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Hector ist Psychiater in Paris. Oft kommen Menschen in seine Praxis, weil sie keine Freunde mehr haben. Was ist bloß aus der Freundschaft geworden, fragt Hector sich gerade, als er erfährt, dass sein allerbester Freund unvorstellbar viel Geld gestohlen haben soll. Und weil Hector nicht nur ein ziemlich guter Psychiater ist, sondern auch ein erstklassiger Freund, steckt er schon kurz darauf mittendrin in einem großen Abenteuer. Das führt ihn durch zahlreiche Länder Südostasiens, aber auch zu der Frage, was Freundschaft ihm eigentlich bedeutet und warum sie für alle so überaus wichtig ist.
»Von diesem Pariser Psychiater können wir nicht genug bekommen! Keiner verpackt Alltagsphilosophie so leichtfüßig in voltenreiche Geschichten wie François Lelord. () Reizend!«
Vorwort
Freundschaft ist das Band zwischen Menschen, die sonst einfach nur Fremde wären.
Autorentext
Warum sind manche Menschen trotz objektiv positiver Lebensumstände unglücklich und andere glücklich? Das ist eine typische Frage für den Psychologen Hector und damit für François Lelord, der diese literarische Figur erfunden hat. Der 1953 in Paris geborene Autor arbeitete nach einem Studium der Medizin und Psychologie zunächst als Psychiater. Auf der Suche nach Antworten auf die großen Fragen des Lebens ließ er seinen Beruf einige Jahre ruhen, um sich ganz dem Schreiben und Reisen, vor allem durch Asien, zu widmen. Sein erstes Buch um Hector erschien 2002 und wurde wie die folgenden »Hector«-Romane ein internationaler Bestseller. Insgesamt haben sich François Lelords Bücher im deutschsprachigen Raum über 3,5 Millionen Mal verkauft. François Lelord lebt mit seiner Familie in Paris.
Leseprobe
Der Oberkörper des Leibdieners war in einen weißen Spencer gezwängt, seine Beine jedoch umhüllte ein traditionelles Seidengewand. Er gab ihr ein Zeichen, und die junge Frau trat in das Halbdunkel.
Am anderen Ende des Saales konnte sie die Umrisse einer Person erkennen, die unter einem Baldachin saß. Der Raum war fast leer, ganz nach den alten Gebräuchen, denn selbst bei den Königen hatten zum Sitzen, Essen und Schlafen stets Matten ausgereicht bis die britischen Invasoren den Geschmack an Möbeln mitgebracht hatten.
Nachdem sie einige Schritte getan hatte, kniete sie auf dem Rosenholzboden nieder, denn sie wusste, dass es sich nicht schickte, wenn sie auf ihren Gastgeber herabschauen konnte. Er war zwar kein König, verfügte aber über genügend Macht, um diese Geste der Unterordnung einfordern zu können, und außerdem war er zu alt, um noch zu merken, dass die Welt sich wandelte.
Er machte ihr kein Zeichen, dass sie sich erheben durfte.
Sie grüßte ihn, indem sie die Hände faltete und den Kopf senkte.
"Und?", fragte er.
Sein Gesicht konnte sie nicht erkennen, nur seine goldgerahmte Brille blitzte im Schein der einzigen, bei der Tür aufgehängten Lampe schwach auf. Es hieß, dass seine kranken Augen das Licht nicht mehr vertrugen.
"Wir arbeiten daran, mein Gebieter. Wir folgen der Spur des Geldes."
Sie vernahm einen verächtlichen Seufzer. Dann fuhr sie fort: "Wir haben einen Informatiker von der Harvard University eingestellt, der auch für die amerikanische Regierung arbeitet."
"Was soll das nützen? Dafür ist er zu clever."
Die junge Frau verspürte Genugtuung. Auch sie hielt das für unnütz. Wer imstande war, einer Bank solche Summen zu stehlen, wusste auch, wie man die Spuren hinter sich verwischt.
"Ich verfolge aber noch einen anderen Weg, mein Gebieter."
Er schwieg. Schließlich sprach sie weiter.
"Dieser Mann hat Freunde. Ich werde der Spur der Freunde folgen."
Diesmal konnte sie sein Lächeln ausmachen, das ebenfalls golden aufblitzte.
"Freunde", sagte er, "Freunde sind eine Schwäche."
Sie dachte daran, wie viele seiner alten Freunde der General ins Gefängnis hatte werfen lassen, und sagte sich, dass ihm bestimmt kaum noch Schwächen blieben.
Außer seinem Alter natürlich und dem unbändigen Gefallen, den er an Gold fand.
Hector hat keine Zeit für seine Freunde
Ohne Freunde möchte niemand leben, auch wenn er alle übrigen Güter besäße.
Aristoteles
Es war einmal ein junger Psychiater namens Hector, der keine Zeit mehr hatte, seine Freunde zu sehen.
Dass Hector keine Zeit für seine Freunde hatte, lag zunächst mal daran, dass er viel arbeitete und abends oft zu müde zum Ausgehen war. Außerdem war er inzwischen verheiratet und Vater eines kleinen Jungen, und da hat man nur noch selten die Gelegenheit, jemanden einfach so anzurufen und zu fragen: "Wollen wir nicht einen trinken gehen?" Ganz davon abgesehen, dass unglücklicherweise auch die meisten seiner Freunde verheiratet waren und manchmal waren ihre Frauen bezüglich Männerabenden, die bis tief in die Nacht gingen, nicht so verständnisvoll wie seine wunderbare Clara.
Und außerdem war Hector noch eines aufgefallen: Je weiter man im Leben vorankommt, desto häufiger muss man zu Abendeinladungen mit Leuten gehen, die man nicht unbedingt zu seinen Freunden zählt. Solange man jung ist, kann man es so einrichten, dass man nur seine besten Freunde trifft und jede Menge Zeit mit ihnen verbringt ein Glück, über das man sich übrigens genauso wenig im Klaren ist wie über das Glück, jung zu sein!
Hector hatte auch festgestellt, dass das Thema Freundschaft, das für ihn eine Quelle des Glücks war, vielen seiner Patienten Kummer bereitete.
So beispielsweise auch Julie. Julie war eine sympathische und aufgeschlossene junge Frau, die Freunde und vor allem Freundinnen hatte. Weshalb kam sie also zu Hector in die Sprechstunde? Julie war einfach ein bisschen zu sensibel. Sie war groß gewachsen und ha
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