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Nathan Del Amico hat viel erreicht: Aus armen Verhältnissen stammend ist er mit 38 Jahren ein erfolgreicher Wirtschaftsanwalt. Doch glücklich ist er nicht. Seine Frau Mallory hat ihn verlassen, mit ihr auch seine Tochter, und als wäre das nicht genug, verspürt er in letzter Zeit merkwürdige Stiche in seiner Brust. Zwei Wochen vor Weihnachten taucht plötzlich ein geheimnisvoller Arzt bei ihm auf, der Nathan ein beunruhigendes Angebot macht das Nathans Leben auf dramatische Weise verändern wird ...
Autorentext
Guillaume Musso wurde 1974 in Antibes geboren und kam bereits im Alter von zehn Jahren mit der Literatur in Berührung, als er einen guten Teil der Ferien in der von seiner Mutter geleiteten Stadtbibliothek verbrachte. Da die USA ihn von klein auf faszinierten, verbrachte er mit 19 Jahren mehrere Monate in New York und New Jersey. Er jobbte als Eisverkäufer und lebte in Wohngemeinschaften mit Menschen aus den verschiedensten Ländern. Mit vielen neuen Romanideen kehrte er nach Frankreich zurück. Er studierte Wirtschaftswissenschaften, wurde als Lehrer in den Staatsdienst übernommen und unterrichtete mit großer Leidenschaft. Ein schwerer Autounfall brachte ihn letztendlich zum Schreiben. In »Ein Engel im Winter« verarbeitet er eine Nahtoderfahrung und wird über Nacht zum Bestsellerautor. Seine Romane, eine intensive Mischung aus Thriller und Liebesgeschichte, haben ihn weltweit zum Publikumsliebling gemacht. Seit zehn Jahren ist er der meistgelesene Autor in Frankreich. Weltweit wurden mehr als 22 Millionen Bücher des Autors verkauft, er wurde in über 40 Sprachen übersetzt.
Leseprobe
Kapitel 1
Wie jeden Morgen wurde Nathan Del Amico durch doppeltes Klingeln geweckt. Er stellte immer zwei Wecker: einen, der ans Stromnetz angeschlossen war, und einen anderen, der mit Batterien betrieben wurde. Mallory fand das lächerlich. Nachdem er eine halbe Schale Cornflakes verschlungen, in einen Trainingsanzug geschlüpft und ein paar abgenutzte Reeboks angezogen hatte, verließ er die Wohnung für sein tägliches Training. Der Spiegel im Aufzug zeigte ihm einen jungen Mann mit angenehmem Äußeren, aber erschöpften Gesichtszügen.
Du könntest dringend Urlaub gebrauchen, mein kleiner Nathan, dachte er und betrachtete aus der Nähe die bläulichen Schatten, die sich über Nacht unter seine Augen gelegt hatten.
Er zog den Reißverschluss seiner Jacke bis zum Kragen hoch, schob seine Hände in gefütterte Handschuhe und stülpte sich eine Wollmütze mit dem Logo der Yankees über. Nathan wohnte im 23. Stock des San Remo Buildings, jenem Komplex mit luxuriösen Wohnhäusern an der Upper West Side. Er hatte einen Blick direkt auf den Central Park West. Kaum hatte Nathan die Nase zur Tür rausgestreckt, entströmte ein kalter und weißer Dunst seinem Mund. Es war noch nicht richtig hell, und die Wohnhäuser am Straßenrand tauchten erst langsam aus dem Nebel auf. Am Vorabend hatte der Wetterbericht Schnee angesagt, doch bislang war keine einzige Flocke vom Himmel gefallen.
Mit kurzen Schritten lief er die Straße hinauf. Die Weihnachtsbeleuchtungen und die Kränze aus Stechpalmen an den Eingangstüren tauchten das Viertel in festlichen Glanz. Nathan lief am Naturkundemuseum vorbei, und am Ende eines Hundertmetersprints betrat er den Central Park.
Zu dieser Tageszeit und bei dieser Kälte war kaum jemand unterwegs. Ein eisiger Wind kam vom Hudson her und fegte über die Joggingstrecke, die um den Reservoir, den künstlichen See inmitten des Parks, herumführte.
Auch wenn es nicht unbedingt als empfehlenswert galt, diesen Weg zu nehmen, so lange es noch dunkel war, tat Nathan es dennoch ohne Furcht. Seit Jahren joggte er hier, und nie hatte er etwas Unangenehmes erlebt. Nathan hielt sich an einen gleichmäßigen Laufrhythmus. Die Luft war klirrend kalt, aber um nichts in der Welt hätte er auf seine tägliche Stunde Sport verzichtet.
Nach einer Dreiviertelstunde gleichmäßigen Laufens hielt er auf der Höhe der Traverse Road an, löschte seinen Durst und setzte sich einen Moment auf den Rasen.
Er dachte an die milden Winter Kaliforniens, andie Küste von San Diego, wo sich ein kilometerlanger Strand ideal fürs Laufen eignete. Für einen Augenblick sah er in Gedanken seine Tochter Bonnie, wie sie sich vor Lachen schüttelte.
Sie fehlte ihm so sehr, dass es schmerzte.
Das Gesicht seiner Frau Mallory und ihre großen, meerblauen Augen kamen ihm auch in den Sinn, aber er zwang sich, dieses Bild zu verdrängen.
Hör auf, mit dem Messer in der Wunde herumzustochern.
Dennoch blieb er auf dem Rasen sitzen, beherrscht von dieser grenzenlosen Leere, die er empfunden hatte, als sie gegangen war. Eine Leere, die ihn seit mehreren Monaten innerlich verzehrte.
Er hätte es niemals für möglich gehalten, dass Schmerz solche Ausmaße annehmen konnte.
Er fühlte sich einsam und elend. Einen kurzen Moment lang füllten sich seine Augen mit Tränen, bis der eisige Wind sie vertrieb.
Er trank noch einen Schluck Wasser. Seit er am Morgen erwacht war, fühlte er einen seltsamen Schmerz in der Brust, etwas wie Seitenstechen, das seine Atmung behinderte.
Die ersten Flocken fielen. Nun erhob er sich doch, lief mit langen Schritten zum San Remo Building zurück, weil er noch duschen wollte, bevor er zur Arbeit aufbrach.
Nathan schlug die Tür des Taxis zu. Im dunklen Anzug und frisch rasiert betrat er den Glasturm an der Ecke Park Avenue und 52. Straße, in dem sich die Büros der Kanzlei Marble & March befanden. Von allen Anwaltskanzleien der Stadt war Marble die erfolgreichste. Sie beschäftigte über neunhundert Angestellte in