Tiefpreis
CHF30.70
Auslieferung erfolgt in der Regel innert 5 bis 7 Werktagen.
Warum der Mensch sich seinen Gott und seine Götter erdenken muß, erläutert Pascal Boyer in einer glänzenden Studie, die einen Bogen von der Hirnforschung über die Neurobiologie zur Sprachforschung, Psychologie, Evolutionsforschung bis hin zu den Religionswissenschaften schlägt.
Gott und Götter ermöglichen die Sinngebung des oft scheinbar Sinnlosen. Das menschliche Vertrauen darauf spiegelt sich in der Bedeutung, wie unverzichtbar die sozialen und kommunikativen Aufgaben der Religionen waren und sind. Und zwar auch dann, wenn Arbeit, Geld, Ideologie, Nation oder Sport die sehr weltlichen
Rollen von Religionen übernommen haben. Gäbe es Gott und Götter nicht, man müßte sie erfinden, aber die dazugehörigen Religionen von Grund auf verändern, so die These von Pascal Boyer. Sicher ist jedenfalls, daß das 21. Jahrhundert durch die Religionen in Atem gehalten wird.
Autorentext
Pascal Boyer, französischer Abstammung, ist Religionsphilosoph.Boyer unterrichtete an englischen Colleges und hat Lehraufträge in den USA und einen Forschungsauftrag am Institut für Kognitive Wissenschaft in Lyon, Frankreich.
Leseprobe
1. Was ist der Ursprung?
Ein Dorfnachbar sagt mir, ich solle mich vor Hexen schützen. Sie könnten mich sonst mit unsichtbaren Pfeilen beschießen, die in meine Adern eindringen und mein Blut vergiften.
Ein Schamane verbrennt Tabakblätter vor einer Reihe kleiner Figuren und spricht mit ihnen. Er sagt ihnen, er müsse sie auf eine Reise in abgelegene Dörfer im Himmel schicken. Das Ganze diene dem Zweck, jemanden zu heilen, dessen Seele von unsichtbaren Geistern gefangen gehalten werde.
Eine Gruppe von Gläubigen zieht über Land und warnt jeden vor dem bevorstehenden Ende. Als Tag des Jüngsten Gerichts sei der 2. Oktober bestimmt. Der Tag kommt, und nichts passiert. Trotzdem reden sie weiter davon, das Ende sei nahe (nur das Datum habe sich geändert).
Dorfbewohner veranstalten eine Zeremonie, um einer Göttin kundzutun, sie sei im Dorf nicht länger erwünscht. Sie habe sie nicht vor Epidemien bewahren können, und daher hätten sie beschlossen, sie zu »verstoßen« und sich nach einem tüchtigeren Ersatz umzusehen.
Eine Versammlung von Priestern findet es beleidigend, was manche Menschen über ein Ereignis sagen, das sich Jahrhunderte zuvor an einem weit entfernten Ort zugetragen hat, wo eine Jungfrau angeblich ein Kind gebar. Deshalb haben diese Menschen den Tod verdient.
Die Anhänger eines Inselkults beschließen, ihren gesamten Viehbestand zu töten und ihre Erntevorräte zu verbrennen. Sie brauchen diese Dinge nicht mehr, sagen sie, weil bald, als Belohnung für ihre guten Taten, ein Schiff beladen mit Gütern und Geld an ihrer Küste landen werde.
Meine Freunde werden angehalten, in die Kirche oder an irgendeinen anderen ruhigen Platz zu gehen, um mit einem Unsichtbaren zu sprechen, der überall in der Welt zugegen sei. Dieser unsichtbare Zuhörer wisse schon, was sie sagen würden, weil ER nämlich alles wisse.
Man klärt mich auf, ich müsse, wenn ich mächtigen Toten - die mir in Notzeiten würden helfen können - huldigen wolle, das Blut einer weißen Ziege über der rechten Seite eines bestimmten Felsens hingießen. Mit einer Ziege anderer Farbe oder an einem anderen Felsen werde es allerdings nicht funktionieren.
Der Leser mag versucht sein, diese kurzen Skizzen als eine Hand voll Beispiele aus der endlosen Galerie menschlicher Torheiten abzutun, und es dabei belassen. Womöglich sieht er aber auch in diesen knappen, wenngleich unendlich erweiterbaren Beschreibungen Zeugnisse einer faszinierenden Fähigkeit des Menschen, die Welt und das Leben zu begreifen. Ob er so oder so reagiert, in jedem Fall bleiben einige Fragen offen. Warum haben die Menschen solche Gedanken? Was bringt sie dazu, so etwas zu tun? Warum hängen sie so unterschiedlichen Glaubensvorstellungen an? Warum ist die Bindung an ihren jeweiligen Glauben so stark? Fragen wie diese wurden, um hier eine Unterscheidung Noam Chomskys aufzugreifen, bislang als Mysterium eingestuft (wir wussten nicht einmal, wie wir damit umgehen sollten), mittlerweile sind sie zu Forschungsaufgabe geworden (immerhin haben wir eine Ahnung, wie eine Lösung aussehen könnte). Wir verfügen sogar schon über erste Ansätze einer solchen Lösung. Sollte das dünkelhaft oder überheblich klingen, so will ich rasch hinzufügen, dass sich dieses »wir« tatsächlich auf einen Kreis von Menschen bezieht - und nicht etwa ich eine neue Theorie habe und diese gar für allgemein verbindlich halte. Ich werde im Verlauf dieses Buches auf diverse Forschungsergebnisse und Denkmodelle aus der Kognitionspsychologie, der Ethnologie, der Linguistik und der Evolutionsbiologie zu sprechen kommen, die allesamt von anderen Autoren stammen. Die meisten von ihnen haben gar nicht auf dem Gebiet der Religion gearbeitet, und sie ahnten auch nicht, dass ihre Befunde der Aufklärung über das Phänomen der Religion dienlich sein könnten. Und obwohl die Bücherregale von Abhandlungen zur Religion und Religionsgeschichte, zu den Glaubensvorstellungen religiöser Menschen und ähnlichen Themen überquellen, halte ich es für sinnvoll, all dem etwas hinzuzufügen. Ich werde in diesem Buch zeigen, dass das ehemals undurchdringliche Mysterium Religion mittlerweile nichts weiter ist als eine erhebliche Anzahl schwieriger, aber lösbarer Probleme.
Inhalt
Inhalt
Danksagung
1 Was ist der Ursprung?
2 Wie sind die Vorstellungen vom Übernatürlichen beschaffen?
3 Wie komplex muss unser Gehirn sein?
4 Wozu Götter und Geister?
5 Warum kommt Göttern und Geistern Bedeutung zu?
6 Warum geht es in der Religion um den Tod?
7 Warum Rituale?
8 Warum Lehre, Ausgrenzung und Gewalt?
9 Warum glauben wir?
Lektüreempfehlungen
Anmerkungen
Literaturverzeichnis
Register