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Gegenwärtig entstehen neue Modelle elterlicher Rollengestaltung, die durch ein gestiegenes Engagement der Väter und eine emphatischere Vater-Kind-Beziehung gekennzeichnet sind. Dieses Buch zeigt das Nebeneinander unterschiedlicher Gestaltungsformen von Vaterschaft im Modernisierungsprozess anhand eines breiten Typenspektrums auf: Fallanalysen lassen verschiedene Lösungen für die komplexer werdenden Anforderungen an heutige Väter erkennen.
»Die Studie von Bambey und Gumbinger zeichnet sich durch ihre Nachvollziehbarkeit sowie die umfängliche Darstellung der quantitativen und qualitativen Erhebung aus.« Dr. Irmgard Diewald, Soziologische Revue, 01.07.2019
Autorentext
Dr. Andrea Bambey ist Soziologin. Dr. Hans-Walter Gumbinger ist Soziologe und arbeitet in einer psychoanalytisch orientierten Einrichtung der Jugend- und Erziehungshilfe.
Leseprobe
Vorwort Aus nicht ganz unproblematischen Gründen stand die Figur des Vaters von Beginn an im Zentrum der klassischen Forschungen des Instituts für Sozialforschung zum gesellschaftlichen Strukturwandel der Familie. In der Tradition der Psychoanalyse Freuds war man überzeugt davon, dass über das Triebschicksal des Kindes und damit über seine späteren Charaktereigenschaften vor allem entscheidet, welche Haltung und Stellung der Vater im Erziehungsprozess einnimmt; solange dessen Autorität noch irgendeine, für das Kind wahrnehmbare Stützung durch eine herausgehobene Position im kapitalistischen Produktionsprozess erfährt, glaubte man auf eine halbwegs intakte Bildung von Ichstärke beim Kind schließen zu können, ist aber eine solche gesellschaftliche Verankerung nicht mehr gegeben, so sollte es auch um die kindlichen Reifungsprozesse viel schlechter bestellt sein und die Gefahr der Anfälligkeit für autoritäre Führer wachsen (vgl. Horkheimer 1988 [1936]). An diesem Deutungsschema, das von Anfang an nicht allzu plausibel gewesen war, hielt man in der Kerngruppe des Instituts auch dann noch fest, als sich in Folge des Weltkriegs die sozioökonomischen und politischen Verhältnisse so sehr gewandelt hatten, dass auch die Familien vollkommen neue Formen und Gestalten anzunehmen begannen; obwohl die Väter nun entweder aufgrund von Kriegserfahrung und Gefangenschaft psychisch erheblich geschwächt oder im Todesfall als Erziehungspersonen vollständig weggefallen waren, operierte man weiterhin mit der Vorstellung, nur bei stabiler Autoritätsfunktion des männlichen Elternteils könne das (männliche) Kind eine leidlich ichstarke Persönlichkeit entwickeln (vgl. Horkheimer 1987 [1947/1949]; vgl. auch: Institut für Sozialforschung 1956: Kap. IX). Aus dem Blick geriet bei alldem nicht allein die erzieherische oder sozialisatorische Rolle der Mutter, die schon bei Freud nur ein randständiges Dasein im frühen Triebleben des Kindes gefristet hatte, es wurde vielmehr auch wie selbstverständlich vorausgesetzt, dass der Vater seine Funktion innerhalb der Familie nur angemessen erfüllen könne, wenn er dem Kind gegenüber als glaubwürdiger Repräsentant der in der Gesellschaft herrschenden Normen aufträte. Dieses ohnehin problematische Bild der sozialisatorischen Schlüsselstellung des Vaters muss inzwischen aufgrund des Strukturwandels der Familie endgültig als überholt betrachtet werden; die Väter werden allmählich, ob sie wollen oder nicht, unter dem Druck des unaufhaltsamen Prozesses der Gleichstellung der Frauen gezwungen, veränderte Rollen auch im häuslichen Leben anzunehmen und sich gegenüber Mutter und Kind gänzlich neu zu positionieren. Mit der Frage, wie weit dieser Prozess einer normativ erzwungenen Transformation der Vaterrolle mittlerweile fortgeschritten ist, beschäftigt sich die vorliegende Studie; sie darf als eine der umfassendsten deutschen Untersuchungen zum heute drängenden Thema gelten, wie es um die Parole vom "neuen Vater" hinter der Fassade von wohlmeinenden Bekundungen und Absichtserklärungen in den Familien tatsächlich steht. Andrea Bambey und Hans-Walter Gumbinger, die Autorin und der Autor des im Folgenden zu lesenden Buches, verfolgten schon vor 15 Jahren im Institut für Sozialforschung das Ziel, auf der Grundlage einer empirischen Studie zu erkunden, ob sich in Folge der zunehmend geforderten Gleichstellung der Geschlechter in den Familien ein Wandel hin zu einer anderen, stärker auf Fürsorge und Zuwendung zugeschnittenen Rolle des Vaters vollzogen haben könnte und wie sich das gegebenenfalls auf die kindliche Entwicklung auswirken würde. In ihrem seinerzeit von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projekt gingen sie dieser Frage nach, indem sie zunächst mit Hilfe eines an mehr als 2 000 Väter von Grundschulkindern verschickten Fragebogens zu ermitteln versuchten, ob sich in Hinblick auf die familiale Rolle, den Umfang und die Art der erzieherischen Tätigkeit sowie der Haltung gegenüber dem Kind Wandlungen im väterlichen Selbstverständnis vollzogen haben; in einem zweiten Schritt wurde dann in Form von qualitativen Interviews mit ausgewählten Teilnehmern der erste Runde, allerdings unter Einbeziehung der jeweiligen Partnerinnen, geprüft und ausgelotet, ob und wie sich die in den Antworten auf die Fragebögen dokumentierenden Selbsteinschätzungen in den von beiden Seiten geschilderten Familienbeziehungen tatsächlich spiegeln. Auch in dem sich anschließenden Jahrzehnt hat die Frage, ob überhaupt und wenn, dann wie, heutzutage von "neuen" Vätern gesprochen werden kann, die beiden Autoren nicht mehr losgelassen; beruflich inzwischen zwar mit anderen Aufgaben befasst, blieben sie ihrem Thema verhaftet und nahmen jede sich bietende Möglichkeit wahr, ihr ursprüngliches Projekt in Auseinandersetzung mit der sich ausweitenden Diskussion weiterzuentwickeln. Dass jetzt die damals begonnene und zwischenzeitlich um wichtige Differenzierungen und Einsichten bereicherte Studie als Buch in der Schriftenreihe des Instituts für Sozialforschung erscheinen kann, erfüllt uns alle mit größter Genugtuung und Freude. Schon die ursprüngliche Untersuchung mündete in dem Versuch, auf der Basis einer Integration der quantitativen und qualitativen Ergebnisse der Erhebung eine Typologie von unterschiedlich in die Familie einbezogenen und in ihr tätigen Vätern zu entwerfen - über die Absicht und den methodischen Aufbau ihrer empirischen Untersuchung berichten Andrea Bambey und Hans-Walter Gumbinger ausführlich im dritten Kapitel ihres Buches. Was damals aber noch erste Hypothesenbildung und tastender Vorentwurf war, ist inzwischen dank der wiederholten Prüfung und Konkretisierung auf Fachtagungen und in weitverzweigten Debatten zum Kernstück der vorliegenden Studie geworden: eine auch quantitativ gewichtete Unterscheidung von sechs unterschiedlichen Typen von Vätern, die sich in Hinblick auf ihr Rollenverständnis, ihr Bindungsverhalten, ihre Erziehungsvorstellungen, ihre Auffassung von Partnerschaft und familialer Arbeitsteilung sowie schließlich ihre Einbeziehung in die Familie markant voneinander unterscheiden und heute doch alle den Alltag des Familienlebens in der ein oder anderen Weise prägen. Der Schilderung dieser verschiedenen Weisen, gegenwärtig Vaterschaft zu praktizieren, dient der Hauptteil der Studie; er besticht vor allem dadurch, dass im Falle aller sechs Typen die vorweg abstrakt umrissenen Charakterisierungen auf dem Weg einer feinziselierten Präsentation einzelner Fallbeispiele veranschaulicht und mit Leben gefüllt werden. Immer wieder zeigt sich so, was ein typisches Bündel von väterlichen Verhaltensweisen für die gegenwärtige Lebenswirklichkeit von Familien tatsächlich bedeutet: Da ist zunächst der "fassadenhafte Vater", dessen Typus ungefähr ein Viertel der untersuchten Männer entspricht, er orientiert sich zwar an den modernen Leitbildern der Geschlechtergleichheit und der zuwendungsvollen, auf jegliche Züchtigung verzichtenden Kindererziehung, nur bleiben diese Zielsetzungen eher abstrakt und schlagen sich noch nicht im alltäglichen Familienverhalten nie…