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Armut und soziale Gerechtigkeit sind in Zeiten der Globalisierung zu Problemen geworden, die nicht mehr allein auf staatlicher, sondern auf globaler Ebene angegangen werden müssen. Auch die Wissenschaft hat sich dieser Thematik angenommen und Theorien zur globalen Gerechtigkeit entwickelt. Henning Hahn führt in die Konzepte der führenden politischen Theoretiker und Philosophen ein. Am Beispiel der Weltarmut zeichnet er die Theoriedebatte zwischen partikularistischen und kosmopolitistischen Autoren nach. Der Leser erhält einen Überblick über die Kernthesen der wichtigsten Au- toren wie Otfried Höffe, Jürgen Habermas, Peter Singer oder Thomas Pogge und erfährt, wie deren Konzepte konkret zur Lösung der Weltarmut beitragen können.
Vorwort
Die erste deutschsprachige Einführung zum Thema
Autorentext
Henning Hahn, Dr. phil., arbeitet derzeit an seiner Habilitation zur globalen Verantwortung im Projekt »Ethik der Globalisierung« an der Universität Kassel.
Leseprobe
1 Einleitung: Zur Theoriebildung globaler Gerechtigkeit Globale Herausforderungen Im Zuge einer sich beschleunigenden Globalisierung sind wir mehr denn je mit weltumgreifenden Problemen konfrontiert. Ob es sich dabei um Armut in Afrika, Überbevölkerung in Südostasien, ausbeuterische Arbeitsverhältnisse in Mittelamerika, Kohlendioxidemissionen in den USA, Agrarsubventionen in Europa oder den Raubbau an Bodenschätzen in der Arktis handelt: Unabhängig von unserem Wohnort gehen uns diese Probleme etwas an, sei es unmittelbar, weil wir ihre ökonomischen oder politischen Folgekosten bezahlen, sei es mittelbar, weil sie uns moralisch betroffen machen. Medien und Immigranten transportieren das Leid der ganzen Welt zu uns; Klimawandel und zuletzt Finanzkrise haben uns vor Augen geführt, dass wir eine Lebenswelt teilen. Entscheidungen, die in fernen Teilen des Globus gefällt werden, wirken sich bis in unseren Alltag hinein aus. Kurz, wenn politische Philosophen und Theoretiker zunehmend Fragen globaler Gerechtigkeit in den Blick nehmen, ist dies keinesfalls der Ausdruck einer moralisierenden Schwärmerei, sondern ein Erfordernis unserer Zeit und eine notwendige Reaktion auf die zunehmende Verflechtung unseres Zusammenlebens. Trotzdem geht es vielen noch zu weit, von globaler Gerechtigkeit zu sprechen. Denn der Ausdruck globale Gerechtigkeit scheint bereits einige strittige begriffliche Weichenstellungen vorwegzunehmen. Vor allem evoziert er, dass Gerechtigkeitsfragen keine Grenzen kennen. Wer globale Gerechtigkeit fordert, für den scheinen sich Gerechtigkeitsfragen von vornherein auf den gesamten Planeten Erde zu erstrecken. Es schwingt darin ein Zweifel mit, dass sich Gerechtigkeitsforderungen nur in Hinsicht auf politische Gemeinschaften stellen lassen. Um dieser Entgrenzung des Gerechtigkeitsbegriffs vorzubeugen, sprechen viele Autoren bevorzugt von internationaler Gerechtigkeit. Aber auch diese Redeweise ist nicht neutral, sondern nimmt bereits normative Voreinstellungen vor. Wer von internationaler Gerechtigkeit spricht, zeigt damit an, dass wir vom Nationalstaat als ursprünglichem Kontext der Gerechtigkeit ausgehen sollten. Aus dieser Sicht stellen sich Gerechtigkeitsfragen vorwiegend innerhalb einzelner Nationalstaaten und insoweit wir es mit staatsübergreifenden Problemen zu tun haben, bleibt es Sache der einzelnen Staaten, verbindliche Normen auszuhandeln. In dieser am Nationalstaat orientierten Theorie internationaler Beziehungen ist Gerechtigkeit auf völkerrechtliche Grundprinzipien beschränkt, oft mit dem Ziel, eine internationale Friedensordnung zu ermöglichen. Globale Gerechtigkeit als neues Paradigma Die Theorie internationaler Beziehungen und das damit verbundene Primat des Nationalstaats hat das Nachdenken über Gerechtigkeit lange dominiert. Mit Blick auf die Theorieentwicklung der letzten Jahre hat sie allerdings ihren Alleinvertretungsanspruch verloren. Dies hat vor allem damit zu tun, dass die Theorie internationaler Beziehungen auf einem Modell mehr oder weniger unabhängiger Nationalstaaten aufruht, mitunter auf eben jenem Weltbild, das im Zuge der Globalisierung mehr und mehr erodiert. Heute steht der souveräne Einzelstaat im besonderen Maße unter Druck. Seine innere Souveränität, also das Vermögen eines Staates, soziale Regeln innerhalb seines Territoriums durchzusetzen, wird durch die ökonomische Globalisierung unterlaufen. Dezentrale Finanzströme entziehen sich staatlicher Regulierung mit derselben Flexibilität, mit der multinationale Konzerne ihre Produktionsstandorte wechseln. Was die äußere Souveränität von Nationalstaaten, also die Fähigkeit, ihre Verteidigungs- und Sicherheitsinteressen aus eigener Kraft zu realisieren, betrifft, hat eine lange wie grausame Geschichte kontinentaleuropäischer Kriege gezeigt, dass die Idee eines Kräftegleichgewichts souveräner Staaten ein zerbrechliches Ideal darstellt. Im Atomzeitalter und noch viel mehr in einer Zeit, in der der Terrorismus global agiert und Kriege neu definiert, stehen Staaten vor kategorial neuen Herausforderungen, die nachhaltig nur durch eine globale Friedensordnung in den Griff zu bekommen sind. Vor dem Hintergrund dieser inneren und äußeren Schwächung des Nationalstaats lässt sich auf der Theorieebene eine Verschiebung von internationaler hin zu globaler Gerechtigkeit diagnostizieren. Dieser Entwicklung Rechnung tragend habe ich für diese Einführung den Ausdruck globale Gerechtigkeit als Oberbegriff gewählt, auch wenn sie eine Reihe von Ansätzen umfasst, die weiter am Nationalstaat modelliert sind wie die von John Rawls (Kap. 3.3), David Miller (Kap. 5.2) oder Thomas Nagel (Kap. 5.3). Bemerkenswert ist jedenfalls, dass diese Theorien in eine defensive Position geraten sind. Heute trägt die Theorie internationaler Beziehungen die Beweislast, dass sie den spezifischen Problemen einer sich ausdifferenzierenden Globalisierung gerecht werden kann. Sie muss sich vor dem Hintergrund eines neuen Paradigmas rechtfertigen, nämlich vor dem Paradigma globaler Gerechtigkeit. Die fortschreitende Entgrenzung von Gerechtigkeitsproblemen zeigt sich auch und gerade mit Blick auf die politische Landkarte. Bildlich gesprochen sind die Nationalgrenzen auf dem Globus blasser geworden, während sie durch die Schraffur supranationaler Verbände wie der Europäischen Union (EU) überlagert werden. In einigen übergeordneten sicherheitspolitischen und ökonomischen Politikfeldern haben sich zudem globale Institutionen wie die Vereinten Nationen (UNO), die Weltbank, die Welthandelsorganisation (WTO) oder die Weltgesundheitsorganisation (WHO) herausgebildet, die nahezu alle Nationalstaaten in derselben Kontur erscheinen lassen. Dies bedeutet keinesfalls, dass der Nationalstaat obsolet geworden ist. Im Gegenteil, gerade die politische Globalisierung hat in den letzten Jahrzehnten zum Wiedererstarken nationaler Identitäten und zur Sezession neuer Nationalstaaten in Osteuropa geführt. Jede seriöse Theorie globaler Gerechtigkeit wird den Nationalstaat daher weiterhin als unverzichtbare Domäne der Gerechtigkeit anerkennen. Die einleitend genannten Probleme wie Menschenrechtsverletzungen, Klimawandel oder Terrorismus beginnen aber die Regelungskompetenz einzelner Nationalstaaten zu übersteigen, so dass eine Perspektivenverschiebung von internationaler hin zu globaler Gerechtigkeit erforderlich erscheint.
Inhalt
Inhalt 1. Einleitung: Zur Theoriebildung globaler Gerechtigkeit 11 1.1 Moralische vs. politische Gerechtigkeit 14 1.2 Globale Gerechtigkeitspflichten 18 1.3 Globale soziale Gerechtigkeit 24 1.4 Zur Systematik der Einführung 30 2. Verantwortung für globale Armut 33 2.1 Globale Armut als moralische Herausforderung: Peter Singer 37 2.2 Globale Armut als Gerechtigkeitsproblem: Thomas Pogge 44 2.3 Globale Pflichten und nationale Verantwortung: David Miller 50 2.4 Politische Verantwortung: Iris Marion Young 55 3. Globaler Kontraktualismus 65 3.1 Vom Rechtsfrieden zum Weltbürgerrecht: Immanuel Kant 70 3.2 Die Vi…