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Diskussionen über die nachlassende Prägekraft der Religion gibt es bereits seit der Reformation. Benjamin Ziemann vermittelt in dieser Einführung, wie ein sozialhistorischer Zugang die Rolle der Religion in den Gesellschaften Westeuropas und Nordamerikas zu erhellen vermag. Er geht dabei auf die Konkurrenz zwischen den christlichen Konfessionen ein sowie auf den Zusammenhang von Geschlecht und Religiosität und auf die Bedeutung von Medien für die religiöse Kommunikation. Seine Einführung bietet einen umfassenden Einstieg in die zentralen Themenfelder der Religionsgeschichte in der Neuzeit.
Vorwort
Historische Einführungen Herausgegeben von Frank Bösch (Gießen), Angelika Epple (Bielefeld), Andreas Gestrich (Trier/London), Inge Marszolek (Bremen), Barbara Potthast (Köln), Susanne Rau (Paris/Dresden), Hedwig Röckelein (Göttingen), Gerd Schwerhoff (Dresden) und Beate Wagner-Hasel (Hannover)
Autorentext
Benjamin Ziemann lehrt neuere deutsche und europäische Geschichte an der University Sheffield, Großbritannien.
Leseprobe
Religion ist wieder en vogue. Auf dem Petersplatz forderten nach dem Tod von Johannes Paul II. im April 2005 hunderttausende von Gläubigen santo subito, seine sofortige Heiligsprechung. Die Londoner Bombenanschläge vom 7. Juli 2005, verübt von äußerlich fest in die britische Gesellschaft integrierten Muslimen, lösten Diskussionen über das Verhältnis von religiösem Fundamentalismus und säkularer Gesellschaft aus. Ähnlich in Frankreich, wo der Streit um das Tragen des Kopftuchs die symbolische Dimension der Trennung von Staat und Kirche neu ins Bewusstein rief und wie in der Bundesrepublik zu juristischen Auseinandersetzungen führte. Religiös-politische Konflikte in der Jüdischen Gemeinde von Berlin, die in wenigen Jahren tausende von Zuwanderern aus Russland aufnahm, machten 2007 international Schlagzeilen. Alle christlichen Kirchen in Westeuropa klagen über weiteren Mitgliederschwund und sinkende Teilnehmerzahlen an Gottesdiensten. Es zeigt sich eine Diskrepanz zwischen dem Bedeutungsverlust der traditionellen christlichen Kirchen einerseits und der massenmedialen Präsenz von Konflikten um religiöse Symbole andererseits. Der Soziologe José Casanova hat von einer »public religion« gesprochen, um diesen Widerspruch auf den Begriff zu bringen (1994). Religion ist auch in der Geschichtswissenschaft wieder en vogue. In der Nationalismusforschung wie in der Geschichtsschreibung zum Bürgertum oder der ländlichen Gesellschaft vor 1800, in Arbeiten zur frühmodernen Sozialdisziplinierung ebenso wie zur kulturellen Revolution der 1960er Jahre steht die Analyse religiöser Symbole, Rituale und Praktiken hoch im Kurs. Während Religion in der Geschichte der Frühen Neuzeit immer schon ein wichtiges Thema war, ist dies für die Moderne, und das 20. Jahrhundert zumal, ein in dieser Intensität neues Phänomen. Der Theologe Friedrich Wilhelm Graf hat es griffig als die »Wiederkehr der Götter« bezeichnet (2004), und dieser Plural zeigt an, dass die Fragen und Perspektiven einer erneuerten Religionsgeschichte sehr viel pluraler und offener sind als ältere Ansätze. Eine solche Pluralität bietet Chancen. Die Erzählformen und Wertvorstellungen einer konfessionell gebundenen Historiographie können dadurch ebenso relativiert werden wie die einer säkularen Sozialgeschichtsschreibung, die Religion lange Zeit als randständiges Phänomen oder sogar als Hindernis des Fortschritts betrachtet hat. Eine solche methodische Pluralität bringt aber auch die Gefahr mit sich, dass Religion wiederum, von den Debatten über die frühmoderne Staatsbildung bis zu den Identitätsproblemen der Europäischen Union, nur als ein abgeleitetes Phänomen behandelt wird, das andere Probleme erhellt, aber nicht in seiner eigenen Wertigkeit als relevant erscheint. Dies gilt zumal für eine sozialgeschichtliche Perspektive. Diese versteht Religion nicht in erster Linie als ein geistiges oder institutionelles, sondern als ein im weitesten Sinne soziales Phänomen. Sie achtet deshalb mit guten Gründen auf Distanz zu einzelnen Religionen und Konfessionen und versteht diese in ihrer Funktion für übergreifende soziale Zusammenhänge. Demgegenüber beharren Theologen auf dem, was sie das proprium oder Besondere der Religion nennen: die je spezifische Weltsicht und die Erwartungen der Gläubigen und ihre Kommunikation über Gott. Wir müssen im Blick behalten, ob und wie sich ein sozialhistorischer Zugang mit dem eigentlichen Thema der Religion, der das irdische Leben übersteigenden Transzendenz, vereinbaren lässt oder ob dieses Thema durch die Pluralität religionshistorischer Ansätze aus dem Blick gerät. Ziel dieser historischen Einführung ist ein Überblick über die wichtigsten Begriffe und Konzepte der Sozialgeschichte der Religion in der Neuzeit, also von der Reformation im 16. Jahrhundert bis zur aus Sicht religiöser Beobachter weitgehend säkularen Gesellschaft der Gegenwart. Forschungen zur Transformation der Religion im 16./17. sowie im 19. Jahrhundert finden dabei besondere Aufmerksamkeit. Geographisch werden vornehmlich die deutschsprachigen Gebiete, England, Frankreich und die USA behandelt. Die Auswahl der vorgestellten Themen und Forschungen richtet sich daran aus, dass diese einen Beitrag zur konzeptionellen Weiterentwicklung der Sozialgeschichte der Religion leisten oder exemplarischen Charakter haben. Es werden aber nicht nur Themen und Begriffe der Sozialgeschichte der Religion diskutiert, sondern an praktischen Beispielen auch der Einfluss, den unterschiedliche Quellengrundlagen auf ihr Studium haben. Dabei werden die christlichen Konfessionen und das Judentum behandelt, nicht aber der Islam, dessen Position in der neueren europäischen Religionsgeschichte erst in letzter Zeit mit sozialgeschichtlichen Fragestellungen behandelt worden ist (Schulze 2007).
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