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Elternratgeber sind ein beliebtes Buchgenre. Diese Pionierstudie zeigt, wie eng deren Entwicklung seit der Epoche der Aufklärung mit der modernen Kleinfamilie verwoben ist. Unter Rückgriff auf Denkfiguren der Kritischen Theorie lotet der Autor das Spannungsfeld von lebensweltlichem Erziehungshandeln und den Wissensbeständen von Erziehungsexperten aus. Er arbeitet heraus, wie Ratgeber dazu eingesetzt werden, sich von der Prägung durch die eigenen Eltern zu distanzieren und so die Familienerziehung sensibler und kindzentrierter zu gestalten.
Autorentext
Christian Zeller wurde an der Universität Frankfurt am Main promoviert, er arbeitet als Lehrer in München.
Leseprobe
Vorwort In den letzten Jahrzehnten hat sich die empirische Sozialforschung verstärkt den Umstand zunutze gemacht, dass heute für die verschiedensten Herausforderungen des individuellen Lebensvollzugs Beratungsangebote vorliegen, die entweder die Gestalt persönlicher Gespräche mit geschultem Fachpersonal oder die eines Ratgebers in Buchform besitzen; aus den Gehalten dieser von Experten unterbreiteten Empfehlungen hofft man, Auskunft wenn nicht über das tatsächliche Verhalten der Ratsuchenden, so doch über gesellschaftlich vorherrschende Erwartungsmuster zu finden. Die vorliegende Studie, der eine Dissertation am Fachbereich Gesellschaftswissenschaften der Goethe-Universität Frankfurt am Main zugrunde liegt, geht über solche Versuche einer soziologischen Indienstnahme der grassierenden Ratgeberliteratur weit hinaus; ihr Autor, Christian Zeller, ist sich der mannigfaltigen Probleme viel zu bewusst, die sich aus dem Vorsatz ergeben, derartiges Schrifttum einfach und unvermittelt als Quelle soziologischer Zeitdiagnosen zu benutzen. Zwar interessiert ihn, was sich aus dem besonderen Genre der pädagogischen Ratgeberliteratur darüber in Erfahrung bringen lässt, von welchen Spannungen, Krisen und Beunruhigungen heute der elterliche Umgang mit ihren Kindern geprägt ist; aber zu diesem Zweck wertet er nicht einfach inhaltsanalytisch die entsprechenden Schriften aus, sondern untersucht im empirischen Kern seiner Studie skrupulös, wie einige nach Rat suchende Mütter die ihnen in Buchform dargebotenen Empfehlungen zur Kindererziehung verarbeiten und in die Praxis umzusetzen versuchen. Aus diesem Unternehmen ist am Ende eine sehr komplexe Studie geworden, die in einem Zug sowohl eine historische Rekonstruktion des beispiellosen Aufstiegs von Elternratgebern, eine Unterrichtung über die verwendete Methode der Objektiven Hermeneutik und schließlich eine Analyse des zeitgenössischen Umgangs mit den schriftlichen Erziehungshilfen liefert; nicht übertrieben dürfte daher die Behauptung sein, dass uns hier exemplarisch vorgeführt wird, welche fruchtbaren, gewinnbringenden Einsichten die Soziologie dem Studium der wachsenden Flut an Ratgeberliteratur abringen kann, wenn nur klug und umsichtig genug damit umgegangen wird. In der Einleitung zu seiner Studie umreißt Christian Zeller zunächst in knapper, aber äußerst informativer Form, in wie vielen Lebensbereichen der Rekurs auf Expertenrat heute zur Normalität geworden ist, um dann auf die Vielzahl unterschiedlichster Elternratgeber allein auf dem deutschsprachigen Buchmarkt einzugehen. Auf dieser Basis formuliert er das Ziel seiner Untersuchung, der es im Kern um die Frage geht, woraus sich in unserer Gegenwart das Bedürfnis und die Bereitschaft von Eltern speisen, in ihrem erzieherischen Verhalten auf Expertenrat zurückzugreifen. Dabei macht er sogleich deutlich, dass er seine Antwort vor dem Hintergrund des historischen Siegeszugs der Idee der "Förderung" von Kindern suchen möchte, also einer Vorstellung von Erziehung, der es um die Entfaltung der "Potentiale des Nachwuchses zum Zweck des allgemeinen und individuellen Wohls" zu tun ist. Ist damit umrissen, dass untersucht werden soll, wie Eltern dieses Erziehungsziel in ihren eigenen Deutungen mit der Verwendung von Erziehungsratgebern verknüpfen, so folgt anschließend ein kurzer Überblick zur bisherigen Forschung zum Thema: Die einschlägige Literatur hat sich bisher, so die überzeugende Diagnose, vornehmlich auf die semantische oder diskursive Analyse der sich in Elternratgebern manifestierenden, zumeist wissenschaftlich fundierten Erziehungslehren konzentriert; dem steht nur ein kleiner Forschungsstrang gegenüber, der sich mit der innerfamilialen Rezeption von Elternratgebern befasst, um zu erkunden, mit welchen Absichten und Selbstdeutungen solche Schriften zu Rate gezogen werden. Beide Forschungsstränge, die Inhaltsanalyse und die Rezeptionsforschung, möchte Christian Zeller nun in seiner Untersuchung mit Hilfe einer sinnrekonstruktiven Methodologie verknüpfen, für die die Objektive Hermeneutik Ulrich Oevermanns das Vorbild darstellt. Das nächste, zweite Kapitel verfolgt dementsprechend in seinem ersten Teil das Ziel, eine Einführung in die Sozialtheorie und Methodologie der Objektiven Hermeneutik zu liefern. Noch ohne jeden Bezug zu seiner eigenen Fragestellung erläutert Christian Zeller, dass die menschliche Sozialität in der Objektiven Hermeneutik durchgängig als sinnhaft strukturiert aufgefasst wird, allerdings in einer Weise, die sich vom interpretativen Paradigma der phänomenologischen Schule stark unterscheidet. Es geht nicht darum, den subjektiv vermeinten Sinn von Akteuren zu rekonstruieren, sondern die objektive Bedeutung sozialer Sinnzusammenhänge, die sich daraus ergeben soll, dass sie im Allgemeinen einer regelgeleiteten Praxis entspringen. Dieser "objektive" Sinn wird, so fährt Christian Zeller fort, mit Hilfe einer objektiv-hermeneutischen Sequenzanalyse erschlossen, in welcher sich im Zuge der Rekonstruktion von Fallstrukturen sinnhaftes Verstehen und kausales Erklären miteinander verschränken. Zentral für die weitere Untersuchung ist dann allerdings der Oevermannsche Begriff der "Krise", der auf Situationen abzielt, in denen die routinisierten Muster der Lebenspraxis versagen und zwei Merkmale menschlichen Handelns daher erst vollends sichtbar werden: der Entscheidungszwang und die Begründungsverpflichtung. Im Lichte dieser Konzeption versteht Christian Zeller fortan Erziehungsratgeber als Antworten auf Krisen, nämlich als Reaktionen auf elterliche Handlungsprobleme in der Sozialisation ihres Nachwuchses, die Entscheidungen erfordern und Begründungspflichten mit sich bringen. Von eigenständiger Bedeutung ist dabei, wie Christian Zeller anschließend die Gründe für diese Krisenhaftigkeit des elterlichen Erziehungsverhaltens darlegt; er erblickt sie in der kindlichen Schutzbedürftigkeit, in der Teilnahme der Eltern an den aufeinanderfolgenden Ablösungskrisen des Kindes sowie in der modernen Konzeption von Elternschaft, mit der ein ständiger Bewährungsanspruch einhergehe. Fraglos könnte das anschließende, dritte Kapitel auch als eine kleine, unabhängige Monografie erscheinen, wird darin doch in beeindruckender, höchst souveräner Weise die heutige Verbreitung, die Pragmatik und die historische Genese von Erziehungsratgebern zur Darstellung gebracht. Christian Zeller beginnt seinen Bericht mit einem kenntnisreichen Überblick über das breit gefächerte Genre des Erziehungsratgebers, um dann spezifischer auf das Angebot von Ratgebern einzugehen, die sich der Förderung von Kindern verschrieben haben und insofern im Mittelpunkt des Forschungsinteresses der vorliegenden Studie stehen sollen. Die hohen Auflagen dieser Ratgeber verdanken sich, wie wir aus entsprechenden Studien wissen, vor allem der starken Nachfrage von Frauen aus mittleren und höheren Einkommens- und Bildungsschichten, die sich Hilfe bei ihren Erziehungsaufgaben erhoffen. Das besagt freilich noch wenig, wie der Autor unverzüglich klarstellt, über die Rezeption und die erzieherische Aneignung von Förderratgebern. Um sich dieser wichtigen Frage anzunähern, erläutert er in einem ersten Schritt die Pragmatik des Ratschlags im Allgemeinen und des professionellen Ratschlags …