Tiefpreis
CHF38.35
Auslieferung erfolgt in der Regel innert 1 bis 2 Wochen.
Kein Rückgaberecht!
Folterszenen werden zunehmend Bestandteil US-amerikanischer Kriegs- und Terrorismusfilme. Opfer und Täter werden entweder US-amerikanisch oder islamisch-arabisch markiert. Maja Bächler zeigt am Beispiel von acht Filmen (von "The Little Drummer Girl" bis "Three Kings" und "Syriana"), wie dabei Helden, Feindbilder und Opfer konstruiert werden. Der verletzbare US-Held im Film symbolisiert dabei die verletzliche Nation bzw. das angreifbare Territorium, ein Mythos, der seit den Anschlägen vom 11. September 2001 immer mehr zu einem Bestandteil nationaler Narrative wird. So wird im Film der "Ausnahmezustand" inszeniert, durch den eine Bindung der Bevölkerung an eine imperiale Mission erfolgt. Sogar in kritischen Filmen wird Hollywood dadurch zu einem wichtigen Faktor für die Selbstdarstellung und Selbstlegitimation der USA als imperialem Akteur.
"Die sehr verständlich aufbereiteten Forschungskomplexe und die exakte Analyse der Filmbeispiele, welche ihrerseits in einen sehr präzisen historisch-politisch-gesellschaftlichen und filmgeschichtlichen Bezugsrahmen eingewoben wurden, lassen Maja Bächlers Untersuchungen zu einer unumgänglichen Bereicherung einer Literatur werden.", Medienimpulse, 23.12.2013
Autorentext
Maja Bächler, Dr. phil., promovierte an der Universität Potsdam und ist zurzeit wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Theorie der Politik an der HU Berlin.
Leseprobe
Annahmen über Ausnahmen Theoretische Annahmen über den Zustand der Ausnahme Ausnahmezustand und Performanz "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezu-stand, in dem wir leben, die Regel ist. Wir müssen zu einem Begriff der Geschich-te kommen, der dem entspricht. Dann wird uns als unsere Aufgabe die Herbeifüh-rung des wirklichen Ausnahmezustands vor Augen stehen; und dadurch wird unse-re Position im Kampf gegen den Faschismus sich verbessern. Dessen Chance be-steht nicht zuletzt darin, daß die Gegner ihm im Namen des Fortschritts als einer historischen Norm begegnen. - Das Staunen darüber, daß die Dinge, die wir erle-ben, im zwanzigsten Jahrhundert noch möglich sind, ist kein philosophisches. Es steht nicht am Anfang einer Erkenntnis, es sei denn der, daß die Vorstellung von Geschichte, aus der es stammt, nicht zu halten ist." Diese Worte bilden die achte These von Walter Benjamins kurzer Abhand-lung Über den Begriff der Geschichte - sie sind vor dem Hintergrund seiner Verfolgung im Nationalsozialismus und unter dem Eindruck totalitärer Systeme zu verstehen. Benjamin weist dem Begriff des Ausnahmezustands sowohl eine negative als auch eine positive Bedeutung zu. Er verwendet den Begriff des Ausnahmezustands, der die Regel ist, einerseits nicht nur für totalitäre Systeme, sondern für alle gesellschaftlichen Zustände, die von Unterdrückung geprägt sind. Seine Forderung nach einem "wirklichen Ausnahmezustand" will nicht die Wiederkehr von Totalitarismus und Ge-waltherrschaft heraufbeschwören, sondern sucht andererseits den Ausweg in der Neufassung eines "wirklichen Ausnahmezustands". Wie dieser ausse-hen kann oder soll, lässt Benjamin an dieser Stelle offen und auch in ande-ren Schriften finden sich nur wenige Hinweise, wie ein positiver Ausnah-mezustand geartet sein könnte. Die Menschen der so genannten "westlichen" Hemisphäre leben heute nicht in einer totalitären Diktatur, aber in einem permanenten Ausnahme-zustand aus Sicht der Unterdrückten, also nach Benjamin dem negativ be-setzten Ausnahmezustand. Ob es sich hierbei strenggenommen um einen Ausnahmezustand im staatsrechtlich-juristischen Sinne handelt, spielt keine Rolle, denn der permanente Ausnahmezustand Benjaminscher Prägung zeigt sich nicht allein in der sich verändernden Gesetzgebung, die einen stetigen Trend der Einschränkung von Freiheitsrechten unter dem vorge-stellten Primat der Sicherheit beinhaltet, sondern auch in der Aufrechter-haltung, Perpetuierung und Akkumulierung von Bedrohungsszenarien, die inszeniert sind. Das Primat der Sicherheit ist deswegen vorgestellt, weil ne-ben möglicherweise tatsächlich vorhandenen Bedrohungen, Szenarien he-raufbeschworen werden, für deren zukünftiges Eintreten kaum Anlass be-steht, die aber politisch dienlich sein können, um die Freiheitsrechte des de-mos zu beschneiden. Zur Verteidigung der Freiheit, die in der US-amerika-nischen Verfassung als eine der drei Grundlagen (life, liberty and the pursuit of happiness) steht, wird die gleiche Freiheit eingeschränkt, um sie vor ihren inneren und äußeren Feinden zu schützen. Dieses Paradoxon kann dem demos nur unter dem Vorbehalt der Ausnahme vermittelt werden. Die Wirkung der Diskurse der Macht, die den Ausnahmezustand prä-gen und herbeiführen, wird durch "ständige Wiederholungen" produziert, die Judith Butler Performativität nennt. Die Performativität determiniert die Identifikation mit der zugeschriebenen Geschlechtlichkeit (auf die But-ler verweist) ebenso, wie sie Gefühle zu bestimmten Subjekten oder Ob-jekten bewirken kann. "Performativität kann [] als jene Dimension be-griffen werden, in der das Subjekt in seine Realität eingepasst wird", das heißt ihre Wirkmacht geht weit über die Bestimmung von Geschlechter-verhältnissen hinaus. Folter im Film, die als Kulminationspunkt des Aus-nahmezustands aufgefasst werden kann, ist nicht real, sondern entspricht einer Performance. Dabei teilen sich Performativität und Performance nicht nur den Wortstamm, vielmehr vermittelt die Performance im Sinne einer Insze-nierung das, was performativ ist. Die Performativität beschreibt entspre-chend das Zusammenspiel prozessualer Sprechakte und/oder Handlungen, die Werte und Normen in Gesellschaften perpetuieren. Die Performance nun wird von Erika Fischer-Lichte mit den Aspekten Inszenierung, Korporali-tät und Wahrnehmung verbunden. Diese bestimmen bei ihr den Begriff der "Theatralität", der sich nicht nur auf die Theatralität im Theater selbst beziehen lässt, sondern hier auch auf die in-Szene-Setzung von Folter im Film. Dabei wird hier unter Performance die Darstellung von Körpern für andere Körper verstanden, die physisch interagieren. Dies ist in der Kino-inszenierung nicht in dem Maße vergleichbar, da die Filmschauspieler/in-nen nicht mehr auf Reaktionen der audiences reagieren können. Für das Fernsehen haben Udo Göttlich und Jörg-Uwe Nieland den Begriff der "prozessualen Medienperformanz" eingeführt und erweitert, der auch auf kinematographische Performances übertragbar ist. Die Idee der Medienper-formanz basiert auf Ansätzen aus den Cultural Studies und deutet an, dass die performative Rolle des Mediums darin besteht, die audiences in "beste-hende, dominante Wertesystem[e]" einzubinden, Taten "kultureller Reprä-sentanten" zu verherrlichen und damit eine Rückbindung der audiences an Wertesysteme zu ermöglichen sowie selbstkorrigierend Wandlungen aufzu-greifen. Damit gewährleisten Medien Aufklärung über kulturelle Zugehö-rigkeit und vermitteln Sicherheit durch das Wissen über dieselbe. Die Visualisierung der Folter im Film ist als performativer Prozess an-zusehen. In diesem Zusammenhang ist Inszenierung als Verwendung be-stimmter Zeichen und Kodes zu verstehen, durch die die Performances ihre Wirkmacht entfalten. Mit Korporalität wird auf den Modus der Darstellung durch Körper und Material verwiesen. Dabei hat Fischer-Lichte die Multi-plizität des Körpers herausgestrichen, die sich im Körper von Schau-spielern/innen in besonderem Maße widerspiegelt, denn diese verkörpern (Film-)Figuren unter Verwendung ihres eigenen Körpers, die damit zu se-miotischen Trägern von Kodes und Repräsentationen werden. Die Wahr-nehmung der Körperlichkeit bezieht sich im Besonderen auf Funktionen und Perspektiven der audiences. Dabei wird die Wahrnehmung als "Hand-lung", als "kreativer Akt" ausgewiesen, der für den Film als Aneignungs-prozess gelesen we…