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Die hier vorgelegten kurzen Erzählungen Dobyèin - sie erschienen zwischen 1924 und 1930 verstreut in literarischen Zeitschriften und Almanachen Leningrads - bilden so etwas wie das Manifest des erzählerischen Stils dieses Autors, der sich im übrigen theoretischnie geäußert hat, es sei denn in aphoristischen Bemerkungen in Briefen. Dobyèins Erzählstil ist geprägt von Puskins Diktum überdie künstlerische Prosa 'Genauigkeit und Kürze' wie von Anton Cechovs Forderungnach' äußerster Kürze«. Diese Forderung wird von Dobyèins Erzählungen nochmals radikal reduziert auf ein Minimum des Möglichen und Allernötigsten. Die Rolle des Erzählers entfällt bzw. wirdübernommen von einer imaginären, absolutobjektiven Filmkamera, deren Aufnahmeneben jener 'treffenden Details' mit der modernen Schnittechnik der Montage neu zusammenfügt: russische Provinz, hier die westrussische Kleinstadt Brjansk in den Jahren nach der Revolution: 'Alles geschieht wie immer in der russischen Provinz, genauer: nichts geschieht' Nur daß dieses 'Nichts' in Wirklichkeit ungeheuer viel - bei Dobyèin Konzentration und Dichte erlangt, wie sie erzählerische Prosa im Russischen nie wieder erreicht hat: Dobyèin rückt die Gattung der Prosaminiatur an die Grenze zum epischen, bisweilen sogar lyrischen Gedicht.
1987 wurde Joseph Brodsky, frisch gekürter Nobelpreisträger für Literatur, von Studenten gefragt, welchen russischen Prosaschriftsteller er im XX. Jahrhundert für den bedeutendsten halte. Brodsky zögerte mit einer Antwort, und als ihm Namen wie Babel, Bulgakov und Platonov zugeraunt wurden, sagte er schnell und bestimmt: »Dobyin. Leonid Dobyin«, einen Autor, der selbst in Rußland den wenigsten bekannt war. An ihm er lebte 1894 bis 1936 bestachen Brodsky die »Gogolsche Kraft«, »das geschärfte Gefühl für die Semantik«, die »Proustsche Aufmerksamkeit für das Detail (das in seiner Bedeutung die Hauptsache überwuchere)« und eine »starke Joycesche Note«, bezogen wohl vor allem auf The Dubliners. Alle diese Eigenheiten erkannte Brodsky an Dobyins Roman Die Stadt N. (1935): »Leben in der Provinz. Alles geschieht wie immer in der russischen Provinz, genauer: nichts geschieht. Geschehen war, übrigens, die Revolution.« Die hier vorgelegten kurzen Erzählungen Dobyin sie erschienen zwischen 1924 und 1930 verstreut in literarischen Zeitschriften und Almanachen Leningrads bilden so etwas wie das Manifest des erzählerischen Stils dieses Autors, der sich im übrigen theoretisch nie geäußert hat, es sei denn in aphoristischen Bemerkungen in Briefen. Dobyins Erzählstil ist geprägt von Puskins Diktum über die künstlerische Prosa »Genauigkeit und Kürze« wie von Anton echovs Forderung nach »äußerster Kürze«. Diese Forderung wird von Dobyins Erzählungen nochmals radikal reduziert auf ein Minimum des Möglichen und Allernötigsten. Die Rolle des Erzählers entfällt bzw. wird übernommen von einer imaginären, absolut objektiven Filmkamera, deren Aufnahmen eben jener »treffenden Details« mit der modernen Schnittechnik der Montage neu zusammenfügt: russische Provinz, hier die westrussische Kleinstadt Brjansk in den Jahren nach der Revolution: »Alles geschieht wie immer in der russischen Provinz, genauer: nichts geschieht.« Nur daß dieses »Nichts« in Wirklichkeit ungeheuer viel bei Dobyin Konzentration und Dichte erlangt, wie sie erzählerische Prosa im Russischen nie wieder erreicht hat: Dobyin rückt die Gattung der Prosaminiatur an die Grenze zum epischen, bisweilen sogar lyrischen Gedicht.
Autorentext
Leonid Dobyin, 1894 im lettischen Ludza geboren, gehört zu den großen Autoren der lange verfemten Petersburger Avantgarde, der seit dem Ende der Sowjetherrschaft, neben Daniil Charms und Isaak Babel, wiederentdeckt und angemessen gewürdigt wird. Dobyin geriet 1935 ins Zentrum der berüchtigten Formalismus-Debatte und wurde im Zuge dessen als Volksfeind bezeichnet. Ein Jahr nach dem Erscheinen seines Romans Die Stadt N. 1935, verschwand der Autor spurlos. Die Vermutung, er hätte sich das Leben genommen, gilt, seit dem Bekanntwerden der Berichte ehemaliger NKVD-Spitzel, als zweifelhaft.