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Fritz W. Scharpf hat die Politikwissenschaft in Deutschland seit den 1970er-Jahren wie kaum ein anderer geprägt. Seine Einbindung in die Politikberatung zu Beginn der sozialliberalen Koalition gab auch seinen späteren theoretischen und empirischen Arbeiten praktische Relevanz. Im Gespräch mit Adalbert Hepp und Susanne K. Schmidt erläutert der langjährige Direktor des Kölner Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung sein berufliches Wirken vor dem Hintergrund seines persönlichen Werdegangs. Von der Nachkriegszeit bis zur Eurokrise gibt der Band Einblick in das Denken dieses renommierten Wissenschaftlers. Eine Auswahl kürzerer Aufsätze ermöglicht zudem die vertiefte Auseinandersetzung mit den Themen des Gesprächs.
»Bei Fritz W. Scharpf zeigt sich: Fundierte wissenschaftliche Arbeit muss nicht im Widerspruch zu aktiver Einmischung in die praktische Politik durch Beratung stehen. Der frühere Direktor des Kölner Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung hält bei spürbarer Selbstkritik immer noch viel von Steuerungsplänen und der Annahme, Verflechtungsprobleme rational lösen zu können. In der Krise des verfassten Europas plädiert er für mehr Ideenkonkurrenz.« Jahrbuch für Extremismus & Demokratie, Band 2018
Autorentext
Adalbert Hepp war von 1975 bis 2008 verantwortlich für das Wissenschaftsprogramm im Campus Verlag. Susanne K. Schmidt ist Professorin für Politikwissenschaft an der Universität Bremen.
Leseprobe
Vorwort Fritz W. Scharpf hat mit seinen Arbeiten die Politikwissenschaft nicht nur in Deutschland nachhaltig geprägt. Seine Analysen des Föderalismus, der Arbeits marktpolitik und der Europäischen Union, seine Auseinandersetzung mit der Demokratietheorie und seine auf den gemeinsamen Arbeiten mit Renate Mayntz beruhende Ausarbeitung des akteurzentrierten Institutionalismus als Ansatz für die Analyse von Politikprozessen gehören zum Kernbestand des Faches. Noch heute ist er wissenschaftlich aktiv und hat in jüngster Zeit vor allem verschiede ne Analysen zur Eurokrise vorgelegt. Regelmäßig hat er sich auch publizistisch zu aktuellen Fragen geäußert. Durch die Mitwirkung in verschiedenen Kommissionen seit den späten Sechzigerjahren fand seine wissenschaftliche Arbeit immer wieder Eingang in die Politikberatung. Im direkten Dialog hat sein scharfsinniger analytischer Blick Generationen von Mitarbeitern und Kollegen geholfen, gesellschaftliche Komplexität zu durchdringen und bessere Erklärungen für ihre Fragestellungen zu finden - von Luhmann in der Kontroverse auf dem DVPWKongress 1988 über Steuerungsfähigkeit als "scharpfsinnig" charakterisiert. Auch an der institutionellen Entwicklung des Faches hatte Scharpf großen Anteil. Er hat den einflussreichen verwaltungswissenschaftlichen Studiengang an der Universität Konstanz gegründet, war Direktor am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) sowie später am MaxPlanckInstitut für Ge sellschaftsforschung (MPIfG) in Köln. Seit nun einem halben Jahrhundert gehö ren seine Schriften zu den meistzitierten in der nationalen und internationalen Politikwissenschaft. Sein enormer internationaler Einfluss zeigt sich nicht zuletzt darin, dass ihm im Jahr 2000 als erstem Europäer der renommierte JohanSkytte Preis für Politikwissenschaft verliehen wurde, der oft als NobelpreisÄquivalent für das Fach genannt wird. Grund genug, angesichts seines jahrzehntelangen Schaffens ein Gespräch über die Entwicklung seines Denkens zu führen. Darin wird der Bogen gespannt von biografischen Eckpunkten wie der Kindheit und Jugend in Schwäbisch Hall, der Entscheidung, Jura zu studieren, der Zeit in den USA, in Konstanz, Berlin und Köln hin zur politischen Entwicklung in der Nachkriegszeit, seiner Bera tungstätigkeit und der Entwicklung seiner wissenschaftlichen Themen. So ge winnen die Leserinnen und Leser Einblick in das Denken Fritz Scharpfs und in seinen Werdegang vor dem Hintergrund der Entwicklung der Bundesrepublik und der Europäischen Union. Zu den Themen, die im Gespräch behandelt werden, hat Fritz Scharpf auf unsere Bitte hin aus seinem umfangreichen Werk, das seit den späten Achtziger jahren vor allem auf Englisch erschien, einige deutschsprachige Aufsätze aus gewählt, die sich nicht ausschließlich an eine reine Fachöffentlichkeit richten. Die zwölf abgedruckten Texte, die zwischen 1972 und 2010 entstanden sind, erlauben es den Leserinnen und Lesern, die inhaltliche Auseinandersetzung mit den im Gespräch aufgeworfenen Fragen zu vertiefen. Die Idee zu diesem Band hatte Adalbert Hepp auf einer Veranstaltung des MPIfG im Jahr 2014. Nach einem ersten Gespräch mit Susanne K. Schmidt in Bremen folgten zwei lange Besuche bei Fritz Scharpf in Köln im Mai und Oktober 2015. Die Tonaufnahme des Gesprächs wurde zunächst von Ursula Meller an der Universität Bremen transkribiert. Nach verschiedenen Überarbei tungsrunden durch die Herausgeber und Fritz Scharpf lag die weitere Betreuung des Buchprojekts in Köln bei Christel Schommertz. Christina Glasmacher und Cynthia Lehmann vom MPIfG halfen bei der Recherche bibliografischer und biografischer Details, das Porträt für den Buchumschlag fotografierte Marlene Brockmann, Endredaktion und Herstellung der Druckvorlage wurden mit gro ßer Sorgfalt und Umsicht von Thomas Pott am MPIfG übernommen. Ihnen allen sei an dieser Stelle herzlich gedankt. Göttingen und Bremen, im Juli 2017 Adalbert Hepp und Susanne K. Schmidt Lebenslauf Fritz W. Scharpf * 12. Februar 1935 in Schwäbisch Hall, verheiratet, drei Kinder Wissenschaftlicher Werdegang 1945-1954 Gymnasium St. Michael, Schwäbisch Hall 1954-1959 Studium der Rechts und Politikwissenschaft an den Universitäten Tübingen und Freiburg im Breisgau 1955-1956 Fulbright Stipendium zum Studium der Politikwissenschaft an der Yale University, New Haven, Connecticut 1959 Erstes Juristisches Staatsexamen, Universität Freiburg im Breisgau, Eintritt in die SPD 1959-1964 Juristisches Referendariat 1960-1961 Studienaufenthalt an der Yale Law School, Master in Law (LL.M) 1964 Zweites Juristisches Staatsexamen und Promotion (Dr. iur.), Universität Freiburg im Breisgau 1964-1966 Assistant Professor of Law, Yale Law School, New Haven, Connecticut 1965 Visiting Assistant Professor an der University of Chicago Law School 1966-1968 Habilitationsstipendium der Deutschen Forschungs gemeinschaft (DFG), Universität Freiburg im Breisgau 1968 Ordinarius für Politikwissenschaft, Universität Konstanz 1970-1972 Kommission zur Neugliederung des Bundesgebiets 1972-1976 EnqueteKommission Verfassungsreform des Deutschen Bundestages 1973-1984 Direktor am Internationalen Institut für Management und Verwaltung, Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) 1975-1980 DFGSenatskommission für die empirische Sozialforschung 1980-1984 Sachverständigenrat für Umweltfragen 1984-1986 Forschungsprofessur am Internationalen Institut für Management und Verwaltung, Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) 1984-1989 Programmkommission der SPD 1986-2003 Direktor am MaxPlanckInstitut für Gesellschaftsforschung (MPIfG), Köln 1986-1987 PadoaSchioppaKommission zur Entwicklung der Europäischen Gemeinschaft nach Vollendung des Binnenmarktes 1987 Fellow am Center for Advanced Study in the Behavioral Sciences, Stanford University, California 1991-1994 Vorsitzender der Geisteswissenschaftlichen Sektion der MaxPlanckGesellschaft 1991-1995 Mitglied der Grundwertekommission im SPDVorstand 1995 Jean Monnet Professor am Robert Schuman Centre for Advanced Studies, Europäisches Hochschulinstitut Florenz (EUI) 1995-2000 Fachkollegiat, Deutsche Forschungsgemeinschaft 1995-2001 Mitglied des Research Council, Europäisches Hochschulinstitut Florenz (EUI) 1997-1998 Zukunftskommission der FriedrichEbertStiftung 1998 Mitglied des Internationalen Beirats des Europäischen Zentrums für Staatswissenschaft und Staatspraxis, Berlin 1999 Forschungsaufenthalt am Robert Schuman Centre for Advanced Studies, Europäisches Hochschulinstitut Florenz (EUI) 1999 …