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Das Lächeln des Weisen ist das Lächeln der Freiheit. Das, was der Weise verstanden hat, befreite ihn von unnützen Lasten des Daseins und erhebt ihn in Regionen, wo eine ewige Sonne scheint. Und diese Weisheit, die er zum Preis vieler Anstrengungen erworben hat, an diejenigen weiterzugeben, die mit ihm leben oder zu ihm kommen, das ist der einzige Wunsch des Weisen. Aber wie viel Zeit ist nötig, um den Menschen das zu vermitteln, was man selbst verstanden hat! Das Einzige, was der Weise daher unmittelbar vermitteln kann, ist die Freude, die er aus dieser Weisheit schöpft, diese Freude, die sein Herz erfüllt, die aus seinem Herzen hervorquillt, und das Lächeln ist der Ausdruck dieser Freude, die man auch Liebe nennen kann. Omraam Mikhaël Aïvanhov
Leseprobe
Omraam Mikhael Aivanhov Izvor 243 Das Lächeln des Weisen Kapitel 1 - Der Weise lebt in der Hoffnung Im Laufe eines Tages begegnen wir unterschiedlichen Personen, und es ist interessant, manchmal sogar amüsant, zu beobachten wie sie sich über die Ereignisse oder das Dasein im Allgemeinen äußern. So sind manche nur damit beschäftigt, alles breitzutreten, was schlecht läuft und was ihrer Meinung nach weiterhin schlecht laufen wird oder eher noch schlechter; andere hingegen bemerken und merken sich nur das, was gut und ermutigend ist, und sie machen beständig Fortschritte, wobei sie ausrufen: »Wie schön ist doch das Leben!« Die einen bezeichnet man als Pessimisten, die anderen als Optimisten. Für den Pessimisten gibt es das ganze Jahr über nur wolkenverhangene und regnerische Tage, die immerhin, wie er zugibt, von ein paar Sonnenstrahlen schwach erhellt werden. Für den Optimisten hingegen gibt es überhaupt nur sonnige Tage, von gelegentlichen, wohltuenden Schauern unterbrochen. Man präsentiert einem Pessimisten ein Projekt? Er sieht sofort einen Berg von Hindernissen, die der Verwirklichung im Wege stehen werden. Der Optimist hingegen akzeptiert jedes neue Projekt mit Begeisterung, überhört die Einwände, die man ihm darlegt, und sieht das Projekt sofort zur größten Zufriedenheit aller verwirklicht. Der Pessimist fühlt sich immer von Krankheit bedroht und denkt beim geringsten Unwohlsein schon ans Krankenhaus und sogar an den Friedhof. Er hat natürlich schon sein Testament gemacht und ist bereit, seine Freunde für ein letztes Lebewohl zusammenzurufen. Der Optimist fühlt sich immer gesund und wenn er krank wird, ist er sich sicher, schnell wieder auf die Beine zu kommen. Und da es in der Welt schlecht zugeht, die Leute böswillig sind und alle guten Projekte mehr oder weniger zum Scheitern verurteilt sind, schließt der Pessimist daraus, dass es sich nicht besonders lohnt, etwas zu tun oder gar anderen zu helfen. Er begnügt sich damit, seine eigenen Angelegenheiten zu regeln und überlässt die Menschen ihrem traurigen Schicksal. Und welch eine Befriedigung für ihn, festzustellen, dass die Mühsal, die Schwierigkeiten oder die Missgeschicke, die er vorhergesehen hat, tatsächlich eintreffen! Pessimismus zieht also Egoismus und sogar Verhärtung nach sich, aber auch Faulheit. Ja, in seiner Überzeugung, dass man durch nichts die Lage verbessern kann, wird der Pessimist faul, außer wenn es darum geht, allen die guten Gründe zu erklären, weshalb er Pessimist ist. Oh, in diesem Falle entfaltet seine Zunge eine unerwartete Aktivität! Und oft genug schreibt der Pessimist sogar. Wie viele Bücher wurden von Leuten geschrieben, die das Bedürfnis hatten zu betonen, dass die Welt dem Bösen ausgeliefert ist und dass das Dasein absurd ist, dass sich eigentlich überhaupt nichts lohnt. Mein Gott, wenn das Gute niemals triumphieren darf, wenn nichts Sinn macht, wenn sich nichts lohnt, warum auch nur die Anstrengung unternehmen, zu sprechen und zu schreiben? Das ist doch unlogisch. Logischerweise müsste man stumm bleiben. Ja, aus welchem Bedürfnis heraus machen sich diese Autoren daran, den Kopf und das Herz all derjenigen, die sie lesen werden, mit dunklen Wolken zu verfinstern? Natürlich hat die Medizin festgestellt, dass der Gesundheitszustand des Organismus die psychische Verfassung des Menschen beeinflusst: Pessimisten haben oft eine kranke Leber oder einen kranken Magen. Aber man darf nicht Ursache und Wirkung durcheinanderbringen. In Wirklichkeit rühren diese Leber- und Magenbeschwerden von bestimmten, höchst schädlichen, mentalen Gewohnheiten her, welche die Personen in diesem oder auch in einem vorangegangenen Leben über lange Zeit genährt haben. Und jetzt spiegelt sich dieses schlechte Funktionieren ihres Verdauungsapparates in ihrem Geisteszustand wider. Die Psyche beeinflusst ohne Unterlass die Physis und umgekehrt. Und worin liegt der Ursprung des Pessimismus bei den Menschen? Manche geben vor, es sei ihr klarer Verstand. Ganz und gar nicht! Es ist ihr Ehrgeiz, ihre maßlosen Begierden, die sie nicht befriedigen konnten. Daher folgte Enttäuschung auf Enttäuschung und sie blickten schließlich desillusioniert auf die Welt. Pessimismus tritt häufig bei den alten Nationen auf. Sie formten sich aufgrund groß angelegter Projekte, an deren leichtes und gutes Gelingen sie glaubten. Gewisse Erfolge ließen sie glauben, dass sie nicht nur die Nachbarländer beherrschen würden, sondern dass sie ihren Einfluss auch auf entfernte Gegenden ausweiten könnten. Und darin liegt der Irrtum! Man will die ganze Welt verschlingen, aber man müsste sich zunächst einmal fragen, ob man fähig wäre, sie auch zu verdauen; und selbst wenn man zunächst einige Siege davonträgt, nach und nach kommen die Schwierigkeiten, die Sackgassen, die Niederlagen und Verluste. Wie sollte man daher die Zukunft in günstigem Licht sehen? Die jungen Nationen dagegen, die diese Erfahrungen noch nicht gemacht haben, sind voller Hoffnung. Sie glauben, dass sie dort Erfolg haben werden, wo die anderen gescheitert sind. Natürlich können sie Erfolg haben, aber nur unter der Bedingung, dass sie mit Weisheit und Mäßigung vorgehen, sonst werden auch sie, so wie die anderen, in Enttäuschungen und Pessimismus enden. Denn Nationen sind wie Individuen, sie werden von denselben Gesetzen regiert. Diejenigen, die solche Ambitionen nähren, die ihnen anschließend über den Kopf wachsen, drohen zu scheitern, und diese Misserfolge werden schließlich ihre gesamte Weltsicht in düstere Farben tauchen. Ob nun Nationen oder Individuen, für viele kann das Dasein als Übergang vom Optimismus zum Pessimismus definiert werden. Für jemanden, der noch jung ist, erscheinen alle Hoffnungen erlaubt, zahlreiche Tore stehen offen, und wenn eines sich schließt, bleiben noch viele andere offen. Aber nach und nach haben sich die Tore eines nach dem anderen geschlossen, und dann werden die Gesichter, die man im Leben lächelnd und zuversichtlich gesehen hat, schließlich zu Masken: Der Blick verdunkelt sich, die Gesichtszüge fallen zusammen und in den Mundwinkeln erscheinen Bitterkeitsfalten. Oh ja, die Jugend macht Pläne und das Alter zieht Bilanz. Eine Bilanz, die nicht immer so berühmt ausfällt. Meister Peter Deunov sagte: »Die Menschen verfallen deshalb in Pessimismus, weil sie nicht wissen, welche Richtung sie ihrer Aktivität geben sollen.« Um welche Art von Richtung handelt es sich dabei? Der Einfachheit halber kann man von zwei Richtungen sprechen: nach oben, zur spirituellen Welt, und nach unten, zur materiellen Welt. Die materielle und die spirituelle Welt präsentieren uns beide ihre Reichtümer; in beiden Fällen sind sie nicht leicht zu erlangen, aber die Schwierigkeiten werden nicht auf die gleiche Weise erlebt, je nachdem welche man sucht. Derjenige, der sich auf materielle Verwirklichungen konzentriert, wie Besitztümer, Geld und Macht und der seine Ziele nicht erreicht, wird mit Bitterkeit seine Niederlagen spüren, als hätte er alles verloren. Derjenige hingegen, dem spirituelle Bedürfnisse innewohnen, fühlt sich immer unterstützt. Durch sein Streben nach einem höheren Leben webt er beständig Verbindungen mit der göttlichen Welt, und diese Verbindungen rufen in ihm verborgene Schwingunge…