Erlebnisse auf einer Reise durch Südamerika, Beobachtungen, Merkwürdigkeiten, gute Naturschilderungen sowie viel Verständnis für die Indianerseele. Politische, historische und soziale Anmerkungen ergeben einen fesselnden spielerisch-neugierigen und kritisch-aufmerksamen Mix, wie er bislang noch nicht existierte. Ein verdammt gutes Buch zum Verständnis des Kontinents.
Reiseberichte gibt es viele, sind vielleicht der Ursprung prosaischer Literatur überhaupt der staunende Mensch tritt fasziniert dem Neuem gegenüber. Planet Erde wurde erforscht und beschrieben, nicht bis in den letzten Winkel, aber vielleicht bis in den vorletzten. Wozu also weitere Reiseberichte, obendrein aus Südamerika, dem hippen und angesagten Kontinent der Milleniums-Backpacker, dort wo jeder schon seinen Rucksack getragen hat? Weil Mitteilungen an die Liebsten, gesendet als nahezu tägliche Email, ganz jungfräulich, authentisch und in vivo übermittelt werden. Weil der Autor nicht an seinem Heimcomputer mit Kaffee und Zigarette sitzt und Memoiren nachträglich für das Publikum diktiert, sondern in überfüllten Internetcafes im andinen Hochland, umgeben von schreienden und wuselnden Indianern, live in die Tasten haut. Knapp vier Monate unterwegs ist ein unterhaltsames, humorvolles, an den Stellen, wo es um Konquista und Ausbeutung geht, aber auch kritisches Werk entstanden, das auch im Reiseboom-Zeitalter noch die Herzen von Fernweh geplagten Europäern erreicht. Immer wieder längst überfällige Schreie des indianischen Schmerzes kommen genau so zum Tragen wie das entgegengesetzte Naturbild der scheinbar doch nicht so gänzlich globalisierten Südamerikaner. Besuche im Dschungel des Amazonas, am Fuße ecuadorianischer Vulkane und der größten Salzwüste der Welt stehen genauso auf der Agenda wie großstädtisches Treiben in Lima, Quito und Buenos Aires oder verschlafene Esel, gebratene Hühnerfüße und Insektenschwärme. Glückselige Betrachtungen der Sterne, Berge und Flüsse ergänzen sich mit politischen, historischen und sozialen Überlegungen zu einer spielerisch-neugierigen und kritisch-aufmerksamen Melange. Offensichtlich ist hier ein Reisebericht von überzeugender Unschuld entstanden, mit dem nicht nur die Empfänger der Emails imaginär nach Ecuador, Peru, Bolivien, Chile, Argentinien und Uruguay reisen dürfen, sondern auch die Leserinnen und Leser des als Gesamtwerk erscheinenden Buches. Der Ursprung des Staunens liegt im Neuen, der Mensch verwandelt sich im Tun, die Reiseberichte aus Südamerika sind beredtes Zeugnis.
Vorwort
Wer Zusendungen im elektronischen Postfach liebt, wird in den nächsten Monaten von der Reiseberichts-Adresse gefüttert werden! Es handelt sich - wie der Name unschwer vermuten lässt - um Berichte einer Reise. Dahin gestellt sei, ob es sich um die Reise zum Erholen, zur Erleuchtung oder zum Bäcker, der auch Brötchen von gestern im Angebot hat, handelt. Generell kennen wohl die meisten von Euch die bisweilen ultralangen Rundmails gewiefter Globetrotter, deren Lektüre leider häufig nach der Hälfte abgebrochen werden muss. Das liegt weniger an der interessanten Dichte der dort so überaus großzügig verschenkten Informationen, sondern am Paradoxon, gemütliche Reiseberichte - die am Besten im Kaffeehaus in angenehmer Jazz-Atmosphäre genossen werden sollten - im Porno-Highspeed-World-Wide-Web-Netz zu posten, also im Sinnbild einer Gesellschaft, die weder warten kann noch Zeit für drei Minuten mehr hat; die Berichte sind dort also so sinnvoll aufgehoben wie Altenheime in Sizilien. Womit wir schon beim Thema wären. Es erwarten Euch Beobachtungen, die so genießbar sein wollen wie ein kleines Stück Haselnusstraum à la Giotto (oder auch ´ne ganze Stange von dem Zeugs, mjam!). Ihr dürft, sollt, müsst, könnt auf diese Beobachtungen aus der Ferne, die nicht näher sein könnten, antworten, in dem Ihr einfach auf Antworten klickt (Schau mal wie einfach das also geht.). Nein, es handelt sich nicht um eine selbstzerstörerische Feed-for-you-Quelle, die gegen persönliche Kontakte immun ist. Auf die gleiche Art und Weise könnt Ihr Euch natürlich auch aus diesem Verteiler entfernen lassen, sei es, weil es im Internet schnell und pragmatisch zugehen muss, oder sei es, weil Euch der Schreiber dieser Zeilen zum Hals raushängt, wie des Hundes Zunge. Bis auf weiteres am Äquator zu erreichen.
Autorentext
Marco Gerhards, in den 1970er Jahren geboren in einem sterilen Krankenhaus, aufgewachsen jedoch im wärmenden Wald, umgeben von allerlei Natürlichen. Die Schulerziehung im christlichen Inferno hinderte ihn nicht daran, Lebenskunde, Körperwelten und Geschichten so das eigene Bekunden zu studieren. Bis heute interessiert er sich für außergewöhnliche, tiefsinnige und lebensbejahende Alternativen. Neugierig besuchte er die fünf Kontinente und ist immer wieder fasziniert von der Mannigfaltigkeit der Kulturen. Momentan arbeitet er als Körpertherapeut und freier Journalist.
Klappentext
Ein einzigartiges Buch, das seinesgleichen sucht. Der Autor verpackt verrückte Erlebnissen in poetische Bonbons. Nicht irgendwo in Hintertupfingen, sondern auf den heiligen Andenbergen, in der argentinischen Pampa und im Dschungel des Amazonas. Ein ehrlicher, aufregender und tiefgründiger Reisebericht über eine der spannendsten Gegenden der Welt: Südamerika. Das Tagebuch erzählt lustige Episoden und transportiert überwältigende Sinneseindrücke - garniert mit sprachlichen Pointen und einer Menge Recherche über die einzelnen Themen. So darf beständig gelacht, geschmunzelt, aber auch geweint werden: über Ausbeutung, Sklavenementalität und aufgezwungene europäische Glaubenssätze. Neben der Beschreibung von großen und kleinen Orten, touristentauglichen Hotspots und gar nicht hotten Spots - die dafür umso interessanter sind -, vereint dieses Buch die Freude der Naturbetrachtung mit der Sozialbeobachtung des Kontinents. Daraus ergibt sich ein vielfältiges Bild der Menschen und ihrer Werte. Die Verweise auf die Heimat des Autors, das schnöde Deutschland, sind komisch bis absurd und nicht weniger herrlich als die südamerikanische Kraft, über die der Autor staunend berichtet, wenn er Vulkane, Sonnentempel und Pflanzen sprechen lässt. Also los auf die Reise zu Indianerherzen, heiligen Orten, bunten Farben und exotischen Tieren - Verwandlung garantiert!
Leseprobe
Einen Orden für. TERCERO HOLA! Heute verteilen wir einen Orden für. die Ordnung! Und dieser Orden geht nach Deutschland, dem Land der korrekten Angaben, der minutiösen Ausgaben und der geradlinigen Vorgaben. Selbst angelsächsische oder skandinavische Länder können da nicht mithalten, was irgendwie auch daran liegt, dass die Baumaterialien leichter und damit anfälliger sind. Den bombastischen Beton, die akkurate Falz und die bündige Leiste, die gibt es nur in Karlsruhe und Kassel. In Ecuador gibt es das, was es auch in Tunesien, Thailand und Turkmenistan gibt, nämlich ein Fünfe gerade sein lassen, ein Hauptsache Dach überm Kopf, ein Take it easy. Das äußert sich in zerstörten Straßen, aufgerissenen Gehwegen, verranzten Blechkarren und vor allen Dingen behelfsmäßigen Behausungen. Das Abklebeband zur akkuraten Malerarbeit kennt man hier nicht, es wird gepinselt so weit das Auge reicht, und der ein oder andere Strich geht da gerne mal daneben. Fugen im Kachelwerk sind ja gut und schön, aber müssen die alle ordentlich gezogen sein? Und ´nen Boden legen, egal ob Estrich oder PVC, ist keine Angelegenheit fürs geometrische Raumverständnis, sondern funktioniert wie ein Besuch auf dem Ort der Stille. Fallen lassen, abputzen, abziehen - fühlt sich gut an, muss aber nicht gut aussehen. Der Putz, der Mörtel, die Fassade, die hochgezogene Mauer, sie alle fristen hier ein fragmentarisches Dasein, hier fällt was runter, da guckt was raus, am Liebsten Leitungen für Wasser, Strom und Gas. Kein Anblick für Ästhetiker, schon gar nicht für Silik…