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Eine Geschichte über Liebe, Beziehung, Ehe und Familie, in der Gail und ihr Ex-Mann Max versuchen, die Tage rund um die Hochzeit ihrer Tochter gemeinsam zu meistern und sich überraschend gut verstehen.
Drei Tage stehen an, in denen sich Gail und Max, beide Ende fünfzig und seit Längerem getrennt, anlässlich der Hochzeit ihrer Tochter Debbie zusammenfinden. Max reist, nichts ahnend von der Allergie des Bräutigams, überraschenderweise mit einer Katze an, weshalb er statt bei seiner Tochter bei Gail wohnen muss. Obwohl diese Vorstellung für Gail zunächst kaum auszuhalten ist, willigt sie ihrer Tochter zuliebe zähneknirschend ein. Doch schnell zeigt sich: Die alte Verbindung ist immer noch da. Gemeinsam müssen sie sich mit der Frage nach der Treue des Bräutigams auseinandersetzen, und damit, ob Vertrauen auch nach Jahren wiederhergestellt werden kann. Sie blicken aus belustigter Distanz auf die etwas zu traditionellen Feierlichkeiten, erinnern sich an Vergangenes und stellen sich Fragen nach der Zukunft was hält das Leben noch für sie bereit?
»Die großartige Anne Tyler schenkt den beiden Figuren Schlagfertigkeit und Schwung. Selten las sich eine Begegnung mit dem Ex so zauberhaft wie in 'Drei Tage im Juni'.« Barbara Gärtner, DONNA, 07.11.2024
Autorentext
Anne Tyler, geboren 1941 in Minneapolis, Minnesota, ist Autorin von zahlreichen Romanen und Trägerin des Pulitzerpreises. Für ihr Lebenswerk erhielt sie den Sunday Times Award. Sie ist Mitglied der American Academy und des Institute of Arts and Letters. Bei Kein & Aber erschienen unter anderem ihre Bestseller Eine gemeinsame Sache, Launen der Zeit, Der leuchtend blaue Faden, mit dem sie auf der Shortlist des Man Booker Prize und des Women's Prize for Fiction stand, sowie Der Sinn des Ganzen, der für den Booker Prize nominiert war. 2024 erschien ihr neuer Roman Drei Tage im Juni. Anne Tyler lebt in Baltimore.
Leseprobe
I
Schönheitstag
Niemand klopft mehr auf seine Uhr, ist Ihnen das auch aufgefallen?
Ich rede von ganz normalen Armbanduhren. Wissen Sie noch, wie man früher darauf geklopft hat?
Mein Vater zum Beispiel. Er hatte eine Timex mit einem Zifferblatt so groß wie ein Fünfzig-Cent-Stück, und immer wenn ihn meine Mutter warten ließ, sah er stirnrunzelnd auf die Uhr und klopfte. Womit er, wie ich heute glaube, sagen wollte: »Das gibts doch nicht. Kann es wirklich schon so spät sein?« Doch als ich klein war, dachte ich jedes Mal, er wollte die Zeit vorspulen, damit meine Mutter sofort, und zwar schon im Mantel, wie eine Figur in einem Zeitrafferfilm vor uns stünde.
Mir fiel das neulich wieder ein, als ich eines Freitagmorgens am Büro von Marilee Burton vorbeiging, der Direktorin der Schule, an der ich tätig war, und sie mich zu sich rief. »Komm, wir plaudern ein bisschen«, sagte sie, was nicht alle Tage vorkam. (Wir hatten eine mehr oder weniger rein professionelle Beziehung.) Sie winkte mich zu dem Windsor-Stuhl vor ihrem Schreibtisch, doch ich blieb in der Tür stehen und reckte den Kopf in ihre Richtung.
»Ich wollte dir sagen, dass ich am Montag nicht kommen kann«, sagte sie. »Ich muss eine Kardioversion durchführen lassen.«
»Eine was?«, fragte ich.
»Eine Behandlung am Herz. Es schlägt nicht mehr richtig.«
»Aha.« Ich schaffte es nicht, Erstaunen zu heucheln. Sie war eine von diesen damenhaften Frauen, die immer und überall High Heels tragen, eine perfekte Kandidatin für Herzprobleme. »Das tut mir leid«, sagte ich.
»Das Herz wird durch einen Stromstoß angehalten und neu in Gang gesetzt.«
»Ha wie wenn man auf eine Uhr klopft«, sagte ich.
»Bitte?«
»Ist es gefährlich?«
»Nein, nein. Ich habe es sogar schon einmal machen lassen. Aber das war in den Frühjahrsferien, da habe ich es nicht angekündigt.«
»Okay«, sagte ich. »Und wie lange wirst du weg sein?«
»Am Dienstag bin ich zurück in alter Frische. Für dich ändert sich gar nichts. Allerdings«, sagte sie, setzte sich aufrechter hin, räusperte sich und richtete mit abgezirkelten Bewegungen einen Stapel Papier aus, der nicht ausgerichtet zu werden brauchte »allerdings bringt mich das zu einem Thema, das ich schon länger mit dir besprechen wollte.«
Auch ich machte den Rücken nun etwas gerader. Ich bin in Bezug auf den Tonfall anderer Leute sehr wach.
»Ich werde an meinem nächsten Geburtstag sechsundsechzig «, sagte sie, »und Ralph ist gerade achtundsechzig geworden. Er möchte ein bisschen reisen und die Enkel häufiger sehen.«
»Aha.«
»Ich werde also vor Beginn des neuen Schuljahrs kündigen.«
Das neue Schuljahr würde im September beginnen. Es war bereits Ende Juni.
»Willst du damit sagen, dass ich Direktorin werde?«, fragte ich.
Eine durchaus logische Frage. Irgendwer musste schließlich Direktorin werden. Und ich war ganz klar als Nächste dran. Ich war seit elf Jahren Marilees Stellvertreterin. Doch Marilee schwieg eine Weile, so als hätte ich mir etwas angemaßt. Dann sagte sie: »Genau darüber wollte ich mich mit dir unterhalten.«
Sie nahm das oberste Blatt von dem Stapel, drehte es zu mir hin und schob es über den Schreibtisch. Ich trat widerwillig einen Schritt nach vorn und spähte darauf. Eine maschinenbeschriebene Seite mit einem in einer Ecke angetackerten Zeitungsausschnitt das Schwarz- Weiß-Foto einer ernst dreinblickenden jungen Frau mit resolut gelocktem dunklem Haar. Lehrerin aus Nashville gewinnt mit Studie über Lernunterschiede McLellan-Preis lautete die Überschrift.
»Nashville?«, las ich laut. (Wir lebten in Baltimore.) Und der McLellan-Preis sagte mir überhaupt nichts.
»Als ich die Kündigung in Erwägung zu ziehen begann, habe ich den Schulausschuss auf sie hingewiesen«, erklärte Marilee. »Dorothy Edge. Du hast vielleicht schon von ihr gehört. Ich hatte zuvor ihr Buch gelesen und war sehr beeindruckt.«
»Du hast den Schulausschuss auf sie hingewiesen«, wiederholte ich.
»Gail, du bist immerhin einundsechzig und wirst ebenfalls nicht mehr allzu lange berufstätig sein«, sagte sie.
»Ja, ich bin einundsechzig!«, erwiderte ich. »Eine Ewigkeit von der Pensionierung entfernt.«
»Es ist nicht nur eine Frage des Alters.« Sie sah mich an und hob dabei das Kinn, so wie Leute, die wissen, dass sie im Unrecht sind. »Machen wir uns nichts vor: Dieser Job steht und fällt mit der Sozialkompetenz, das weißt du genau! Und dass soziale Interaktion noch nie deine Stärke war, bestreitest du selbst wohl als Letzte.«
»Was soll das heißen?«, fragte ich. »Was meinst du mit sozialer Interaktion?«
»Du hast natürlich jede Menge anderer Kompetenzen «, sagte Marilee. »Du bist sehr viel besser organisiert als ich. Vor Publikum bist du eloquenter. Aber nehmen wir die augenblickliche Situation. Ich erzähle von meinen Herzproblemen, und du sagst nur Ach so und gehst zu der Frage über, ob du meinen Job haben kannst.«
»Ich sagte Aha«, brachte ich ihr in Erinnerung. »Und ich sagte Das tut mir leid.« (Eine weitere Stärke von mir ich habe ein ausgezeichnetes auditives Gedächtnis, auch was meine eigenen Worte betrifft.) »Was wolltest du denn noch hören?«
»Ich wollte überhaupt nichts«, erwiderte sie. Ihr Kinn deutete inzwischen praktisch zur Decke. »Ich sage nur, dass man als Leiterin einer privaten Mädchenschule Taktgefühl braucht. Diplomatische Fähigkeiten. Da kann man nicht einfach sagen Meine Güte, Mrs Morris, es muss Ihnen doch klar sein, dass Ihre Tochter nicht die geringste Chance hat, in Princeton aufgenommen zu werden.«
»Katy Morris schafft es nicht mal auf eine anständige Berufs schule«, sagte ich.
»Darum geht es nicht.«
»Ach so? Nur weil ich nicht bereit bin, deinen stinkreichen Eltern Honig ums Maul zu schmieren, bin ich dazu verdammt, auf ewig stellvertretende Direktorin zu bleiben?«
»Oder«, sagte Marilee, fuhr ihr Kinn wieder hinunter und sah mich über den großen Schreibtisch hinweg herausfordernd an, »vielleicht gerade nicht zu bleiben.«
»Wie bitte?«
»Vielleicht solltest du eine and…