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Im vergangenen 20. Jahrhundert konstatierte Jean-François Lyotard das "Ende der großen Erzählungen", Francis Fukuyama sprach sogar vom "Ende der Geschichte". Vor diesem Hintergrund erscheint die ohnehin umstrittene Geschichtsphilosophie mit ihren Fragen nach dem Verlauf, nach Subjekten, Gesetzmäßigkeiten oder einem Sinn des historischen Prozesses obsolet. Im Gegensatz dazu argumentiert Peggy H. Breitenstein für eine methodologisch reflektierte, kritische Geschichtsphilosophie. In Auseinandersetzung mit Theodor W. Adorno und Michel Foucault zeigt sie, dass eine philosophische Deutung der eigendynamischen geschichtlichen Prozesse, die zur konkreten Ausgestaltung heutiger sozialer Praktiken, Institutionen und Wertvorstellungen geführt haben, für das Verständnis und die Kritik der gegenwärtigen Gesellschaft wesentlich ist.
Im vergangenen 20. Jahrhundert konstatierte Jean-François Lyotard das »Ende der großen Erzählungen«, Francis Fukuyama sprach sogar vom »Ende der Geschichte«. Vor diesem Hintergrund erscheint die ohnehin umstrittene Geschichtsphilosophie mit ihren Fragen nach dem Verlauf, nach Subjekten, Gesetzmäßigkeiten oder einem Sinn des historischen Prozesses obsolet. Im Gegensatz dazu argumentiert Peggy H. Breitenstein für eine methodologisch reflektierte, kritische Geschichtsphilosophie. In Auseinandersetzung mit Theodor W. Adorno und Michel Foucault zeigt sie, dass eine philosophische Deutung der eigendynamischen geschichtlichen Prozesse, die zur konkreten Ausgestaltung heutiger sozialer Praktiken, Institutionen und Wertvorstellungen geführt haben, für das Verständnis und die Kritik der gegenwärtigen Gesellschaft wesentlich ist.
"Breitenstein deckt ein riesiges Feld an Primär- und Sekundärliteratur ab. Das Buch empfiehlt sich deshalb vor allem für Fortgeschrittene, die an einer unkonventionellen Perspektive auf Adorno und Foucault interessiert sind.", pw-portal.de, 05.09.2013
Autorentext
Peggy H. Breitenstein, Dr. phil., ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Philosophie der Philipps-Universität Marburg.
Leseprobe
Dieses Buch versteht sich als Beitrag zu einer materialen Geschichtsphilosophie, die sich innerhalb der praktischen Philosophie und hier wiederum in besonderer Nähe zu einer kritischen Sozialphilosophie verorten lässt. Nun sind Veröffentlichungen zum Thema "Geschichtsphilosophie" jedoch von vornherein einer tiefgreifenden Skepsis ausgesetzt: Obwohl die Zahl der ihr gewidmeten Publikationen gerade in den beiden letzten Jahrzehnten zugenommen hat, ist diese Disziplin heute noch ebenso umstritten, wie sie es zur Zeit ihrer Etablierung innerhalb der Philosophie war. Das hat sowohl gute als auch weniger gute Gründe, zu denen eingangs knapp Stellung bezogen werden soll, bevor die Grenzen der gegenwärtigen materialen Geschichtsphilosophie (I.1), der Anspruch einer kritischen materialen Geschichtsphilosophie (I.2) sowie Ziel und Aufbau (I.3) der vorliegenden Abhandlung erläutert werden. Derartige Stellungnahmen stehen Arbeiten, die sich mit dieser philosophischen Teildisziplin befassen, gewöhnlich voran, verbunden zumeist mit einer grundsätzlichen Klärung, was denn überhaupt "Geschichtsphilosophie" heißen soll. Mit dieser Frage aber beginnen bereits die Kontroversen, handelt es sich doch um einen zwar noch nicht sehr alten - Voltaire sprach 1765 erstmals von philosophie de l'histoire -, jedoch um so vieldeutigeren Begriff, der für recht verschiedene philosophische und nichtphilosophische Fragestellungen, für implizite wie explizite Annahmen oder Prämissen, für Deutungen und Argumentationsmuster steht und der zudem zuweilen wohlwollend, zuweilen disqualifizierend gebraucht wird. Entsprechend gibt es mittlerweile verschiedene Typologien, die diese Vieldeutigkeit systematisch zu ordnen versuchen (vgl. Marquard 1973a: 14; Lembeck 2000: 9; Baumgartner 1996: 158; Zwenger 2008: 14 ff.; Breitenstein 2011). Allgemein anerkannt ist zunächst, dass der Terminus "Geschichtsphilosophie" einen "weiten" und einen "engen" Bedeutungsgehalt hat. Der weite Bedeutungsgehalt lässt sich anhand ihres Gegenstandes erläutern und zugleich differenzieren: Objekt der Geschichtsphilosophie, das heißt Gegenstand ihrer Reflexion, ist (die) Geschichte. Der Begriff "Geschichte" selbst aber hat, ob er im Singular oder Plural gebraucht wird, zwei Grundbedeutungen: Er bezeichnet einerseits das vergangene Geschehen selbst (res gestae), Ereignisse und Prozesse, andererseits die von diesem Geschehen zeugende Kunde (historia rerum gestarum), die wiederum auf die Erinnerung an dieses Geschehen (rerum gestarum memoria) verweist. Dieser weiten Bedeutung von "Geschichte" entsprechend werden gewöhnlich auch innerhalb der Geschichtsphilosophie zwei Richtungen von Fragestellungen unterschieden: die nach dem vergangenen Geschehen selbst (materiale Fragen) und die nach dem Wissen von der Vergangenheit (formale Fragen). Materiale Geschichtsphilosophie thematisiert Geschichte als umfassenden historischen Prozess, bemüht sich um dessen Deutung, fragt nach Akteuren, Faktoren, Strukturen, Regelmäßigkeiten, Kontinuitäten und Verlaufsmodellen sowie durchaus auch nach Sinn und Bedeutung für den Menschen. Formale Geschichtsphilosophie fragt nach der Konstitution des Wissens von Geschichte, umfasst damit einerseits philosophische Erkenntnistheorie dieses Wissens, andererseits die Methodologie der historischen Wissenschaften, die als "Geschichts(wissenschafts)theorie" auch Teildisziplin der Geschichtswissenschaft selbst sein kann (vgl. Mandelbaum 1952: 317 ff.; Acham 1974: 19). Die engere Bedeutung des Begriffs - und der bekannte Klageruf von den "Schwierigkeiten mit der Geschichtsphilosophie" bezieht sich auf diese - meint eine spezifische historische Ausprägung oder Formation: die sogenannte "klassische Geschichtsphilosophie". Sie hatte sich in der Zeit der Aufklärung, seit Mitte des 18. Jahrhunderts herausgebildet, verlor jedoch bereits 100 Jahre später an Einfluss; als ihre exemplarischen Vertreter gelten so verschiedene Philosophen wie Turgot, Condorcet, Kant, Hegel, Comte und Marx (vgl. Angehrn 1991: 9; Gil 1999: 19 ff.; Rohbeck 2003: 309). Innerhalb des weiten Begriffs kann die klassische der materialen Geschichtsphilosophie zugeordnet werden, unternahm sie es doch, den - häufig Vergangenheit und Zukunft umfassenden - "historischen Gesamtprozess" zu deuten und zu erklären. Dessen Verlauf wurde allerdings seit der Aufklärung nicht mehr auf göttliches Eingreifen zurückgeführt, sondern sollte aufgrund vernünftig einsehbarer Prinzipien erklärt werden. Die klassische Geschichtsphilosophie formierte sich - obgleich nicht immer konsequent - als philosophische Disziplin gegen die Geschichtstheologie von Augustinus bis Bossuet. Diese nicht zu leugnende genetische Abhängigkeit wurde ihr allerdings im Nachhinein zum Vorwurf gemacht. Vor allem Vertreter der "Säkularisierungsthese" monierten immer wieder, die Aufklärer hätten lediglich "die Vernunft" an die Stelle Gottes gesetzt und damit den Menschen oder auch die Menschheit zum Akteur und Lenker der Geschichte erklärt; systematisch bleibe die Geschichtsphilosophie der Geschichtstheologie verpflichtet, selbst wenn der "Glaube an den Fortschritt [] den an die Vorsehung ersetzt" (Löwith 1979 Ernsthafte, gar wissenschaftliche Ansprüche könne diese Disziplin daher nie vertreten, sondern sie sei nach wie vor nur als Eschatologie möglich (vgl. Theunissen 1969: 39 f.). Die Einwände richten sich jedoch nicht nur gegen metaphysische Überbleibsel, sondern auch gegen ideologische Implikationen: In der klassischen Geschichtsphilosophie werde die Allmacht Gottes auf den Menschen übertragen: Sie sei - so bringt dann Odo Marquard eine verbreitete Ansicht auf den Punkt - entstanden als "Theodizee durch Autonomie", der entsprechend die Forder…
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