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Geschichte ist nicht nur das, was geschehen ist - Geschichte ist auch das, was zu einzelnen Ereignissen aufgezeichnet worden ist, und das, worüber man in welcher Weise kommuniziert und debattiert hat. Geschichte ist somit nur in vermittelter Form zugänglich. Achim Landwehr erklärt zunächst die Wurzeln der historischen Diskursanalyse, die sich intensiv mit diesen Fragen beschäftigt: von der Begriffsgeschichte Reinhart Kosellecks über die Arbeiten Hayden Whites bis zu den Studien Michel Foucaults. Auf dieser Grundlage zeigt er, welchen Nutzen die analytische Kategorie des Diskurses für die Geschichtswissenschaften hat. Zudem stellt er dar, wie sich empirisch fundierte historische Diskursanalysen im Studium durchführen lassen und was es dabei zu beachten gilt. Für alle, die sich mit dieser einflussreichen Theorie und Methode vertraut machen wollen, ist der Band ein unverzichtbares Standardwerk.
"Eine gut strukturierte und dokumentierte Einführung ...für Studenten" Das Historisch-Politische Buch
Autorentext
Achim Landwehr ist Professor für Geschichte der Frühen Neuzeit an der Universität Düsseldorf.
Leseprobe
Vorwort Zuweilen ist zu hören und zu lesen, es handele sich bei allem, was mit Begriffen wie Diskurs, Diskursanalyse oder Diskursgeschichte in Verbindung gebracht werden könnte, um wissenschaftliche Modephänomene, die nicht nur genauso schnell wieder verschwänden wie sie aufgetaucht seien, sondern die vor allem - horribile dictu - als inhaltsleere Worthülsen gebraucht würden, um am jüngsten akademischen Trend mit möglichst großer Aufmerksamkeitswahrscheinlichkeit teilnehmen zu können. Da ich in dieser Angelegenheit parteiisch bin, möchte ich mich einer Beurteilung dieser Einschätzung enthalten. Aber hier und da geäußerte Vorwürfe in diese Richtung müssen zumindest mit dem Umstand zurecht kommen, dass es sich bei Diskurstheorie und Diskursanalyse um Ansätze handelt, die schon seit einigen Jahrzehnten in unterschiedlichen wissenschaftlichen Zusammenhängen für Diskussionsstoff und auch für zahlreiche Anregungen sorgen - für eine Modeerscheinung ein recht langer Zeitraum, sollte man meinen. Dass es sich um mehr als ein Gekräusel an der Oberfläche wissenschaftlicher Tagesdebatten handelt, könnte eventuell auch der vorliegende Band belegen. Er erschien erstmals 2001 unter dem Titel Geschichte des Sagbaren. Einführung in die historische Diskursanalyse im Tübinger Verlag edition diskord, erfuhr 2004 eine unveränderte Neuauflage und hat nun nicht nur die verlegerische Heimat gewechselt, sondern auch eine dringend benötigte Überarbeitung erfahren. Eine Revision dieser Einführung lag mir schon länger am Herzen. Nicht nur hat sich die Forschungslandschaft zur Diskursgeschichte und historischen Diskursanalyse in den vergangenen Jahren verändert, auch in meinen eigenen Überlegungen zu diesem Themenbereich kam es zu einigen inhaltlichen Verlagerungen und neuen Schwerpunktsetzungen. All dies hat zwar nicht dazu geführt, dass nun ein gänzlich neues Buch vorliegen würde, aber doch ein grundlegend überarbeitetes und in einigen Teilen von seinem Vorgänger deutlich abweichendes. Dies betrifft zunächst die sprachliche Form. Kaum ein Satz ist unverändert geblieben, was weniger mit einer möglichen Fehlerhaftigkeit der früheren Auflage zu tun hat, sondern mit einer mir nötig erscheinenden Politur an den Formulierungen. Die wichtigste inhaltliche Veränderung zielt hingegen auf eine weniger deutliche Betonung der Sprache, die in der vorherigen Auflage doch zu stark geriet, und vor allem stärker, als es eigentlich intendiert war. Sprache spielt für die folgenden Darlegungen fraglos eine wesentliche Rolle, und das nicht nur, weil gerade historische Fragestellungen diesem Medium auf Gedeih und Verderb ausgeliefert sind. Bedeutsamer scheint mir aber im Zusammenhang der historischen Diskursanalyse sowie einer sie überwölbenden Kulturgeschichte das Problem historischer Wirklichkeiten, die zwar wesentlich, aber eben keineswegs ausschließlich durch sprachliche Handlungen hergestellt werden. Dieser Aspekt findet sich in der Neuausgabe deutlicher berücksichtigt, weshalb auch der Titel Geschichte des Sagbaren wegfiel, da er sprachliche Aspekte über Gebühr unterstrich. Der Überarbeitung sind zum Teil ganze Kapitel zum Opfer gefallen. So ist nicht nur die Einleitung neu geschrieben worden, sondern auch das ehemals separierte Kapitel mit Quellenbeispielen wurde aufgelöst und in gänzlich neuer Form in dasjenige zu methodischen Vorgehensweisen integriert. In anderen Kapiteln wurden zum Teil neue Abschnitte eingefügt und andere gestrichen. Darüber hinaus war es vor allem mein Bestreben, die Forschungsliteratur auf den neuesten Stand zu bringen. Tanja Hommen, Stefan Jordan und Nina Schaffrin haben durch hilfreiche Kommentare das Ihrige zur Überarbeitung beigetragen. Ihnen sei an dieser Stelle herzlich gedankt! Der Aufbau des Bandes blieb - auch in der vorliegenden zweiten, aktualisierten Auflage der "Historischen Diskursanalyse" - im Grundsatz bestehen. Ziel der Einführung soll es sein, einerseits zur Klärung darüber beizutragen, was ein Diskurs ist, wie sich das Verhältnis von Geschichte, Sprache (sowie anderen Zeichensystemen) und Wirklichkeit gestaltet oder welche Diskurstheorien in den vergangenen Jahrzehnten diskutiert wurden beziehungsweise aktuell erörtert werden (Kapitel 1 bis 4). Andererseits sollen auf der Basis dieser eher theoretischen Überlegungen Hinweise gegeben werden, wie Diskursgeschichte in der Praxis vonstatten gehen kann, was beim Vorgehen der historischen Diskursanalyse zu beachten ist und welche Arbeiten diesen Ansatz bereits exemplarisch umgesetzt haben (Kapitel 5 und 6), bevor dann abschließend der Versuch einer Einordnung der historischen Diskursanalyse in weitergehende Zusammenhänge unternommen wird. Sein Ziel hätte dieses Buch am ehesten dann erreicht, wenn deutlich würde, dass es sich bei der historischen Diskursanalyse tatsächlich um eine Mode handelt, allerdings im Sinne der lateinischen Wurzel dieses Wortes - wenn die historische Untersuchung von Diskursen sich also als ein modus geschichtswissenschaftlicher Forschung etablieren könnte. Düsseldorf, im Februar 2018 1. Einleitung " und man weiß doch sehr gut, was die charakteristische Anstrengung des Historikerberufs ist und worin sein Reiz liegt: sich über das zu wundern, was sich von selbst versteht." Paul Veyne Historische Diskursanalyse ist eine Forschungsrichtung, die immer noch der Erläuterung bedarf und sich keineswegs von selbst versteht. Auch wenn ungefähr deutlich sein mag, womit sich Diskursgeschichte beschäftigt, und selbst wenn eine Ahnung davon vorhanden ist, welchen Untersuchungsschritten die historische Diskursanalyse verpflichtet ist, so lehrt doch die Erfahrung, dass sich zumindest in geschichtswissenschaftlichen Diskussionen mit diesen Bezeichnungen immer noch mehr Fragezeichen als Ausrufezeichen verbinden. Das ist Chance und Schwierigkeit zugleich: Chance, weil die historische Diskursanalyse Neugier zu wecken vermag, gerade weil man nicht schon konkrete Vorstellungen mit ihr verbindet; Schwierigkeit, weil mangelnde oder ungenügende Kenntnis den Zugang erschwert und Vorurteilen Vorschub leistet. Ziel dieses Buches ist es zunächst, diesen Erklärungsbedarf zu befriedigen. Nach der Lektüre sollte jedoch nicht nur deutlich geworden sein, was sich hinter den genannten Stichworten verbirgt, sondern auch, auf welche Fragestellungen die historische Diskursanalyse die passende Antwort sein kann, wie sich entsprechende Untersuchungen durchführen lassen und welche bereits vorhandenen Arbeiten als Exempel diskurshistorischer Ansätze gelten können. Dazu ist es nötig, einige Probleme aus dem Weg zu räumen, die sich mit der historischen Diskursanalyse verbinden und die dazu führen, dass es bis heute nicht ohne weiteres möglich ist, die Begriffe Diskurs, Diskursgeschichte oder historische Diskursanalyse zu verwenden, ohne jeweils zu erklären, was dami…
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