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Neuauflage/Nachdruck. Termin bisher unbekannt.
Berlin 1930: Baron von Rotberg wird erpresst und steht vor dem Ruin. Erich Lammers, der Hauslehrer, will helfen und muss feststellen, dass der Erpresser sein eigener Bruder ist. Friedrich Radszuweit (18761932) war eine der Leitfiguren der frühen Emanzipationsbewegung.
Autorentext
Friedrich Radszuweit (1876-1932) war mit dem 'Bund für Menschenrecht' eine Leitfigur der frühen Emanzipationsbewegung. Als Verleger äußerst erfolgreich, dominierte er den Zeitschriftenmarkt für Schwule und Lesben. Politisch war er bis zu seinem frühen Tod um einen Ausgleich mit dem aufkommenden Zeitgeist bemüht; Bruno Balz sah in ihm einen 'mutigen und tapf'ren Streiter'.
Leseprobe
'Also, ich verliebte mich in den zweiundzwanzigjährigen Burschen. Er erwiderte meine Liebe, und nur zu schnell verstrich die kurze Zeit, die ich mit ihm verbringen durfte. Bei meiner Abreise wollte er fast vergehen vor Schmerz und bat immerfort, ich möchte doch bald wiederkommen, was ich auch versprach. Acht Tage nach meiner Abreise erhielt ich von Helmut einen Brief, worin er mich um ein Darlehen von zweihundert Mark bat, weil er plötzlich seine Stellung wegen Krankheit verloren habe. Ich sandte ihm sofort das Geld und bat ihn in einem Schreiben, sobald als möglich Näheres zu berichten. Doch lange hörte ich nichts von ihm, und meine Briefe kamen als unbestellbar zurück. Etwa fünf Monate nach diesem Vorfall erhielt ich einen zweiten Brief, unterzeichnet mit Emmy Kohlrausch, worin mir nahegelegt wurde, sofort zweitausend Mark an diese Person zu senden, und zwar als Beihilfe für Arzt und Arzneikosten, die für Helmut Hintze infolge seiner Erkrankung, an der ich angeblich allein die Schuld trage, entstanden seien. Diese Geschichte kam mir etwas sehr sonderbar vor, und ich reiste sofort nach Berlin, um nachzusehen, was dort los sei. Sie, Herr Lammers, werden sich kaum meine grenzenlose Überraschung vorstellen können, als ich in einem der vornehmsten Villenviertel Berlins die luxuriös ausgestattete Wohnung dieser Kohlrausch betrat und Helmut mit noch acht anderen jungen Leuten gesund und munter bei einem fröhlichen Zechgelage vorfand. Mit offenem Munde stand ich in der Tür und schaute mir dieses Bild jugendlichen Leichtsinns an. Als Helmut mich sah, stand er auf, kam auf mich zugetorkelt und lallte mit heiserer Stimme. Ah, sieh da, mein Grauchen ist gekommen, mein Goldfüchslein bringt mir die zweitausend Mark selbst. Das ist aber fein, da gibt es heute eine fidele Hochzeitsnacht. Er war ganz nahe an mich herangekommen und versuchte seine Arme um meinen Hals zu legen. Voll Ekel und Empörung über soviel Lüge und Verworfenheit, die ich Helmut nie zugetraut hätte, versetzte ich ihm einen Schlag ins Gesicht, so daß er zu Boden fiel, und wandte mich zum Gehen. Auf dem Korridor stand ein Frauenzimmer mit aufgedunsenem Gesicht, das vor lauter Schminke und Puder eher einem andern Körperteil als einem Gesicht ähnlich sah. Emmy Kohlrausch, stellte sie sich vor. Ich habe wohl die Ehre, Herrn Baron von Rotberg vor mir zu sehen; ich bin bereits durch meine Zofe verständigt, daß der Herr Baron hier ist. Schnell öffnete sie eine Tür, ich schaute in einen märchenhaft ausgestatteten Empfangssalon, und ehe ich es verhindern konnte, hatte mir ein Mädchen Hut und Mantel abgenommen und Emmy Kohlrausch drückte mich mit den Worten: Bitte nehmen Sie Platz, Herr Baron, in einen Fauteuil nieder. Ohne Umschweife ging sie auf ihr Ziel los. Herr Baron sind, wie ich weiß, der Kavalier des Helmut Hintze gewesen. Gott, na ja, Jugend hat keine Tugend, Herr Baron. Zu der Zeit, als wir noch jung waren, da war es ja ganz anders, aber heute also, Helmut hat eine Schuldenlast von annähernd zweitausend Mark bei mir und die muß nun endlich beglichen werden. Der Junge hat ja recht viel Chancen und verdient auch sehr gut, aber seine Freundin, die er aushält, kostet ihm mehr als er an Einnahmen erzielt und daher erinnert er sich von Zeit zu Zeit seiner gewesenen Kavaliere und bittet um Unterstützung. Wieviel wollen der Herr Baron heute zahlen? Ich zahle keinen Pfennig. Ich bin dem Helmut zu nichts verpflichtet, erwiderte ich und erhob mich. Auch Emmy Kohlrausch hatte sich erhoben und in bissigem Ton erwiderte sie: Man soll solche Leute, wie Helmut Hintze, nicht reizen, die scheuen vor nichts zurück, und die unliebsamen Folgen für Sie sind nicht abzusehen, Herr Baron. Mit diesen Worten begleitete sie mich zum Ausgang. In mir gärte und kochte alles vor Wut über das zweite Gesicht, das Helmut verstanden hatte, sich in seiner Eigenschaft als Kellner anzueignen und dem ich zum Opfer gefallen war. Unentschlossen, was ich tun sollte, durchwanderte ich die Straßen, auf niemand und nichts achtend. Plötzlich kam mir der Gedanke, unter dem Vorwand, daß ich Helmut Hintze als Diener engagieren will, eine polizeiliche Auskunft über seine Führung einzuholen. Die Auskunft lautete: Nachteiliges über pp. Hintze nicht bekannt, Vorstrafen keine. Lange hielt ich das Auskunftsformular in den Händen und las es immer wieder. In jenen Minuten der Unentschlossenheit, was ich nun tun sollte, kämpften Ekel, Haß, Mitleid und Liebe in meinem Herzen um Helmut Hintze. In dem einen Ohr hörte ich eine Stimme, die mir zurief: Helmut ist ein Verbrecher, wende dich ab von ihm, sonst kommst du in den Abgrund. Im andern Ohr war mir, als flüsterte es: Helmut ist in seinem jugendlichen Leichtsinn gestrauchelt. Durch fadenscheinige Schmeicheleien falscher Kavaliere, die ihn nur für eine Nacht haben wollten, eitel und eigensüchtig gemacht, ist er zum gewerbsmäßigen Prostituierten herabgesunken. Hilf ihm! Durch deine Liebe und Güte wird er wieder ein brauchbarer Mensch der Gesellschaft werden. Können Sie, Herr Lammers, mit Ihren sechsundzwanzig Jahren sich einen solchen Seelenkonflikt vorstellen?'
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