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Wut hat eine Botschaft
Wir fühlen die Wut, wenn sie uns überfällt. Unser Gesicht läuft rot an, der Blickwinkel verengt sich, der Herzschlag nimmt zu und wir werden von beurteilenden Gedanken überflutet. Unsere Wut wurde ausgelöst und gleich werden wir etwas sagen, das alles noch viel schlimmer macht. Doch es gibt eine Alternative. In der Gewaltfreien Kommunikation lernen wir, dass Wut einem ganz bestimmten lebensbereichernden Zweck dient. Sie ist ein Alarmsignal dafür, dass wir von dem, was wir wertschätzen, getrennt sind und daß unsere Bedürfnisse nicht erfüllt werden. Es kann also nicht darum gehen, die Wut in den Griff zu bekommen, indem wir Gefühle unterdrücken oder dass wir andere anbrüllen, um unsere Beurteilungen loszuwerden. Marshall Rosenberg zeigt, wie wir mit Hilfe unserer Wut unsere Bedürfnisse entdecken und wie wir sie auf konstruktive Weise erfüllen können.
Autorentext
Dr. Marshall B. Rosenberg ist international bekannt als Konfliktmediator und Gründer des Center for Nonviolent Communication (CNVC) in den USA. Die von ihm entwickelte Methode der Gewaltfreien Kommunikation hat sich als machtvolles Werkzeug herausgestellt, um Differenzen auf persönlichem, beruflichem und politischem Gebiet friedlich zu lösen. In den letzten 40 Jahren hat Marshall Rosenberg die Gewaltfreie Kommunikation in mehr als zwei Dutzend Ländern an Ausbilder, Schüler, Studenten, Eltern, Manager, medizinisches und psychologisches Fachpersonal, Militärs, Friedensaktivisten, Anwälte, Gefangene, Polizisten und Geistliche weitergegeben.
Leseprobe
Die Auslöser erkennen, die zu Wut und Ärger führen Es gibt vier Möglichkeiten, die Auslöser von Wut und Ärger zu erkennen. Nehmen wir den Fall der Gefängnisverwaltung, die drei Wochen lang nicht auf den Antrag des Gefangenen reagiert hatte. Er könnte (als erste Möglichkeit) dies persönlich genommen und als Ablehnung aufgefasst haben. In diesem Fall wäre er aber nicht wütend geworden. Vielleicht hätte er sich mutlos gefühlt oder hätte Schmerz empfunden, aber keinen Ärger. Er hätte (als zweite Möglichkeit) auch in sich hineinhorchen und dabei erkennen können, welches seine Bedürfnisse waren. Wenn wir uns gedanklich unmittelbar auf unsere Bedürfnisse konzentrieren, werden wir sie wahrscheinlich auch erfüllt bekommen - wenn wir das wirklich wollen. Hätte er sich von Anfang an auf seine Bedürfnisse konzentriert, so wäre er wiederum nicht wütend gewesen, wie wir später noch sehen werden. Es stellte sich heraus, dass er verängstigt war, als er seine Bedürfnisse erkannte. Oder eine andere, dritte Möglichkeit: Wir könnten die Dinge im Hinblick darauf betrachten, welche Bedürfnisse sich die andere Seite gerade erfüllen wollte und sich so verhalten hat, wie sie es getan hat. Diese Art des Verständnisses für die Bedürfnisse anderer Menschen macht uns nicht wütend oder ärgerlich. Wenn wir aber so unmittelbar mit den Bedürfnissen eines anderen Menschen verbunden sind - wenn wir also die Bedürfnisse der anderen wirklich verstehen - sind wir nicht in engem Kontakt mit unseren eigenen Gefühlen. In diesem Moment liegt unsere volle Aufmerksamkeit bei der anderen Person. Die vierte Möglichkeit die Dinge zu betrachten besteht darin, uns bewusst zu werden, dass wir in Begriffen denken, die das Handeln anderer Menschen analysieren und sie als fehlerhaft abstempeln. Wenn wir der Wut auf den Grund gehen, werden wir immer auf solche Gedanken stoßen. Wann immer wir uns verärgert fühlen, empfehlen wir in der GFK, zunächst zu uns selbst zu sagen: "Ich bin verärgert, weil ich zu mir selbst sage...", und dass wir dann nach den lebensentfremdenden Gedanken forschen, die sich in unseren Köpfen ausbreiten und die die Ursache von Wut und Ärger sind. Zurück zum Fall des Gefängnisinsassen: Er hatte mir also gerade erklärt, dass er wütend war und der Auslöser für seinen Ärger das dreiwöchige Ausbleiben einer Antwort von der Gefängnisverwaltung auf sein Gesuch war. Ich bat ihn nun, nach innen zu schauen und mir zu erklären, was die Ursache seines Ärgers war. Er schien verwirrt und er sagte: "Ich habe Ihnen doch jetzt gerade erklärt, warum ich wütend bin. Ich habe vor drei Wochen ein Gesuch an die Verwaltung gestellt und die hat noch immer nicht reagiert." Ich erklärte ihm: "Das, was Sie mir jetzt erzählt haben, das war der Auslöser für Ihre Wut. In unseren vorhergehenden Sitzungen habe ich versucht aufzuzeigen, dass es nie ein Auslöser ist, der unsere Wut und unseren Ärger verursacht. Die Ursache liegt in dem, was wir brauchen - unseren unerfüllten Bedürfnissen. Deswegen möchte ich Sie bitten, mir zu sagen, wie Sie das Verhalten der Verwaltungsangestellten deuten. Dann können wir versuchen herauszufinden, was Sie veranlasst hat, sich zu ärgern." Er war für einen Moment sehr verwirrt. Und damit erging es ihm wie den meisten von uns: Er hatte nicht gelernt, sich bewusst zu machen, was sich in ihm abspielt, wenn er sich ärgert. So musste ich ihn dabei ein wenig unterstützen und ihm zeigen, wie man innehält und dann die Gedanken wahrnimmt, die immer im Zentrum von Wut und Ärger stehen. Kurze Zeit später sagte er: "Okay, ich sehe, was Sie meinen. Ich bin wütend, weil ich zu mir selbst sage, dass es nicht fair ist und dass es keine anständige Art und Weise ist, Menschen zu behandeln. Sie handeln so, als ob nur sie etwas wert sind und ich ein Nichts
Inhalt
Schritte zum Umgang mit unserer Wut und unserem Ärger Die Auslöser erkennen, die zu Wut und Ärger führen Zwischen Auslöser und Ursache unterscheiden Ein anschauliches Beispiel für den Unterschied zwischen Auslöser und Ursache Die Kenntnisse über unsere Bedürfnisse erweitern Bestrafung und Wut Gesprächsequenzen aus Seminaren Von der Philosophie über die Taktik zur Praxis Verständnis von anderen für unsere Gefühle und Bedürfnisse bekommen Die Urteilsshow in meinem Kopf genießen Wut - in mundgerechten Portionen