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Wohlfahrtsstaaten werden zunehmend von Marktmechanismen beeinflusst. Politische Parteien, Versicherungsgesellschaften, Banken und Kirchen versuchen, die Wohlfahrtsmärkte nach ihren Interessen zu formen. In der Folge steigen private Anbieter in vormals öffentliche Bereiche ein. Der Einzelne hat dadurch zwar die freie Wahl zwischen privaten und staatlichen Leistungsträgern, muss aber auch häufiger
in die eigene Tasche greifen. Stephan Köppe zeigt mit einem Vergleich von Deutschland, Schweden und den USA eindringlich, wie Renten- und Bildungsmärkte in das nationale Wohlfahrtsregime eingebettet werden.
Autorentext
Stephan Köppe ist Lecturer in Social Policy am University College Dublin, Irland.
Leseprobe
Vorwort
Als ich die Arbeit über Wohlfahrtsmärkte begann, merkte ich schnell, dass sowohl Kollegen als auch Freunde und Bekannte mit dem Begriff zum Teil wenig anfangen konnten und keine Vorstellung von meinem Forschungsfeld hatten. Mein Standardbeispiel in Konversationen wurde schnell die deutsche Riester-Rente, um die Vermarktlichung und Privatisierung von Sozialprogrammen zu illustrieren.
Normalerweise würgen solche Themen jedes Gespräch ab, weil keiner über komplexe Finanzanlagen über einem Bier oder bei Kaffee und Kuchen sprechen möchte. Ich erlebte aber das Gegenteil. Schnell kamen Fragen auf, ob ich denn auch schon eine Riester-Rente abgeschlossen hätte und welchen Anbieter beziehungsweise welches Produkt ich empfehlen würde. Ich musste meine Gesprächspartner immer enttäuschen, weil ich ihnen zwar ans Herz legte eine Riester-Rente abzuschließen, aber selber noch keine abgeschlossen hatte. Für Betriebsrenten habe ich mich nie aktiv entschieden, sondern war immer automatisch versichert. Häufig waren meine Gesprächspartner an dieser Stelle enttäuscht, weil sie hofften, Insidertipps zu bekommen, um auch endlich eine Entscheidung über ihre private Vorsorge zu treffen.
Ich erläuterte dann meist etwas beschämt und umständlich, dass ich lediglich die Regulierung und den politischen Entstehungsprozess der Vermarktlichung untersuche. An dieser Stelle wurden die Gespräche wieder lebhafter und es folgten zum Teil stundenlange Debatten über das Für und Wider von Privatisierungen und Märkten. All diese Gespräche waren hilfreich, um zu erkennen, wie politisch umstritten die Einführung von Wohlfahrtsmärkten ist. Ebenso wird an meiner eigenen Versichertenlaufbahn deutlich, wie irrational Menschen in Wohlfahrtsmärkten agieren und welchen Einfluss die Regulierung der Märkte hat. Trotz besseren Wissens habe ich nie eine Riester-Rente abgeschlossen. Die Diskussionen darüber haben zu meinem Verständnis beigetragen, welchen Einfluss die Regulierung der Wohlfahrtsmärkte auf das Verhalten von Menschen hat und wie politisch umkämpft das Feld ist. Mein Dank gilt also diesen vielen Gesprächspartnern auf Konferenzen, Feiern und ähnlichen Anlässen.
Die Hauptarbeit ist am Zentrum für Sozialpolitik (ZeS) der Universität Bremen entwickelt und durchgeführt worden. Weitere institutionelle Unterstützung erhielt ich von der Bremen International Graduate School of Social Sciences (BIGSSS), dem Swedish Institute for Social Research (SOFI, Universität Stockholm) und den Universitäten Edinburgh, St Andrews und Dundee. Außerdem gilt mein Dank dem ZeS und der Phorms Education SE für Druckkostenzuschüsse. Dabei möchte ich betonen, dass die finanzielle Unterstützung keinerlei Einfluss auf den Inhalt der Arbeit hatte.
Viele Kollegen haben mich an verschiedenen Stellen der Arbeit unterstützt und viele sind gute Freunde geworden. Maßgeblich haben Frank Nullmeier und Herbert Obinger diese Arbeit von Anfang an begleitet und meine Argumente kritisch und konstruktiv beleuchtet.
Namentlich möchte ich vor allem Hayley Bennett, Catherine Blair, Florian Blank, Stefanie Börner, Irene Dingeldey, Benjamin Ewert, Karin Gottschall, Ralf Götze, Karl Hinrichs, Gitta Klein, Tanja Klenk, Clémence Ledoux, Stephan Leibfried, Steffen Mau, Ingela Naumann, Jonas Pieper, Tanja Pritzlaff, Patrick Sachweh, Peter Starke, Thomas Wachtendorf und Philine Weyrauch für konstruktive Kommentare zu Entwürfen und Ideen in verschiedenen Arbeitszusammenhängen danken. Viele weitere Menschen haben diese Arbeit begleitet und geholfen sie erfolgreich abzuschließen, auch ihnen sei hiermit gedankt.
Besonderer Dank gilt Karl Loxbo von der Linnaeus Universität (Växjö, Schweden), dessen Experteninterviews ich einer Sekundäranalyse unterziehen konnte. Ebenso wäre die Arbeit nicht ohne die ausführlichen Informationen meiner Interviewpartner möglich gewesen. Persönlich möchte ich mich bei Simone Lempart bedanken, die mich ermunterte überhaupt eine Promotion anzugehen. Dank auch an Jessica Poeschel, die maßgeblich zur sprachlichen Verbesserung beitrug und für den stilistischen Feinschliff sorgte. Schließlich gilt mein besonderer Dank Theda Grabow für die ausdauernde und liebevolle Unterstützung in allen Lebenslagen.
Dundee, November 2014
Stephan Köppe
Einleitung
"A welfare state is a state in which organized power is deliberatively used (through politics and administration) in an effort to modify the play of market forces" (Briggs 1961: 228).
"Das Konzept Wohlfahrtsmarkt zieht auch deshalb viel Interesse und Aufmerksamkeit auf sich, weil es die Unterscheidung zwischen Wohlfahrtsstaat und Markt in Frage stellt und aufhebt." (Berner 2009: 288).
Diese Studie untersucht Wohlfahrtsmärkte. Also Sozialprogramme, die privat finanziert werden, nicht-staatliche Anbieter involvieren und Wahlfreiheiten für die Wohlfahrtsnutzer ermöglichen. Im Fokus steht der empirische Vergleich von Wohlfahrtsmärkten in zwei Politikfeldern (Rente und Bildung) und drei unterschiedlichen Wohlfahrtsregimen (Deutschland, Schweden, USA). Bisher dominierten Fallstudien zur Vermarktlichung und Privatisierung von Sozialpolitik die Wohlfahrtsmarktforschung und diese Arbeit soll vergleichend zu diesem Themenkomplex beitragen und somit eine Forschungslücke im gegenwärtigen Forschungsstand schließen. In dieser Studie werden vor allem vier Beiträge zur Wohlfahrtsmarktliteratur geleistet. Erstens wird das Konzept Wohlfahrtsmarkt theoretisch umfassend hergeleitet. Zweitens werden verschiedene - teilweise innovative - Indikatoren ausgewertet, um ein möglichst umfassendes Bild des Marktvolumens zu zeichnen. Drittens werden die institutionellen Unterschiede zwischen Wohlfahrtsmärkten untersucht, folglich gilt es, die institutionelle Einbettung der Marktmechanismen in die Wohlfahrtsregime zu vergleichen. Und viertens werden basierend auf der existierenden sozialpolitischen Literatur Erklärungen für die Entstehung, den Wandel und die Einbettung von Wohlfahrtsmärkten diskutiert.
Warum beschäftigt sich aber eine sozialpolitische Studie mit Märkten? Oder genauer gefragt: Warum sind Wohlfahrtsmärkte ein relevantes sozialpolitisches Forschungsfeld? Mit Sozialpolitik werden sehr unterschiedliche Konzepte verbunden, die einem historischen Wandel unterliegen. Die Wurzeln der Sozialpolitik liegen in lokalen Selbsthilfevereinen, kommunalen Armenhäusern, betrieblichen - teilweise paternalistischen - Leistungen und familiären Unterstützungsnetzwerken. Seit der Einführung von Sozialversicherungen und einer Verrechtlichung der sozialpolitischen Leistungen wurde Sozialpolitik vornehmlich als eine nationalstaatliche Aufgabe aufgefasst. Der Wohlfahrtsstaat - oder auch der im deutschen Sprachraum gebräuchliche Sozialstaat - wurde sinnbildlich für sozialpolitische Leistungen und versprach gesellschaftlichen Fortschritt (Alber 1988; Alber/ Behrendt 2001; Briggs 1961; Kaufmann 2000; Köppe u.a. 2011). Wie das Eingangszitat von Briggs (1961) zeigt, wurden wohlfahrtsstaatliche Programme explizit als Gegengewicht gegenüber Marktkräften implementiert. In der Expansionsphase der Wohlfahrtsstaaten, dem sogenannten "Goldenen Zeitalter", wurde bis in die 1970er Jahre hinein der Wohlfahrtsstaat auf eine nationale,…
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