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Lukrez Lehrgedicht De rerum natura ist durch vier grundlegende poetologische Merkmale gekennzeichnet: mimetische Wortanordnung, bildliche Sprache, detaillierte Zerlegung des Sachverhalts und ein spezifisches Lehrer/Schüler-Verhältnis. Diese Charakteristika verweisen alle auf Philodem. Die mimetische Wortanordnung fügt sich in den Kontext von Philodems De poematis, in dem als Kriterium für gute Dichtung die Einheit von Inhalt und Form gefordert wird. Die bildliche Sprache korrespondiert dem Konzept einer allgemeinen Ähnlichkeit, das auf dem epikureischen Atomismus beruht und das Philodem in De signis zur theoretischen Fundierung des Analogieschlusses als eines adäquaten Mittels zur Erkenntnisgewinnung entwickelt. Die detaillierte, auf größtmögliche Explizitheit zielende Zerlegung des Sachverhalts reflektiert die rhetorische Tugend der Klarheit, die in Philodems Rhetorica eine ausführliche Behandlung erfährt. Das in der Gattung des Lehrgedichts zum Ausdruck kommende Lehrer/Schüler-Verhältnis ist durch die epikureische Unterweisung geprägt, die auf die emotionale Erschütterung des Schülers abzielt und die Philodem in De libertate dicendi wiederholt durch die Analogie zur medizinisch-therapeutischen Reinigung erklärt.
Autorentext
Beate Beer, geb. 1976, studierte in Zürich deutsche und lateinische Sprach- und Literaturwissenschaft und wurde 2008 ebenda nach einem Studienaufenthalt in Oxford im akademischen Jahr 2006/07 promoviert. Sie ist als Bibliotheksassistentin und Lehrbeauftragte am Klassisch-Philologischen Seminar der Universität Zürich tätig.
Klappentext
'Dabei tritt umgekehrt auch eine Affinität der epikureischen Lehre zur dichterischen Ausdrucksweise zutage. Diese ist sowohl in der beiden Bereichen eigenen Konkretisierung nur geistig fassbarer Sachverhalte als auch in der Entsprechung von philosophischer Dogmatik und rhetorischer Epideixis begründet.' Die Wortanordnung ist ein zentrales poetologisches Charakteristikum von Lukrez' De rerum natura. Durch diese wird eine Klarheit erreicht, die Sachverhalte, welche der sinnlichen Wahrnehmung entzogen sind, mimetisch abzubilden vermag. In dieser mimetischen Wortanordnung erscheinen Inhalt und Form eng aufeinander bezogen. Sie kann durch Philodems Traktat De poematis erläutert werden, in dem er als Kriterium für gute Dichtung die Einheit von Inhalt und Form fordert. Gemäss der epikureischen Lehre liegt allen Dingen eine endliche Zahl verschiedener Formen von Urkörperchen zugrunde. Daraus resultiert eine Ähnlichkeit aller Dinge, welcher in De rerum natura die bildliche Sprache als zweites in dieser Studie behandeltes poetologisches Charakteristikum gerecht wird. Das Konzept einer allgemeinen Ähnlichkeit zieht auch Philodem in De signis heran, um den Analogieschluss als adäquates Mittel zur Erkenntnisgewinnung zu erweisen. Dabei folgt er einem vagen Ähnlichkeitsbegriff, wie ebenso die poetischen Bilder in De rerum natura letztlich unbestimmt bleiben müssen. Einzig die rhetorische Tugend der Klarheit erfährt in Philodems Rhetorica eine ausführliche Behandlung. In diesem Kontext wird deutlich, wie häufig in De rerum natura durch die detaillierte Zerlegung des zu beschreibenden Sachverhalts, die in dieser Studie als drittes poetologisches Charakteristikum erläutert wird, grösstmögliche Explizitheit erzielt wird. In epikureischer Unterweisung wird die emotionale Erschütterung des Schülers verfolgt. Diese emotionale Erschütterung wird in Philodems De libertate dicendi wiederholtermassen durch die Analogie zur medizinischen Reinigung erklärt. Die Analogie zur Medizin erhellt den bei Lukrez prominenten Absinthvergleich, in dem De rerum natura als therapeutische Dichtung beschrieben wird. Ihre Wirkung wird durch das Lehrer/Schüler-Verhältnis im Lehrgedicht - das vierte poetologische Charakteristikum in dieser Studie - gewährleistet.