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Universitäres Berufungswesen aus aktueller und historischer Perspektive Kaum ein anderes Thema neben Finanzierung und Reformen scheint in der universitären Welt heute von grösserer Wichtigkeit zu sein als der Wettbewerb um die besten Köpfe. Exzellente Forscher und Wissenschaftlerinnen sollen helfen, Hochschulen zu positionieren, deren Profile zu schärfen, und letztlich zur existenziellen Sicherung der Institutionen beitragen. Wie man geeignete Professorinnen und Professoren gewinnt und welche Erfahrungen man mit Bedarf und Angebot des wissenschaftlichen Spitzenpersonals im Verlauf der Jahrhunderte universitären Lebens gesammelt hat, sind die Kernfragen dieses Bandes. Tatsache ist, dass die Geschichte des Berufungswesens einer systematischen Aufarbeitung harrt. Die Quellen sind bislang kaum gesichtet und die verschiedenen universitätsgeschichtlichen Epochen sehr ungleichmässig behandelt. Hier setzt das Buch an und bietet im Spiegel der jeweiligen Thesen zu Politik und Verfahrenspraxis des Berufungswesens ein Stück mitteleuropäischer, das heisst hier deutscher, niederländischer, österreichischer und schweizerischer Geschichte. Behandelt werden zum einen in der institutionellen Perspektive Bedarfsfragen: Wie gewinnt man Professorinnen und Professoren? Im Blick auf die Perspektive der Anbietenden beziehungsweise «Umworbenen» geht es um akademische und soziale Qualifikationen, Netzwerke und beispielhafte wissenschaftliche Schulbildungen. Thematisierung findet aber auch im Sinne von «Berufungskulturen» der in privaten und öffentlichen Reaktionen wahrgenommene Habitus der Institutionen. Dabei spannt sich der Bogen von der spätmittelalterlichen Universität mit ihrer privilegierten Kooptationspraxis von Magistern und Doktoren über die frühneuzeitliche «Familienuniversität», den «Berufungswandel» in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, der neue Qualifikationsprofile des «Professors» mit sich brachte, bis hin zu den heutigen Berufungsverfahren an den Universitäten verschiedener Reformcouleur. Aus dem Inhalt Teil I: Wie gewinnt man Professorinnen und Professoren? Der Bedarf der Institutionen Wolfgang Erik Wagner, Wer hat im Mittelalter «gerufen»? Fürsten, Städte, Universitäten und ihre Interessen an gelehrten Personen Willem Frijhoff, Qualitätswahl, Kandidatenmangel oder Nachbarfreundschaft? Die internationale Berufungspraxis der niederländischen Hochschulen zwischen 1575 und 1814 Bernhard vom Brocke, Berufungspolitik und Berufungspraxis im Deutschen Kaiserreich Christian von Coelln, Die Entwicklung von Berufungsrecht und Berufungsverfahren Hubert Detmer, Berufungs- und Bleibeverhandlungspraxis normative und faktische Entwicklungstendenzen von 1990 bis 2010 Sebastian Brändli, Berufungsstrategien als Erfolgsfaktoren. Lehrstuhlpolitik und Berufungsverfahren an den jungen Reformuniversitäten der Deutschschweiz Teil II,1: Die Berufenen: Persönliche und sozial-kulturelle Qualifikationen Matthias Asche, Biographische Profile und Rekrutierungsmechanismen von Professoren an kleinen und mittelgrossen protestantischen Universitäten im Heiligen Römischen Reich 1650-1800. Eine prosopographisch-kollektivbiographische Analyse von Professorenlexika Alfred Gutschelhofer, Profilbildung von österreichischen Universitäten durch Berufungen gemäss Universitätsgesetz 2002. Praxis und Erfahrungen an der Karl-Franzens-Universität Harald Lönnecker, « die Zugehörigkeit ist von größter Bedeutung für die Hochschul-Laufbahn.» Mitgliedschaft in studentischen Verbindungen und Vereinen als Qualitätsmerkmal für die Berufung von Professoren Wolfram C. Kändler, Konservativ, protestantisch, gedient? Zur Berufungspraxis an der Technischen Hochschule Berlin-Charlottenburg im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert Sylvia Paletschek, Berufung und Geschlecht. Berufungswandel an bundesrepublikanischen Universitäten im 20. Jahrhundert Teil II,2: Wissenschaftliche Schulbildung und Berufung Stefan Rebenich, «Geben Sie ihm eine gute Ermahnung mit auf den Weg und den Ordinarius.» Berufungspolitik und Schulbildung in der Alten Geschichte Matthias Middell, Versuchte Kontinuität über mehrere Berufungsverfahren hinweg: Das Leipziger Institut für Kultur- und Universalgeschichte Cay-Rüdiger Prüll, Medizinerberufungen und Medizinerschulen im deutschen Universitätssystem zwischen 1750 und 1945 Teil III: «Berufungskultur», Habitus, öffentliche und private Reaktionen Elmar Schübl und Johannes Uray, Auf der Suche nach geeigneten Kräften: Aktivitäten, Strategien und Kriterien in Berufungsverfahren Ulf Morgenstern, Vom Namensregister zum agilen Recherchewerkzeug. überlegungen zu Geschichte und Wandel von Professorenkatalogen aus der Sicht des Catalogus Professorum Lipsiensis Beatrix Dietel (geb. Kuchta), Berufungswege und Berufungskonkurrenz. Die Universität Leipzig in der deutschen Hochschullandschaft der Weimarer Republik Barbara Stambolis, Beruf und Berufung(en). Historiker des Jahrgangs 1943 im Rückblick auf ihr Leben mit der Geschichte Martin Kintzinger, Professorinnen und Professoren gewinnen. Zusammenfassung
Auteur
Die Herausgeber: Prof. Dr. phil. Rainer Christoph Schwinges, geb. 1943 in Paderborn, studierte Geschichte, Soziologie, Philosophie und Psychologie an den Universitäten Köln, Münster und Gießen. Nach seiner Habilitation hatte er Dozenturen an den Universitäten Osnabrück, Bielefeld und Gießen. Von 1989 bis 2008 war er Professor für Allgemeine Geschichte des Mittelalters an der Universität Bern. Seit 2008 ist er emeritiert. Seine Forschungsschwerpunkte sind Sozial- und Verfassungsgeschichte, Ideen- und Kulturgeschichte des hohen und späten Mittelalters, Kreuzzugsgeschichte, Stadt- und Migrationsgeschichte, Historische Geographie und Universitäts-, Bildungs- und Wissenschaftsgeschichte des Mittelalters und der Neuzeit. Prof. Dr. Christian Hesse, geb. 1961 in Zürich, studierte Allgemeine Geschichte, Kunstgeschichte und Chemie an der Universität Zürich. Nach seiner Promotion war er u. a. Assistent am Historischen Institut der Universität Bern. Seit 2008 ist er dort Professor für mittelalterliche Geschichte.
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