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"Michael Robothams Thrillerreihe um den an Parkinson erkrankten Psychotherapeuten Joe O'Loughlin ist ultraspannend." Sebastian Fitzek
Auf der Clifton Bridge in Bristol steht eine nackte Frau, ein Handy am Ohr. Sie wirkt ferngesteuert, willenlos und springt in den Tod. Wurde die Frau von ihrem Anrufer in den Selbstmord getrieben? Als eine Freundin der Toten erfroren aufgefunden wird, unbekleidet und mit einem Handy zu ihren Füßen, versteht Psychotherapeut Joe O'Loughlin, dass hier ein Experte für Menschenmanipulation am Werk sein muss. Gemeinsam mit Detective Inspector Vincent Ruiz versucht er dem Seelenbrecher auf die Spur zu kommen und ahnt nicht, dass er selbst bereits ins Visier des Mörders geraten ist Der vierte Band der Erfolgsserie um den Psychologen Joe O'Loughlin.
Autorentext
Michael Robotham wurde 1960 in New South Wales, Australien, geboren. Er war lange als Journalist tätig, bevor er sich ganz der Schriftstellerei widmete. Mit seinen Romanen stürmt er regelmäßig die Bestsellerlisten und wurde bereits mit mehreren Preisen geehrt, unter anderem mit dem renommierten Gold Dagger. Michael Robotham lebt mit seiner Familie in Sydney.
Leseprobe
Es ist elf Uhr morgens, Ende September, und es regnet so heftig, dass Kühe in den Flüssen treiben und Vögel auf den aufgeblähten Kadavern hocken.
Der Hörsaal ist voll. Zwischen den Treppen zu beiden Seiten des Raums erstrecken sich ansteigende Sitzreihen, so hoch, bis sie sich in der Dunkelheit verlieren. Mein Auditorium sieht blass aus, ernst, jung und verkatert. Die Orientierungswoche mit ihren zahlreichen Erstsemesterpartys ist in vollem Gange, und viele der Anwesenden haben offenbar heftig mit sich gerungen, ob sie heute zu den Vorlesungen kommen oder wieder ins Bett gehen sollten. Vor einem Jahr haben sie noch Teenie-Filme geschaut und mit Popcorn gekrümelt. Jetzt leben sie weit weg von zu Hause, betrinken sich mit subventioniertem Alkohol und sind gespannt darauf, etwas zu lernen.
Ich betrete das Podium und klammere mich mit beiden Händen am Rednerpult fest, als hätte ich Angst umzufallen.
»Mein Name ist Joseph O'Loughlin. Ich bin klinischer Psychologe und werde Sie durch diesen Einführungskurs in die Verhaltenspsychologie begleiten.«
Ich mache eine Pause und blinzele in die Lichter. Ich hätte nicht gedacht, dass es mich nervös machen würde, wieder zu lehren, aber plötzlich zweifle ich daran, irgendetwas Wissenswertes vermitteln zu können. Ich habe noch Bruno Kaufmans Rat im Ohr. (Bruno ist der Chef des psychologischen Instituts der Universität und mit einem perfekten teutonischen Namen für diese Position ausgestattet.) »Nichts von dem, was wir ihnen beibringen, nützt ihnen in der wirklichen Welt irgendwas, alter Junge«, hat er gesagt. »Unsere Aufgabe besteht lediglich darin, ihnen ein Bluffometer an die Hand zu geben.«
»Ein was?«
»Wenn sie fleißig sind und ein bisschen was kapieren, lernen sie zu erkennen, ob ihnen jemand kompletten Schwachsinn erzählt.«
Bruno hatte gelacht, und ich hatte unwillkürlich eingestimmt.
»Geh es locker an«, fügte er hinzu. »Noch sind sie sauber, munter und wohlgenährt. In einem Jahr reden sie dich mit Vornamen an und denken, sie wüssten alles.«
Wie soll ich es locker angehen?, will ich ihn jetzt fragen. Ich bin doch selbst ein Novize. Ich atme tief ein und beginne.
»Warum steuert ein eloquenter Hochschulabsolvent, der Stadtplanung studiert hat, ein Passagierflugzeug in einen Wolkenkratzer und tötet Tausende von Menschen? Warum schießt ein Junge im Teenageralter auf einem Schulhof wahllos um sich, oder warum bringt ein minderjähriges Mädchen in einer Toilette ein Baby zur Welt und lässt es im Mülleimer liegen?«
Schweigen.
»Wie hat sich ein unbehaarter Primat zu einer Spezies entwickelt, die Atomwaffen konstruiert, sich Big Brother anschaut und fragt, was es bedeutet, ein Mensch zu sein, und wie wir hier hergekommen sind? Warum weinen wir? Warum sind manche Witze komisch? Warum neigen wir dazu, an Gott zu glauben oder auch nicht? Warum erregt es uns, wenn jemand an unseren Zehen nuckelt? Warum haben wir Probleme, uns an manche Dinge zu erinnern, während wir einen nervtötenden Britney- Spears-Song nicht mehr aus dem Kopf bekommen? Was bewegt uns, zu lieben oder zu hassen? Und nicht zuletzt: Warum sind wir alle so verschieden?«
Ich blicke in die Gesichter in den vorderen Reihen. Ich habe ihre Aufmerksamkeit gewonnen, zumindest für einen Moment.
»Wir Menschen beschäftigen uns nun schon seit Tausenden von Jahren mit uns selbst, entwickeln zahllose Theorien und Philosophien, erschaffen erstaunliche Meisterwerke der Kunst, der Technik und originelle Gedankengebäude; aber in all der Zeit haben wir ungefähr so viel gelernt.« Mit Daumen und Zeigefinger deute ich einen Zentimeter an.
»Sie sind hier, um Psychologie zu studieren - die Wissenschaft von der menschlichen Seele; die Wissenschaft, die sich mit Erkenntnis, Glauben, Gefühl und Begehren befasst, die unverstandenste Wissenschaft von allen.«
Mein herabhängender linker Arm zittert.
»Haben Sie das gesehen?«, frage ich und hebe den anstößigen Arm. »Das macht er gelegentlich. Manchmal denke ich, er habe einen eigenen Willen, aber das ist natürlich unmöglich. Unser Wille wohnt nicht in einem Arm oder Bein.
Hier ist meine erste Frage: Eine Frau kommt in eine Klinik. Sie ist mittleren Alters, gebildet, redegewandt und gut gekleidet. Plötzlich schnellt ihr linker Arm hoch, und ihre Finger krallen sich um ihren Hals. Ihr Gesicht läuft rot an. Ihre Augen treten hervor. Sie wird gewürgt. Und dann kommt ihre rechte Hand zu ihrer Rettung. Sie schält die Finger der linken von ihrem Hals und drückt die Hand wieder an die Seite. Was sollte ich tun?«
Schweigen.
Ein Mädchen in der ersten Reihe hebt nervös den Arm. Sie hat kurze rotblonde Haare, die sich federngleich um ihren glatten Nacken schmiegen. »Eine detaillierte Krankengeschichte aufnehmen?«
»Das ist bereits geschehen. Sie hat keine Vorgeschichte psychischer Erkrankungen.«
Eine weitere Hand geht hoch. »Es ist ein Fall von selbstverletzendem Verhalten.«
»Offensichtlich, aber sie erwürgt sich nicht freiwillig. Es geschieht ungewollt. Ist beunruhigend. Sie sucht Hilfe.«
Ein Mädchen mit dick getuschten Wimpern streicht mit einer Hand ihre Haare hinters Ohr. »Vielleicht hat sie Suizidneigungen.«
»Ihre linke Hand ja. Ihre rechte Hand ist aber offensichtlich anderer Ansicht. Es ist wie in einem Monty-Python-Sketch. Manchmal muss sie sich auf ihre linke Hand setzen, um sie unter Kontrolle zu halten.«
»Ist sie depressiv?«, fragt ein Junge mit Zigeunerohrring und Gel im Haar.
»Nein. Sie hat Angst, aber sie kann auch den komischen Aspekt ihrer Lage erkennen. Es kommt ihr lächerlich vor. Trotzdem erwägt sie in ihren schlimmsten Momenten eine Amputation. Was, wenn ihre linke Hand sie in der Nacht erwürgt, während ihre rechte Hand schläft?«
»Ein Hirnschaden?«
»Es gibt keine erkennbaren neurologischen Defekte - keine Lähmung oder übertriebene Reflexe.«
Die Stille dehnt sich und steigt über unseren Köpfen auf, wo sie sich wie Spinnwebenfäden in der warmen Luft bewegt.
Eine Stimme aus der Dunkelheit füllt das Vakuum. »Sie hatte einen Schlaganfall.«
Ich erkenne die Stimme. Bruno macht an meinem ersten Tag einen kleinen Kontrollbesuch. Ich kann sein Gesicht in der Dunkelheit nicht sehen, aber ich weiß, dass er lächelt.
»Geben Sie diesem Mann eine Zigarre«, erkläre ich.
Das eifrige Mädchen in der ersten Reihe schmollt. »Aber Sie haben gesagt, es läge kein Hirnschaden vor.«
»Ich sagte, es gäbe keine erkennbaren neurologischen Defekte. Diese Frau hat einen leichten Schlaganfall in der rechten Gehirnhälfte erlitten, in einem Bereich, der für die Emotionen zuständig ist. Normalerweise kommunizieren unsere beiden Gehirnhälften miteinander und kommen zu einer Übereinkunft, was jedoch in diesem Fall nicht geschah. So musste ihr Gehirn ein…