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Kurt Prinzhorn ist zu einem Schriftstellertreffen nach Innsbruck eingeladen, wo ihm Merkwürdiges widerfährt: Jemand muss während seiner Abwesenheit ein ausgiebiges Schaumbad in der Wanne seines Hotelzimmers genommen und dort bewusst Spuren hinterlassen haben. Die Chipkartenschließanlage der Tür zeigt jedoch kein fremdes Eindringen an. Als nächstes verschwindet der Schlüsselbund des zunehmend ratlosen Autors. Während einer Moskau-Reise wenige Tage später kommt es zu neuen Unerklärlichkeiten, und auch in Madrid, wo Prinzhorn als Stipendiat eine alte Geliebte besucht, reißt die Kette seltsamer Geschehnisse nicht ab - bis ihm durch Zufall das Puzzle der Erinnerung zu einem Bild zusammenfällt, das ihn weit in die eigene Biographie zurückführt. Am nächsten Morgen dann klingelt die Polizei an der Tür seiner Berliner Wohnung, denn unter dem Fenster von Prinzhorns Stipendiatenzimmer in Madrid wurde eine tote Frau gefunden.
Gerhard Falkner, geboren 1951, zählt zu den bedeutendsten Dichtern der Gegenwart. Er veröffentlichte zahlreiche Lyrikbände, u.a. 'Hölderlin Reparatur', für den er 2009 den Peter-Huchel-Preis erhielt, und zuletzt 'Ignatien' (2014). Für seine Novelle 'Bruno' wurde ihm 2008 den Kranichsteiner Literaturpreis verliehen. Nach Aufenthalten in der Villa Massimo/Casa Baldi und der Akademie Schloss Solitude war er 2013 der erste Fellow für Literatur in der neugegründeten Kulturakademie Tarabya in Istanbul und zuletzt, 2014, Stipendiat in der Villa Aurora in Los Angeles, Kalifornien. Seine Romane 'Apollokalypse' (2016) und 'Romeo oder Julia' (2017) standen auf der Long- bzw. Shortlist des Deutschen Buchpreises und wurden von der Kritik gefeiert. Gerhard Falkner lebt in Berlin und Bayern.
Vorwort
»Deutsche Literatur kann auch mal großartig sein.« DLR Kultur zu Apollokalypse
Autorentext
Gerhard Falkner, geboren 1951, zählt zu den bedeutendsten Dichtern der Gegenwart. Er veröffentlichte zahlreiche Lyrikbände, u.a. "Hölderlin Reparatur", für den er 2009 den Peter-Huchel-Preis erhielt, und zuletzt "Ignatien" (2014). Für seine Novelle "Bruno" wurde ihm 2008 den Kranichsteiner Literaturpreis verliehen. Nach Aufenthalten in der Villa Massimo/Casa Baldi und der Akademie Schloss Solitude war er 2013 der erste Fellow für Literatur in der neugegründeten Kulturakademie Tarabya in Istanbul und zuletzt, 2014, Stipendiat in der Villa Aurora in Los Angeles, Kalifornien. Seine Romane "Apollokalypse" (2016) und "Romeo oder Julia" (2017) standen auf der Long- bzw. Shortlist des Deutschen Buchpreises und wurden von der Kritik gefeiert. Gerhard Falkner lebt in Berlin und Bayern.
Leseprobe
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Nachdem ich in meinem Haus in der Nähe von Nürnberg frische Wäsche, mein grau-grünes Harris-Tweed-Sakko aus dem Vorbesitz meines Schwagers, meine Nikon F2, die, als ich sie kaufte, als Profikamera für den »harten Einsatz« galt, sowie ein paar Bücher und persönliche Unterlagen zusammengepackt und dafür einen Umweg von mindestens vier Stunden in Kauf genommen hatte, der unnötig gewesen wäre, wenn ich mich auf das beschränkt hätte, was ich auf der klandestinen Baustelle schon eine Woche zuvor für die Reise bereitgelegt hatte, fuhr ich los. Obwohl die Strecke über die A9 und dann über Rosenheim vermutlich der schnellere Weg gewesen wäre, fuhr ich über Donauwörth zurück nach Augsburg und nahm von dort die Bundesstraße 17 bis Schongau, wo ich schließlich ins Ammertal Richtung Garmisch-Partenkirchen abbog. Ich hatte Lust auf Landschaft, und die Landschaft hatte, wie es aussah, Lust auf mich. Schon kurz nachdem ich das Donau-Ries mit seinem durchhängenden Himmel und die Frankenalb mit ihrer dumpfen Solnhofener Schwere Richtung Süden verlassen hatte, war an allen Ecken und Enden die Sonne ausgebrochen. Man sah sie noch nicht, aber sie feuerte, wie es schien, bereits überall aus dem Verborgenen wie ein Heckenschütze. Nun, als ich ins Ammertal einbog, befreite sich der Himmel vollständig von allen Wolken, und eine dicke Septembersonne schwebte gleißend über der Idylle und berührte mit einem Hauch von Röte am westlichen Rand des Wettersteins den Gipfel der Zugspitze, während weiter im Süden, ihre gewaltige Wand zwischen Bayern und Tirol aufrichtend, die von West nach Ost streichenden Ketten des Karwendelgebirges hervortraten. Berge, die wegen ihres Kalk- und Dolomitgesteins ihr mildes, kreidiges Leuchten sogar in klaren Nächten nicht verlieren.
Vor zwei Jahren, als auf Schloss Elmau wegen einer defekten Heizdecke in Ducci Mesircas Zimmer der große Brand ausbrach, der fast das gesamte Dachgeschoss des Hotels zerstörte und jene ganz besonderen und ehrwürdigen Möbel vernichtete, die wie verdiente Persönlichkeiten überall auf den Zimmern und in den Gängen herumgestanden hatten, hatte sich der Wettersteinkamm mit seinem schmelzenden Licht, auf den ich nachts immer wieder von meinem Zimmerfenster aus starrte, als der glückliche Zufall mich einmal in dieses Hotel eingeladen hatte, in mein Gedächtnis gebrannt.
Die Straße führte den Drahnbach entlang, der mir mit seinem sprudelnd weißen Gebirgswasser so hastig entgegenkam, als wäre weiter oben eine Katastrophe im Gange.
Ich hörte das panische Zischen durch die offenen Autofenster, und die Gipfel ringsum drehten sich in den Kurven neugierig hin und her wie alte Dampfloks mit Frontschornsteinen auf einer Drehscheibe.
Oben, in Leithen, parkte ich meinen Wagen, einen metallicgrünen Mercedes-Benz 230 E, Baujahr 1986, um mir die Pestsäule anzuschauen, die der ehrsame und gestrenge Nikolaus Haller aus Innsbruck aufstellen ließ, und mir anschließend auf den umliegenden Wiesen eine Weile die Beine zu vertreten. Völlig zu Recht heißt die Säule bei den Einheimischen »der dicke Turm« und unterscheidet sich von den meist schlanken Mariensäulen, die sich von Wien aus über das gesamte k. u. k.-Reich und den anstoßenden katholischen Raum hier unten verbreiteten, eben dadurch.
Damals, auf dem Weg nach Maribor, als ich dieses Gewitter über der Basilika Mariatrost in Graz aus dem Autofenster heraus fotografierte, hatte ich, so erinnere ich mich, in Kapfenberg haltgemacht, um mir die dortige Pestsäule anzuschauen. Die hatte ich damals ebenfalls fotografiert. Es war die gleiche Nikon F2, die ich jetzt verwendete - beide Male zugegebenermaßen nicht gerade im harten Einsatz. Undeutlich drängte sich mir eine Frau ins Gedächtnis, die sich lachend und pantomimisch in den Autositz zurückstemmte, um mir aus dem Bild zu gehen, während ich fotografierte. Diese Erinnerung flackerte wie ein Blitz, der schauerlich über den dunklen Weiten der Verge