solche vereint ihre Position innerhalb des kolonialen Gefüges neu definieren und gestalten zu wollen. An der Goldküste stehen die 1897 gegründete Aborigines' Rights Protection Society (ARPS) sowie die führende Rolle lokaler Politiker wie Joseph Ephraim Casely Hayford in der panafrikanischen Bewegung zu Beginn des 20. Jahrhunderts für diese Entwicklung. Neben den Forschungen Albert Adu Boahens, Evelyn Rowands und Robert W. Julys haben in jüngerer Zeit Historiker wie Toyin Falola und Philip Zachernuk dieser Entwicklung gewichtige Werke gewidmet, welche die Elitenforschung prägen. Für das Gebiet der Goldküste sind hier die opulente Studie von David Kimble aus dem Jahr 1963 sowie Francis Agbodekas bahnbrechende Arbeit zu lokalen Protestformen gegen die britische Kolonialherrschaft aus dem Jahr 1971 als Standardwerke zu nennen. Zugleich wird die Transformation von Sklaverei in Westafrika im 19. Jahrhundert spätestens seit der gleichnamigen Studie Paul Lovejoys von 1983 sowie dem 1988 von Suzanne Miers und Richard Roberts herausgegebenen Sammelband The End of Slavery in Africa in der Historiographie als verflochtene Interaktionsgeschichte zwischen lokalen und europäischen Akteursgruppen begriffen. Diese und zahlreiche weitere Überblickswerke und Regionalstudien zeigen, wie abgeneigt und unfähig die Kolonialadministrationen waren, lokalen Formen von Sklaverei aktiv zu begegnen - aller nach außen vorgetragenen Emanzipationsrhetorik zum Trotz. Sie belegen die enge Zusammenarbeit zwischen kolonialen Offiziellen und sklavenbesitzenden Eliten, die gemeinsam die Mär einer milden Haussklaverei verbreiteten. Sie fokussieren andererseits in zunehmendem Maße die Initiativen von Sklavinnen und Sklaven und versuchen, deren Stimmen aus dem vorhandenen Quellenmaterial zu extrapolieren. So ist in den vergangenen Jahrzehnten ein Konsens darüber entstanden, dass die zunehmende koloniale Durchdringung Afrikas verbunden war mit einer Zunahme lokaler Abhängigkeitsverhältnisse und Formen (kolonialer) Zwangsarbeit sowie ihrer politischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Nutzung durch lokale und koloniale Akteure. Lovejoy und Jan Hogendorn hat dies in ihrer 1993 erschienenen Untersuchung über die Abolition der Sklaverei im Kalifat von Sokoto bezeichnenderweise vom titelgebenden Slow Death for Slavery sprechen lassen. Wie anhaltend das Interesse an dieser Thematik ist, zeigt allein für den Bereich der Ghana Studies eine Reihe aktueller Panel und Veröffentlichungen, zuletzt der 2017 von Rebecca Shumway und Trevor Getz herausgegebene Sammelband Slavery and its Legacy in Ghana and the Diaspora. Indes fehlt es an systematischen Untersuchungen, die dezidiert lokale Perspektiven auf die Abolitionsthematik in den Blick nehmen und sie in Verbindung setzen zu den - bekannten - politischen Meinungsäußerungen oftmals selbst sklavenbesitzender lokaler Eliten und Meinungsführer. Es fehlen ebenfalls Studien über die Reichweite lokaler Diskurse und die wechselseitigen Beeinflussungen lokaler und kolonialer Akteure in der Emanzipationsfrage. Es fehlen schließlich auch Antworten auf die Frage, wie sich die Forderungen nach der Freisetzung von der Kolonialherrschaft mit der Haltung lokaler Meinungsführer zu und ihrem Umgang mit Sklaverei vertrug. Hinsichtlich der Erklärbarkeit und der Bewertung der Verantwortlichkeiten des langsamen Endes der Sklaverei in Afrika ist dies ein beachtliches Desiderat. Zwar stellt Cooper in seinem Beitrag zu oben genannter Studie auf allgemeiner Ebene bereits eine Verbindung zwischen Sklaverei, Formen kolonialer Zwangsarbeit und dem europäischen Imperialismus in Afrika her, gleichwohl fehlt der Nachweis dieses Postulats im Einzelfall. Im Dunkeln bleibt so weitestgehend, wie, wann, wo und warum lokale Akteure die Emanzipationsfrage politi…