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Für die politischen und ethischen Probleme, die der medizinische und technologische Fortschritt aufwirft, gibt es keine Patentrezepte. Andreas Kuhlmann verbindet seine Reflexionen über Fortpflanzungsmedizin und Sterbehilfe mit grundlegenden Fragen der menschlichen Existenz: Es geht ihm um eine Haltung, die auch den Herausforderungen an den Grenzen des Lebens - Geburt, Tod, Krankheit und Behinderung - sensibel gegenübertritt. Die Konfrontation eingespielter Denkmuster mit den konkreten Erfahrungen körperlicher Begrenzung führt zu einer veränderten Konzeption von Autonomie. Diese setzt weder den gesunden und leistungsfähigen Körper unhinterfragt als Norm, noch leugnet sie in blinder Ablehnung medizinischer Möglichkeiten das Leid der Betroffenen.
Autorentext
Der Philosoph Andreas Kuhlmann (1959 - 2009) lebte als freier Autor in Frankfurt. Er schrieb unter anderem für die FAZ, FR und Die Zeit. 1995 erschien sein Buch »Sterbehilfe«, 1996 »Abtreibung und Selbstbestimmung«.
Zusammenfassung
Unter welchen Zugzwang setzt uns die PID?
"Als Grundlage unserer Bioethikdebatten ein außerordentlicher Lesegewinn." (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 08.09.2011)
Wenn die eigene Physis tyrannisch wird
"Andreas Kuhlmanns Texte zur Bioethik bestechen durch humane Klugheit." (Süddeutsche Zeitung, 10.02.2012)
So frei es geht
"Wie viele Bücher sind es, die man Lesern uneingeschränkt nahelegen möchte? Dieses gehört zu den wenigen, auch wenn es anspruchsvoll ist: Denn es versteht mehr vom gebrechlichen Menschen und von seinem Begehren nach Autonomie, als es in den freiheitlichen Reden über Selbstbestimmung, Wahlfreiheit, bürgerliche Liberalität sonst zu hören ist." (Die Zeit, 08.03.2012)
Leseprobe
Die epochalen Errungenschaften der Biowissenschaften führen nicht nur zu einer tiefgreifenden Transformation der "äußeren" Natur, sondern ebenso zu einer Neuformierung der physischen Konstitution des Menschen. Unter dem Einfluss der Biomedizin werden Menschen gleich in zweifacher Weise zum Gegenstand technologischer Eingriffe: Als Patienten nämlich sehen sie sich einem immer größeren Angebot an diagnostischen, präventiven und therapeutischen Dienstleistungen gegenüber. Und zugleich sehen sich Menschen in verschiedensten Lebensstadien Begehrlichkeiten ausgesetzt, da sie als Ressource für die Heilung anderer Personen nutzbar gemacht werden können. Infolge dieser doppelten Rolle, die Menschen im Rahmen neuer therapeutischer Möglichkeiten zufällt, stellt sich zum einen die Frage, was für sie getan werden muss oder zumindest getan werden sollte, und zum anderen, wie mit ihnen verfahren werden darf. Die Vielfalt möglicher Hilfeleistungen lässt die Frage unabweisbar werden, wann sie versehrten Personen wirklich zugute kommen. Nicht zu übersehen ist dieses Problem am Lebensende: Ob es immer sinnvoll ist, lebenserhaltende Maßnahmen in extenso zum Einsatz zu bringen, beschäftigt nicht nur die Fantasie vieler Normalbürger, sondern in vielen Ländern längst auch zahlreiche Gerichtsinstanzen. Ein noch wesentlich größerer Einfluss auf die Gestaltung gesamter Lebensverläufe wird in Zukunft von der bloßen Möglichkeit ausgehen, Krankheitsdispositionen lange vor dem Zutagetreten irgendwelcher Symptome zu erkennen. Entscheidungen darüber, wie viel der einzelne Patient wissen will und welche Prävention er aufgrund solcher Prognostik betreibt, wird die Qualität seines Lebens erheblich beeinflussen - und dies ganz unabhängig davon, in welcher Weise Dritte über die gendiagnostisch ermittelten Daten verfügen. Als Objekt der Begierde wird einem Menschen Aufmerksamkeit zuteil, wenn er als potentieller Proband für die Forschung oder als "Lieferant" von Zellmaterial und Organen Bedeutung erlangt. Und dies gilt nicht nur für Personen, die erkrankt sind, im Koma liegen oder als "hirntot" gelten. Nachdem es im Jahre 1999 erstmals gelungen ist, embryonale Stammzellen zu isolieren und zu spezifischen Differenzierungsleistungen zu animieren, hat die seit Anfang der achtziger Jahre heftig umstrittene Möglichkeit, mit frühen Stadien menschlichen Lebens zu experimentieren und diese für die Heilung entwickelter Organismen zu nutzen, ganz neue Brisanz erlangt. Durch "therapeutisches Klonen" und die darauf folgende Verwendung der Stammzellen kommt es zu einer Engführung von Reproduktions- und "Reparatur"-Medizin: Neue Organismen werden nur noch hergestellt, um "alten" Organismen das Überleben zu sichern. Bei einem bestimmten Typus von Patienten können sich die beiden möglichen Rollenzuschreibungen auch überschneiden. In Hinblick auf Personen, die sich bereits seit Jahren im Wachkoma befinden und die deshalb mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit von einem irreversiblen Bewusstseinsverlust betroffen sind, wurde in der Öffentlichkeit wie vor Gericht heftig und langwierig darüber gestritten, ob sie bis hin zu einem "natürlichen" Ende künstlich ernährt werden müssen oder ob durch Entzug der Nahrung das Sterben beschleunigt werden darf. Die gleichen, als "Teilhirntote" qualifizierte "Apalliker" gelten aber zugleich als Kandidaten für die Organentnahme (vgl. Veatch 1993; Hoffenberg et al. 1997). Für ein und dieselbe Personengruppe wird also einerseits postuliert, dass man die künstliche, häufig mit wiederholten kleineren Operationen verbundene Nahrungszufuhr in jedem Falle aufrechterhalten müsse; andererseits wird von anderen Autoren erwogen, ebendiese Patienten "aufzuschneiden" und ihre Organe zu explantieren. Man muss nur einen flüchtigen Blick auf die neuen medizinischen Möglichkeiten werfen, um gewahr zu werden, dass bisher nicht gekannte Entscheidungszwänge unsere Vorstellungen davon, wie mit hilflosen Menschen umzugehen ist, einem Härtetest aussetzen. Und all diese Optionen sind mit der Notwendigkeit verbunden, einen differenzierenden, spezifizierenden Blick auf menschliche Organismen und erkrankte Personen zu werfen. Was für sie getan werden muss, was mit ihnen getan werden darf, lässt sich nur dann darlegen, wenn über den Status und die spezifische Bedürftigkeit der betroffenen menschlichen Individuen befunden wird. Genau darin besteht die Aufgabe der inzwischen schon hoch professionalisierten Bioethik, insofern sie sich den spezielleren Fragen der Biomedizin widmet. Ob Menschen als Ressource verwendet, also einer sehr weitgehenden Instrumentalisierung ausgesetzt werden dürfen, lässt sich nur mit Rekurs auf jene moralischen und rechtlichen Ansprüche darlegen, die sie während bestimmter Lebensstadien geltend machen können. Und der Nutzen medizinischer Unterstützung kann nur dann eruiert werden, wenn die Wünsche, Bedürfnisse und Chancen von Patienten in verschiedenen Abschnitten einer Erkrankung Berücksichtigung finden. Es sind also der moralische und rechtliche Status und die besonderen Interessen von Patienten (inklusive frühester Lebensstadien), die einen zentralen Gegenstand der Bioethik darstellen. Genau diese Praxis der begrifflichen Spezifizierung hat nun aber die Bioethik in Deutschland einem Generalverdacht ausgesetzt. Dass mit Menschen in verschiedenen Lebens- und Krankheitsphasen in unterschiedlicher Weise umgegangen wird und umgegangen werden soll, gilt als rabiater Verstoß gegen elementare moralische und rechtliche Gebote. Die bloße Frage, wer in den Genuss welcher Unterstützungsleistungen kommen soll, erscheint als Ausdruck einer gleichsam in den Prämissen der neuen Disziplin verankerten Diskriminierung; und dass es Vertretern dieses Faches unter bestimmten Bedingungen als zulässig erscheint, mit Embryonen zu forschen oder Föten oder hirntote Personen als Reservoir für die Transplantationsmedizin zu nutzen, gilt als Verletzung des grundlegenden Instrumentalisierungsverbotes. Damit, so scheint es, wird lediglich die gnadenlose Verwertung menschlichen Lebens legitimiert. Die Bioethik gilt als "Durchsetzungsethik für die Mode…
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