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Die Obduktion von Leichen war und ist gängige Praxis. Mit ihrer Hilfe können namentlich Todesursachen identifiziert und somit ein wichtiger Beitrag zur Gesundheitsfürsorge geleistet werden. Doch geht mit der Sektion auch die hochgradig tabuisierte Verletzung der körperlichen Integrität und der Totenruhe einher. Die Autorinnen und Autoren werfen einen interdisziplinären und internationalen Blick auf die innere "Leichenschau" und vergleichen die Rechtslage zur Sektion in Europa. Diese grenzüberschreitenden Ansätze bieten schließlich neue Perspektiven auf den Tod und den toten Körper.
Autorentext
Brigitte Tag ist Professorin für Straf-, Strafverfahrens- und Medizinrecht an der Universität Zürich. Dominik Groß, Historiker, Ethiker und Mediziner, ist Direktor des Instituts für Geschichte, Theorie und Ethik der Medizin der RWTH Aachen.
Leseprobe
Vorbemerkungen: "Der Umgang mit der Leiche: Sektion und toter Körper in internationaler und interdisziplinärer Perspektive" Brigitte Tag und Dominik Groß Das Projekt "Tod und toter Körper. Zur Veränderung des Umgangs mit dem Tod in der gegenwärtigen Gesellschaft" ist ein von der Volkswagen-Stiftung gefördertes, fachübergreifendes "Schlüsselthema" der Geisteswissenschaften. Die Projektgruppe forscht seit November 2008 im Rahmen von fünf Teilprojekten, die unter der Leitung der Philosophin Andrea Esser, Marburg, des Medizinhistorikers und -ethikers Dominik Groß, Aachen, des Soziologen Hubert Knoblauch, Berlin und der Juristin Brigitte Tag, Zürich, stehen. Zusammen mit den jeweiligen Forschungsteams werden im Rahmen des dreijährigen Forschungsvorhabens Veränderungen im Umgang mit dem Tod in der gegenwärtigen Gesellschaft im Allgemeinen und am Beispiel der klinischen Sektion untersucht. Das im Januar 2010 an der Universität Zürich veranstaltete Symposium "Tod und toter Körper - Ein internationaler und interdisziplinärer Blick auf die Sektion" und der hieraus entstandene Tagungsband dienten dem Ziel, das Themenfeld aus einem rechtlichen, interdisziplinären und internationalen Blickwinkel zu beleuchten. "Der Umgang mit der Leiche. Sektion und toter Körper in internationaler und interdisziplinärer Perspektive" fügt sich in die Reihe "Todesbilder. Studien zum gesellschaftlichen Umgang mit dem Tod" des Campus Verlags ein und nimmt in 21 Beiträgen auf den facettenreichen Umgang mit dem toten menschlichen Körper Bezug. Dabei wurde ein Zugang gewählt, der rechtliche, ethische, philosophische, medizin(histor)ische, soziologische und kulturwissenschaftliche Perspektiven auf den toten Körper zusammenführt. Der erste Teil des Buches befasst sich mit der Sektion und ihren rechtlichen Voraussetzungen in acht europäischen Ländern - von der Schweiz über Deutschland, Österreich, Italien, Frankreich, die Russische Föderation, Ungarn bis hin zur Türkei. Ergänzend dazu finden sich Erörterungen zur Organspende und zur Humanforschung an toten Körpern. Nach der rechtlichen wendet sich der Band der gesellschaftswissenschaftlichen und interdisziplinären Perspektive zu. Die Leiche als Teil der geliebten Person, die "gegangen" und dennoch präsent ist, und das individuelle Sterben stehen der vielfältigen Nutzung der Leiche gegenüber, die häufig mit einem Eingriff in die Unversehrtheit, aber auch mit der Verwertung und Verwendung des toten Körpers einhergeht. Historische und aktuelle Beispiele zeigen, dass der Umgang mit der Leiche schon immer vielfältig und zum Teil ungewöhnlich war und die Gesellschaft vor die Frage stellt(e), wie darauf reagiert werden soll. Dies zeigt sich gerade auch in den Künsten: Wenn im Leben der letzte Vorhang fällt, so ist diese Veränderung für den Toten und die Gesellschaft prägend. Da die Bühne nicht der Realität des Lebens und des Todes verpflichtet ist, kann die Theaterwelt diejenigen Aussagen zum Umgang mit der Leiche in den Vordergrund stellen, die sie für relevant erachtet. Den Autorinnen und Autoren des Tagungsbandes ist es in beispielhafter Weise gelungen, mit ihren Fragestellungen, Sicht- und Denkweisen und ihrem spezifischen Fachwissen den Umgang mit der Leiche in ganz verschiedenen Kontexten darzustellen und zu hinterfragen, aber auch an andere Perspektiven anzuknüpfen, diese aus der eigenen Sichtweise weiterzuentwickeln, um damit ein vielgestaltiges Bild zu zeichnen und zugleich neue Denkhorizonte zu eröffnen. Die vermittelten Bilder zum Umgang mit der Leiche sind zeit- und kulturabhängig und doch ziehen sich einige Fragestellungen wie ein roter Faden durch die Betrachtungen und Diskussionen. Ist der letzte Wille der verstorbenen Person in Bezug auf ihren nun toten Körper zu beachten, und wenn ja, inwieweit? Wie wird die Leiche von den Angehörigen und der Gesellschaft wahrgenommen, wie ist das Verhältnis des Lebenden zu seiner späteren Leiche und wie soll mit ihr verfahren werden? Wer bestimmt und welche Interessen prägen die Regeln zum Umgang mit der Leiche? Sind Handlungskataloge, die dem ehemaligen Menschsein Rechnung tragen und Schutz bieten sollen, wenn der Körper seziert, untersucht und auch teilweise weiterverwendet wird, überhaupt angemessen? Wie sollen Gesellschaften, Kulturen und die Künste mit den im Spannungsfeld stehenden Interessen richtigerweise umgehen? Trotz aller offenen Fragen dürfte die These, dass die zunehmende Internationalisierung und Globalisierung den Umgang mit dem toten Körper und damit auch das Recht berühren, kaum Widerspruch hervorrufen. Die innere Leichenschau zur Qualitätssicherung, bei außergewöhnlichen Todesfällen, zu Zwecken der epidemiologischen und weiteren Forschung, aber auch zur Aus- und Weiterbildung von Ärztinnen und Ärzten gehört in vielen Ländern zum Alltag der Pathologie, Rechtsmedizin und der Anatomie. Dennoch sind die Sektionszahlen stark rückläufig. Zudem wissen wir, dass weltweit ein Organmangel besteht und dass das Organhandelsverbot zwar oft als ernste Absichtserklärung auf dem Papier steht, aber nicht immer umgesetzt wird. Selbst über die inhaltlichen und verfahrensmäßigen Vorgaben und Kriterien zur Feststellung des Gesamthirntodes existiert international keine Einigkeit, was auf einen entsprechenden Forschungsbedarf hinweist. Und der Umgang mit der Leiche ist so vielfältig, dass die Aussage, die Leiche sei res extra commercium, zwar als gutgemeinte Absichtserklärung verstanden werden kann, sich von der Realität aber immer weiter entfernt. Dies belegen sowohl historische wie aktuelle Untersuchungen. Dass frisches Leichenblut und aus Leichenfett hergestellte Salben als Medikamente einst begehrt waren, lässt den modernen Konsumenten von pharmazeutischen Produkten erschaudern. Dass heute Knochen und Sehnen von Verstorbenen zur Herstellung von Medizinprodukten, Lipide hingegen als Ausgangsstoff für die Schönheitschirurgie vielfältige Dienste leisten, wird vielen Menschen erst bewusst, wenn medizinische Behandlungen unter Einbezug von menschlichem Material fehlgehen und in der Öffentlichkeit bekannt werden. Ob man insgesamt darauf verzichten kann, den Umgang mit der Leiche durch ethische und rechtliche Handlungskataloge zu begrenzen bzw. in vertretbare Bahnen zu lenken, dazu bestehen mit guten Gründen unterschiedliche Ansichten. Man kann nachvollziehen, dass das Sterben und der Tod von vielen als individuelle Ereignisse wahrgenommen werden. Der Schutz der Liebsten, die sich von der irdischen Welt verabschieden, und die Fürsorge für deren leblosen, durch den Tod veränderten Körper, stehen in deutlichem Widerspruch zu dem Umstand, dass Eingriffe an der Leiche erfolgen - Eingriffe, die man am Lebenden nie toleriert hätte und die man auch beim Toten nicht ohne weiteres hinnehmen mag. Andererseits ist ein distanzierter Umgang mit der Leiche nötig, um von ihr zu "lernen", mit ihr Leben zu retten und ganz allgemein medizinischen Erkenntnisgewinn zu erzielen. Dieses Spannungsfeld beschreibt seit jeher den Umgang mit dem Tod sowie den (respektvollen) Umga…