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Nordamerikastudien
Der Kern moderner Demokratie ist die Repräsentation, das heißt, politische Entscheidungen werden an gewählte Volksvertreter delegiert. Anhand zweier Lokalstudien beleuchtet Jürgen Petersen, wie Politiker in Deutschland und den USA Repräsentation verstehen und wie sie mit den Widersprüchen und Problemen dieses Konzeptes umgehen. Sein Vergleich zeigt: Für deutsche Parlamentarier bedeutet Repräsentation vor allem praktisches Expertentum, das im Rahmen von Parteien und Fraktionen erlernt und umgesetzt wird. Im Unterschied dazu stellen amerikanische Politiker vor allem den eigenen Wahlkreis und dessen Interessen in den Mittelpunkt.
Vorwort
Nordamerikastudien
Autorentext
Jürgen Petersen, Dr. rer. pol., war bis 2011 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Frankfurt und Research Associate am dortigen Zentrum für Nordamerikaforschung. Aktuell ist er als Referent bei der Zentralen Evaluations- und Akkreditierungsagentur Hannover (ZEvA) tätig.
Klappentext
Der Kern moderner Demokratie ist die Repräsentation, das heißt, politische Entscheidungen werden an gewählte Volksvertreter delegiert. Anhand zweier Lokalstudien beleuchtet Jürgen Petersen, wie Politiker in Deutschland und den USA Repräsentation verstehen und wie sie mit den Widersprüchen und Problemen dieses Konzeptes umgehen. Sein Vergleich zeigt: Für deutsche Parlamentarier bedeutet Repräsentation vor allem praktisches Expertentum, das im Rahmen von Parteien und Fraktionen erlernt und umgesetzt wird. Im Unterschied dazu stellen amerikanische Politiker vor allem den eigenen Wahlkreis und dessen Interessen in den Mittelpunkt.
Leseprobe
5.1.1 Räume und Ebenen Ein zentraler Gegenstand der Interviews mit den Lokalpolitikern Ann Arbors sind die räumlichen Bezüge von Repräsentation. Die meisten Beschreibungen beziehen sich auf die städtischen Wahlkreise, die wards. Ann Arbor ist in fünf Wahlkreise unterteilt, die ähnlich Tortenstücken jeweils einen Teil der Innenstadt wie auch der Wohnbezirke umfassen. Jeder ward stellt zwei Ratsmitglieder, die im jährlichen Wechsel für zwei Jahre mit einfacher Mehrheitswahl gewählt werden. Der eigene ward ist für die Lokalpolitiker der Ort, an dem zentrale Prozesse lokaler Repräsentation zusammenlaufen: Bürgerkontakte, Themenfindung, Interessenvertretung oder Wahlen. Die Bedeutung des ward umfasst dabei deutlich mehr als nur die eines Wahlkreises: "Well, in the most narrow sense here, I represent the citizens of a specific ward in the city" (Burns, Counc.). Diese Antwort auf die Eingangsfrage des Interviews nach der Bedeutung von Repräsentation zusammen mit der Formulierung "most narrow sense" deuten auf ein Kernelement des lokalen Repräsentationsverständnisses hin, bei dem ideeller Anspruch und praktische Umsetzung eng verbunden sind. Die Wahlen im ward selbst sind aber kaum Thema und wenn, dann werden sie als positive Erfahrung beschrieben. Die Ratsmitglieder Ann Arbors sind mit ihrem kleinteiligen Wahlsystem zufrieden: If you run in your ward, especially if you have been a Council member for the ward and you've done a reasonably good job, and cultivated the neighborhood groups and so on, done politics you don't have to spend a fortune to get re-elected. And if you've done it for some years, you have got to know people. [] But if you have to run in a whole city, you can't do that, it is much harder to do. And so it changes the kind of democracy it is. Instead of being small and cheap, and face-to-face, it is big and expensive, and not face-to-face. (Edgewood, Counc.) Die eigene Position im Wahlkreis wird individualistisch dargestellt: Nur die Ratsmitglieder sind für ihren Erfolg im ward und damit für ihre Wiederwahl verantwortlich. Wichtigste Aufgabe ist es, sich um die Anliegen und Probleme der Bewohner des eigenen - und nur des eigenen - wards zu kümmern: There is just more of a connection between your constituents than answering questions for people from up on North Main [Street] and people from other areas of the city. That would seem not as representative somehow. (Hanson, City Council) Der eigene Wahlkreis ist auch die Basis einer Konzeption direkter Interessenvertretung. Die Bürger und Wähler honorieren nicht den Einsatz eines Repräsentanten für gesamtstädtische Ziele, sondern die Maxime lautet eindeutig: Repräsentiere die politischen Positionen des wards auf städtischer Ebene, im City Council. Solche Beschreibungen sind immer strikt auf den eigenen Wahlkreis bezogen, keiner der Lokalpolitiker erwähnt, dass er sich für einen anderen ward einsetzt, und der eigene Wahlkreis wird als eine gewachsene Einheit beschrieben, von welcher der Politiker selbst ein Teil ist: I think that a lot of the people in our ward - obviously, they have elected Democrats for many years in a row - are relatively liberal. I think, a lot of people in Ann Arbor are more liberal than in other places, but I think that they generally seem to have a lot of the same values that I do. (Friedel, Counc.) Eine noch kleinräumigere Einheit von repräsentativer Relevanz sind die neighborhoods. Diese Nachbarschaften, die mehr oder weniger eindeutig benannt werden ("the Burns Park area", "people in the neighborhoods"), erscheinen als politische und als sozial-lebensweltliche Lokalitäten, für die oftmals der Begriff der community genutzt wird. Nachbarschaften und wards entscheiden über den sozialen Charakter des Lebens an einem Ort: Interviewer: You mentioned the interests of the citizens. Who are the citizens? Which citizens do you think you represent? Hanson: I suppose it is the people who really make up the neighborhoods that are going to have to live with the decisions that are made on a longer term. I mean, it would be anybody in my ward, but the ones that I hear from, whether it'll be complaints or concerns, are generally the people the taxpayers, who are living there and who are going to have to live with decisions that are made, policies that are made and who are going to be there year in and year out. And who are trying to make their neighborhoods as liveable as possible. (Hanson, Counc.) Hier wird dem ward ein bestimmter genius loci, ein "sense of place" (Tuan 1975) zugesprochen, der wiederum Grundlage einer spezifischen politischen Figuration ist: The area where I live in right now, of the first ward, and another area that is right on the edge of the first ward, are the two original - as far as I understand it - African-American home centers, from like the early 1900s. They were the residential sections of Ann Arbor for the black community. And I think that still, 50 and 60 years later, this has consequences for what the neighborhoods feel like []. I think on average it is going to be more politically progressive people who want [to live there]. (Westlake, Counc.) Die Darstellung solcher grundlegenden Übereinstimmungen zwischen ward und Nachbarschaften einerseits und ihren Repräsentanten andererseits nimmt der Repräsentation ein Stück weit ihren funktionalen Charakter. Sie erscheint nicht als Beziehung zwischen Wahlkreisen und austauschbaren Repräsentanten, sondern wird als eine Art von geteilter Identität reflektiert. Die Stadt als Raum politischer Repräsentation bleibt dennoch für die Lokalpolitiker relevant, wenn auch in Spannung zum Wahlkreis: [M]any of the issues that come before us effect the entire city, not just a certain ward. It's a question about: how do I represent the citizens of the entire city of Ann Arbor? And at times those interests are not always mutually aligned. So, there may be issues which - in a most representative sense - may or may not be the wishes of the specific ward. However, we are also asked to look beyond and to see what is best for the entire city. (Burns, Counc.) Allen Interviewpartnern ist dieser Konflikt bewusst. Auch wenn er, wie im Zitat, in der Praxis als eher s…